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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Cohen, Walter: Das Bismarck-Nationaldenkmal: (zur Wettbewerb-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0149

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4-MRJ16 1

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

MM*«

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 18. 3. März 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

DAS BISMARCK-NATIONALDENKMAL
(Zur Wettbewerb-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast)

Endlich ist das lange verzögerte Protokoll der
Sitzungen des Preisgerichtes erschienen. Das Wort
»einstimmig«, das darin häufig vorkommt, wollen
wir recht behutsam auf die Wagschale legen. Wer
jemals einer Jury-Sitzung beigewohnt hat, weiß, aus
wieviel Kompromissen, Konzessionen, widerwilligem
Sich-Fügen und bedauerndem Kopfschütteln solch ein
»Einstimmig« sich zusammensetzt. Wer A sagt,
muß B sagen, aber sagt es oft genug mit Ingrimm.
Hatten schon die sechzehn Preisrichter angesichts der
erdrückenden Fülle von Gipsmodellen und zeichne-
rischen Entwürfen, die den Kunstpalast buchstäblich
bis zum Dach füllen, ein nicht zu verachtendes Stück
Arbeit zu leisten: dem Verfasser des Protokolls war
sicherlich die mühsamste Aufgabe zugefallen.

Ist es nun in der Tat notwendig, jeden einzelnen
der preisgekrönten, angekauften oder durch eine Ent-
schädigung an den Künstler ausgezeichneten Entwürfe
mit solcher Ausführlichkeit zu besprechen, wie es
jetzt in der Presse geschieht? Liebe Kunstchronik,
habe Erbarmen! Wenn ich mich gegen den von der
Jury bevorzugten Entwurf des Herrn X und mit
Pathos für den verkannten des Bildhauers Y einsetze,
wer hat dadurch etwas gewonnen? Dagegen möchte
ich meinen kräftigen Widerwillen gegen den Oedanken
Ausdruck geben, die angekauften Entwürfe in einem
Museum beizusetzen. Solche Leichenhallen, in denen
als Resultat enttäuschter Hoffnungen die gipsgebliebene
Traumwelt hervorragender Künstler eingesargt er-
scheint, haben wir schon mehrere in deutschen Lan-
den. Das bißchen Belehrung, das man ihnen ver-
danken könnte, wird von der massiven Langweile,
die solche Gipsakademien um sich verbreiten, förm-
lich totgeschlagen.

Der erste Preis, in den sich Hahn, der Bildhauer,
und Bestelmeyer, der Architekt, teilen, ist inzwischen
durch Abbildungen allenthalben bekannt geworden.
Hermann Hahns schwertschärfender Jungsiegfried ist
gewiß eine reife, geschlossene Leistung aus der leicht-
akademisch gefärbten Münchner Umwelt Adolf Hilde-
brandts. Was mag die Preisrichter bewogen haben,
gerade diesem Entwurf, dessen Ausführung übrigens
noch gar nicht gesichert ist, den Preis zuzuerkennen?

Vielleicht gibt eine Stelle des Protokolls die Ant-
wort darauf. Es heißt dort: »Von dem Preisgericht

ist besonderer Wert darauf gelegt worden, daß das
Denkmal sich der Landschaft einfüge. Damit ist
außerdem ausgesprochen, daß jeder Versuch, durch
übermäßige Ausdehnung eine Wirkung zu erzielen,
nicht den Beifall des Preisgerichtes finden konnte.«

Das wird nicht nur in bezug auf die landschaft-
liche Form der Elisenhöhe bei Bingen gesagt sein.
Sie steigt nicht steil auf, um gewissermaßen als Schluß-
stein eine weithin ragende Statue oder einen wehr-
haften Turm zu tragen, sondern stellt vielmehr ein
anmutig gelagertes Plateau dar, das nur den Sockel-
bau gibt, mehr geeignet, zu tragen als beim erstrebten
Gesamteffekt mitzutun. Viele Mitbewerber haben
diese räumlichen Gegebenheiten verkannt. Die Jury
also wendet sich gegen »übermäßige Ausdehnung«
und meint damit wohl nicht nur die räumliche Aus-
dehnung. Man geht kaum fehl, wenn man diesen
Entscheid als einen Protest gegen das Gewollt-Kolos-
salische, das Gespreizte und Aufgeplusterte auffaßt,
das einen sehr erheblichen Teil der eingesandten Ent-
würfe charakterisiert. Und damit komme ich zum
Symptomatischen des Falles.

Ein Bildhauer hat den ersten Preis erhalten, kein
Architekt. Denn Bestelmeyers Steinrund in Art der
altgermanischen Dolmen ist mehr die Umrahmung,
die Einfassung des Siegfried-Gedankens, als ein archi-
tektonisches Denkmal für sich. Einer der wenigen
rein-plastischen Lösungen des Denkmalproblems ist
also der Preis zuerkannt worden, jedenfalls dem besten
unter den rein-bildhauerischen Versuchen.

Ob hier eine bestimmte Tendenz vorliegt oder
nicht, der vielbesprochene und vielangegriffene Schieds-
spruch eines Preisgerichtes, bei dem trotz allen Ver-
schiedenheiten der Einzelnen stets die Geschmacks-
dominante der Mehrheit entscheiden wird, fordert
zum Nachdenken auf. Für die deutsche Bildhauer-
kunst könnte dieses »Zurück zur Plastik« vielleicht
fruchtbar werden.

Ich will hier keine verstaubte Buchästhetik auf-
tischen. In aller Bescheidenheit nur sagen, was heute
viele unserer besten Bildhauer empfinden: wir leiden
an einer argen Vermengung der Künste. Wir ver-
lernen es, Denkmäler plastisch zu empfinden. Wir
verwechseln architektonische und plastische Wirkungen,
wir verwechseln schon die Bedingungen beider Künste.
Das Streben nach Monumentalität, an und für sich
so berechtigt nach all den Ausschreitungen des Neu-
 
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