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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Wann ist Paolo Veronese geboren?
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0141

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«^HU. LESEH,

15.FEB1911

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

■ mm*

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 17. 24. Februar 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern
Die Abonnenten der .Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. - Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
»Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

WANN IST PAOLO VERONESE GEBOREN? '

Beinahe alle neueren Nachschlagebücher und Galerie-
kataloge geben 1528 als Geburtsjahr Veroneses an. Nun hat
aber vor mehr als 12 Jahren der rühmlich bekannte Direktor
des Veroneser Archivs Oiuseppe Biadego 1528 als Geburts-
jahr in Zweifel gezogen und für wahrscheinlich erklärt, daß
der Künstler erst 1530 geboren ist'). Die Angelegenheit ist
wichtig genug, um nochmals besprochen zu werden; für
eine historische Wissenschaft ist ja überhaupt kein Datum
belanglos, in diesem besonderen Falle ist aber noch dazu
die Frage, ob 1528 oder 1530 als Geburtsjahr anzusehen
ist, von großer Bedeutung für die Chronologie der Jugend-
werke des Künstlers, über die wir noch ganz im Un-
klaren sind.

Ridolfi gibt zu Anfang seiner Biographie an, Paolo sei
1532 geboren, um zum Schlüsse zu sagen, der Künstler
sei 1588 im Alter von 58 Jahren gestorben, was 1530 als
Geburtsjahr ergibt-). Zannandreis nennt 1527, ohne einen
Beleg für diese Angabe zu zitieren3), Bernasconi*) und
Pietro Caliari6) 1528. Dieser, der Biograph seines großen
Vorfahren, teilte zur Bekräftigung seiner Aussage die Ana-
graf e von 1529 mit, nach der Paolo, der Sohn des in der
contrada di S. Paolo zu Verona wohnhaften Steinmetzen
Gabriele di Piero, der ganz sicher der Vater des Künstlers
ist, ein Jahr alt ist Man möchte meinen, damit sei die
Angelegenheit erledigt, Paolo sei 1528 geboren.

Nun macht aber Biadego darauf aufmerksam, daß die
späteren Anagrafe der Angabe derjenigen von 152g wider-
sprechen. Nach den Anagrafe von 1541 und 1545 wäre
Paolo 1531 geboren, nach denen von 1555 wiederum 1528,
nach denen von 1553 und 1557 aber erst 1533. Hinzukommen
die Angaben Ridolfis, der, wie gesagt, einmal 1530, einmal
1532 als Geburtsjahr nennt und schließlich eine Inschrift,
die sich an der von Camillo Bozzetti geschaffenen Büste
Paolos, die die Hinterbliebenen, der Bruder Bendetto und
die Söhne Carlo und Gabriele, über dem Grab des Künst-
lers in S. Sebastiano zu Venedig aufstellen ließen, befand
und nach Palfero (Io. Georgius Palferus, Memorabiüa vene-
tiarum monumenta, Ms. Venedig, Bibl. Marciana) folgender-
maßen lautete: Paulo Caliari effigies aetatis suae anno 58.
Dieser Inschrift endlich, die nach Cicognas und Biadegos
Interpretation, da Paolo 1588 gestorben ist, für 1530 als
Geburtsjahr spricht, steht wiederum der Eintrag im Necro-
logio sanitario entgegen, welcher sagt: 1588, ig aprile (bei
Biadego irrtümlich agosto) mis. Paolo Veronese pittor de

1) O. Biadego in Atti del Istituto Veneto, Serie 7,
Band X, p. 99«-

2) C. Ridolfi, Le Maraviglie. Ed. 2. IL, p. 5 8o-

3) Zannandreis, Le vite dei pittori etc. veronesi. p. 161.

4) Bernasconi, Pittura italiana etc. p. 322.

5) P. Caliari, Paolo Veronese, p. 9.

anni 60 da punta e febre giorni 8 a S. Samuele. Also
wieder ein Argument für 1528.

Was nun die Angaben der Anagrafe anbelangt, so
wird jeder zunächst der von 152g, die Paolo einjährig
nennt, den späteren Angaben gegenüber den Vorzug geben.
Denn es ist immerhin denkbar, daß sich 1541, 1545, 1553
und 1557 die Eltern Paolos über das Alter ihres Kindes
im Unklaren waren, nicht recht denkbar aber, daß sie sich
1529 einredeten, sie hätten bereits einen Sohn Paolo, der
talsächlich erst 1—3 Jahre später geboren wurde. Das
sieht auch Biadego ein und um die unbequeme Angabe
der Anagrafe von 1529 loszuwerden, — die aber von denen
von 1555 bestätigt wird —, stellt er die Hypothese oder
vielmehr die drei Hypothesen auf: Erstens, der 1529 ein-
jährige Paolo ist 1529 oder bald darauf gestorben; zweitens
dem Steinmetz Gabriele schenkte seine Frau Caterina
bald nach dem Tode jenes Kindes ein anderes Kind männ-
lichen Geschlechtes; drittens dieser erhielt den Namen des
verstorbenen Bruders Paolo und wurde der berühmte
Künstler.

Diese Vermutungen gehören gewiß nicht in das Reich
des absolut Unwahrscheinlichen; aber sie sind und bleiben
pure Hypothesen und Hypothesen haben keine Beweiskraft.

Daß aber nun die Angaben der späteren Anagrafe
nicht mit denen von 1529 harmonieren, ist keineswegs
etwas Außergewöhnliches, was Biadego sicherlich weiß,
aber im Eifer übersehen zu haben scheint. Man kann
sogar ohne zu übertreiben behaupten, daß Widersprüche
in den Anagrafe geradezu die Regel sind. So wäre Paolos
Vater Gabriele nach den Anagrafe von 1502 und 1514 im
Jahre 1497 geboren, nach denen von 1517 im Jahre 1488,
nach denen von 1529 im Jahre 1504, nach denen von 1541
im Jahre 1496. Bei Paolos Mutter Caterina ergeben sich
aus den Anagrafe 1500, 1499, 1497. i5'0 als Jahre der Ge-
burt. Und ebenso stimmen die Altersangaben bei den
Geschwistern des Künstlers nicht.

Die späteren Anagrafe sind also nicht imstande, die
Angabe von 1529, die ihrer Natur nach, wie oben ausge-
führt, die glaubwürdigste ist, nichtig zu machen; was Bia-
dego für die späteren Anagrafe und gegen die von 1529
sonst noch anführte, war rein hypothetischen Charakters.
Die Angabe der Anagrafe von 1529 bleibt also als gewich-
tiges Argument für 1528 als Geburtsjahr bestehen.

Als Gegenargument von scheinbar großer Stärke bleibt
nun die genannte Inschrift an der Büste in S. Sebastiano,
der aber wiederum der Eintrag im Necrologio entgegen-
steht, laut dem Paolo am 19. April 1588 im Alter von 60
Jahren starb. Biadego hält die Inschrift der Büste für die
bessere Quelle, da sie ja von den Hinterbliebenen gestiftet
wurde, die doch gewiß das Alter des Vaters und Bruders
kannten, während dem »Umile compilatore del necrolo-
gio« wohl leicht ein Irrtum hätte passieren können.
 
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