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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Acad. Leseh.

S1.KZ1810 .

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 11. 30. Dezember 1910.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

======= LITERATURNUMMER =1==========-

Neue Hausbuchmeisterliteratur. Kein Künstler des
deutschen 15. Jahrhunderts steht wohl eben mehr im Vorder-
grunde des Interesses und kein Künstler findet wohl mehr
kritische Untersuchung von den verschiedensten Seiten her
als gerade der sog. Hausbuchmeister. Diese Tatsache
ist außerordentlich erfreulich, denn nur dadurch kann
den vielen Problemen, die bei diesem einzigartigen und
hochbedeutenden Künstler noch immer der Lösung harren,
erfolgreich nachgegangen werden. Andererseits hat das
Bestreben, über diesen Meister immer wieder etwas »ganz
Neues« zu bringen, manchen auf falsche Wege geführt.
Wir wollen dies nicht unerwähnt lassen. Vor allem ist
es die Arbeit von Hans Naumann, »Das Hausbuch und
der Meister des Amsterdamer Kabinetts« (Repertor. f. K.
1910, S. 293—309), die wohl alle, die sich mit dem Haus-
buchmeister intimer zu beschäftigen hatten, unangenehm
berührte. Mit Recht ist dies auch schon an verschiedenen
Stellen deutlich zum Ausdruck gekommen. Naumann hat
es gewagt, mit ziemlich wenig einleuchtender Begründung
die Forschungsergebnisse vieler gründlicher Kunsthistoriker,
die Arbeit von Jahrzehnten, mit einem kühnen Vorstoß
über den Haufen zu werfen. Das könnte vielleicht an sich
wenig verwundern, da man ja bei anonymen Meistern nie
vor Überraschungen sicher ist; aber: Naumann setzt wirk-
lich nichts Besseres an die Stelle. Seiner Ansicht nach hat
der Hausbuchmeister außer seinen »Radierungen« (!) nur
das Gothaer Liebespaar und die Koburger Zeichnung ver-
fertigt, während die von allen bewunderten übrigen Ge-
mälde und Zeichnungen von einem Kopisten, den er mit
dem von mir entdeckten Heinrich Lang identifiziert, her-
rühren sollen. Wenn ein Kunsthistoriker so ganz außer-
ordentlich schöne Werke wie das Berliner Liebespaar, die
Berliner Skizzenblätter, die Pariser Kreuzigung, die Heidel-
berger Zeichnung von 1480 und das Freiburger Triptychon
— um nur einige zu nennen — so gering bewertet, daß
er sie ruhig einem seiner Meinung nach minderwertigen
Künstler zuweisen zu müssen glaubt, dürfte er sich meines
Erachtens eigentlich nicht mit dieser Materie befassen.
Die übrigen Unrichtigkeiten seiner Arbeit, wie z. B. die
falsche Aufteilung der Hausbuchzeichnungen, die von
Storck, Beth und mir unabhängig voneinander im wesent-
lichen übereinstimmend vorgenommen wurde, lasse ich an
dieser Stelle unerwähnt.

Entschieden dankenswerter ist die Publikation des
Spiegels menschlicher Behältnis (Heitz, Studien z. deutsch.
Kunstgesch. Heft 126, 1910), die ebenfalls Hans Naumann
veranstaltete. Im allgemeinen dürfte seine Datierung des
Holzschnittwerkes zutreffen, doch vermißt man, was auch
Leo Bär hervorhebt, eine genauere Bestimmung des Druck-
jahres vermittels der Typen. Beachtenswert scheint mir,
obgleich die Forschung mit sehener Einhelligkeit die
Spiegelillustrationen dem Hausbuchmeister zugeschrieben

hat, die im einzelnen doch recht ungleichmäßige Güte der
Blätter. Manche sind derartig roh, daß man — von der
schlechten Ausführung des Holzschneiders abgesehen —
fast gezwungen ist, an Werkstattarbeiten zu denken. Der
Einfluß Schongauers auf den Hausbuchmeister, den Nau-
mann immer wieder zur Sprache bringt, dünkt mir, obwohl
sicher vorhanden, doch nicht derartig tiefgehend zu sein,
wie Naumann annimmt. Weit höher dürfte der Einfluß
vom Meister ES- her, den der Hausbuchmeister in Kon-
stanz empfing, einzuschätzen sein, wie überhaupt die Kon-
stanzer Kunst für den Hausbuchmeister von größter Be-
deutung war.

Eine äußerst wichtige Bereicherung der Hausbuch-
meisterliteratur ist des weiteren eine Arbeit von Max Oels-
berg in den Monatsheften f. Kunstw. (1910, S. 377—382),
wo eine neue Zeichnung des Meisters, ein Entwurf für
eine Goldschmiedearbeit, vorgeführt wird. Es ist dies in-
sofern von weitgehendem Interesse, als man bis jetzt aus
verschiedenen Gründen geneigt war, die Beziehungen des
Hausbuchmeisters zum Goldschmiedehandwerk recht gering
zu veranschlagen. Bemerken möchte ich im Anschluß
an diese Zeichnung, daß sich in der Sammlung Pierpont
Morgan eine deutsche Goldschmiedearbeit des 15. Jahr-
hunderts findet, die m. E. entschieden eine gewisse Ver-
wandtschaft mit dem Entwürfe unseres Meisters zeigt (vgl.
Burlington Fine Art Club, Exhibition of Early German Art;
London 1906, Tafel XLII).

Willy F. Storck bringt im 11. Hefte der Zeitschr. f. bild.
Kunst interessante Parallelen zu dem auch in den Kreis
des Hausbuchmeisters gezogenen Bilde »Allegorie auf den
Tod und das Leben« im Germanischen Museum.

Im Novemberheft der Monatshefte f. Kunstw. versucht
Leo Bär hauptsächlich auf historischer Grundlage eine
Chronologie der sämtlichen Werke des Hausbuchmeisters
zu gewinnen, wie sie schon früher in der gleichen Zeit-
schrift Kurt Glaser für die Stiche mehr stilkritisch vor-
gehend aufgestellt hat. Wenn sich auch im einzelnen
wohl nie ganz bestimmt wird sagen lassen, ob ein Blatt
früher oder später ist als das andere, so bietet gerade die
historische Methode, besonders bei richtiger Verwertung
des jeweiligen Terminus post oder ante, eine äußerst sichere
Grundlage, und sicher werden sich bei genauerem Durch-
arbeiten der Miniaturen noch weitere datierbare Kopien
nach dem Hausbuchmeister namhaft machen lassen. Ohne
des näheren auf die sehr gewissenhafte Arbeit Bärs ein-
zugehen, möchte ich daran anschließend folgendes er-
wähnen:

Die Stiche L. 55 und L. 56, Mädchen und Greis, Jüng-
ling und Alte, sind in einem Holzschnitt (um 1500) be-
nutzt, der folgende Verse zeigt:

»Ach schene frau ir gebent mir freudt vnnd mut /
dörfft ich euch vertrauen es wer gar gutt —
 
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