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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Ausstellungen — Sammlungen

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war die Ausgrabung im Osten noch nicht so weit gediehen.
Die Fundamente sind aus glattgeschnittenen porösen
Blöcken gebildet; die Anten insbesondere zeichnen sich
durch sorgfältige und solide Bauart aus. Das Gebäude
ist in spätere griechische oder frühe römische Zeit zu
setzen. Ein späterer Umbau hatte die Erniedrigung der
Mauern zur Folge. Da wo der Bodenbelag zerbrochen
war, fanden sich darunter Überreste aus der hellenistischen
Epoche. — Die amerikanische archäologische Mission nach
Cyrene ist leider vor kurzem von einem schweren Miß-
geschick betroffen worden. Ein ihr beigeordneter junger
sympathischer Archäologe Herbert F. De Cou ist von einem
Arbeiter, der von ihm wegen irgend einer Nachlässigkeit
getadelt worden war, erschossen worden. Das Bulletin
berichtet darüber noch nichts, auch hat man noch nicht
erfahren, inwieweit die amerikanische Mission durch die
infolge dieses Verbrechens hervorgerufene Aufregung in
ihrer Tätigkeit gehemmt worden ist. — Einer italienischen
archäologischen Mission, die ebenfalls in Cyrene Ausgra-
bungen macht, sind einstweilen von der türkischen Re-
gierung die so nötigen Bedeckungsmannschaften versagt
worden. M.

AUSSTELLUNGEN

Ausstellung in Wiesbaden: Leibi und sein Freun-
deskreis. Zum zehnjährigen Jubiläum der Wiesbadener
Oesellschaft für bildende Kunst ist die höchst beachtens-
werte Ausstellung von deren Vorsitzenden Dr. v. Orolman
zusammengebracht worden. Sie ist nicht bloß genußreich,
sondern für die Erkenntnis des Leibikreises vor allem lehr-
reich. Durch die vielen selten gezeigten Frühwerke, die sie
sehen läßt, gibt sie die Möglichkeit, die Persönlichkeiten
dieser Maler genauer gegeneinander abzugrenzen. Ver-
treten sind Leibi, Thoma, Trübner, Sperl, Theodor Alt,
Hirth du Frenes und Scholderer. Leibi natürlich minder
stark. Dagegen sind von Thoma und Trübner viele sehr
schöne, wenig bekannte Bilder vorhanden, von Thoma u. a.
Landschaften, von Trübner in Ergänzung zur Karlsruher
Ausstellung z. B. der einsame Trinker von 1872, das Bild-
nis Eisenmanns von 1876, ein Wildstilleben von 1873. Das
größte Verdienst der Ausstellung machen die 20 Bilder
Schuchs aus. War dieser Meister vorher nur aus seinen
Stilleben als ein ungewöhnlicher Farbenkünstler bekannt,
so lernen wir ihn jetzt auch als hervorragenden Landschafter
und selbst als Figurenmaler kennen. Wenn er alle seine
Weggenossen (und nicht bloß die) durch die berauschende
Wirkung und die sinnliche Schönheit der Farbe übertrifft,
so kommt er freilich an Klarheit und Kraft des künstle-
rischen Willens Trübner nicht gleich. Aber nach diesem
ist er gewiß die bedeutendste Persönlichkeit unter Leibis
engeren Freunden (Thoma hier nicht mitgerechnet).

F. R.

Nachdem sie in Leipzig mehrere Wochen lang mit
großem Erfolge gezeigt war, wurde jetzt im Berliner
Kunstgewerbemuseum die erste Ausstellung des Ver-
eins Deutscher Buchgewerbekünstler eröffnet, zu dem
sich kürzlich die Führer unserer Buchkunst aus allen deut-
schen Kunstzentren zusammengeschlossen haben. Behrens,
Orlik, Weiß, Steiner-Prag, Tiemann und viele andere haben
den Lichthof mit Büchern und Einzelblättern gefüllt, die
den geschmacklichen Fortschritt des deutschen Buchgewerbes
anschaulich darstellen. Die »Kunstchronik« hat in Nr. 22
ausführlich über diese Veranstaltung berichtet.

Die Ausstellungskommission für die nächstjährige
Große Berliner Kunstausstellung hat sich konstituiert,
und zum Vorsitzenden den Maler Max Schlichtung gewählt.
Zu seinem Stellvertreter wurde Prof. Otto H. Engel auser-

sehen. Das Amt des Schriftführers wird Maler Leonhard
Sandrock übernehmen und sein Stellvertreter der Bildhauer
Prof. Walter Schott sein. Die Ämter des Säckelmeisters
soll der Graphiker Paul Herrmann verwalten, der dies
Amt bereits in diesem Jahre innehatte, und sein Stell-
vertreter wird Geh. Baurat Prof. Dr.-Ing. Otto March sein.

SAMMLUNGEN

Herakleion (Candia), Kreta. Das hiesige Archäo-
logische Museum, in dem die Funde der Ausgrabungen an
den verschiedenen Kulturstätten Kretas (in Knosos, Phaes-
tos, Haghia Triada, Gortyn, Mochlos, Palaiokastra u. a.)
untergebracht sind, erhält einen Anbau, da es sich für den
Reichtum an Funden bereits als zu klein erwiesen hat.
Dieser Anbau soll in einem Vierteljahr etwa eröffnet wer-
den. Tatsächlich ist im jetzigen Museum der Raum ziem-
lich knapp, die Schauschränke und Schautische stehen
recht eng; eine Anzahl von Funden, besonders helle-
nistischer Zeit, werden im Magazin und im Hof aufbewahrt,
und vor allen Dingen die Skupturen aus Priniah, wo die
Italiener gegraben haben, bedürfen einer entsprechenden
Aufstellung. Außer dem Fries des Tempels mit seinen
kleinen lanzenschwingenden Reitern auf riesigen Pferden
(7. Jahrhundert) handelt es sich um einige höchst wichtige
Fragmente von Reliefs und Freiskulpturen, an denen augen-
blicklich noch Ergänzungsarbeiten vorgenommen werden.
Über diese sehr merkwürdigen Zeugen altkretischer Plastik
sprach in einer öffentlichen Sitzung des italienischen archäo-
logischen Instituts zu Athen im April Herr Prof. Pernier.
Er wies vor allen Dingen die einstige Verwendung dieser
Skulpturen nach. Man hat einen ca. 1 m hohen, 1ji m dicken
vierkantigen Pfeiler aus Kalkstein, der auf drei Langseiten
mit Reliefs geschmückt ist, sowie Fragmente von zwei ein-
ander entsprechenden weiblichen Sitzstatuen von ca. 1 m
Höhe, bekleideten Frauenfiguren mit Polos, im Typus der
Figur von Eleutherna. Die Reliefs an dem Pfeiler sind
nun so orientiert, daß die eine Seite, die eine stehende
Frauenfigur zeigt, für andere Direktion gearbeitet ist, als
die beiden anderen mit Tierfriesen (Panthern und Hirschen)
geschmückte. Man bekommt eine richtige Ansicht nur,
wenn man den Stein als Türsturz annimmt. Dann war
die stehende Frauenfigur für die Ansicht von unten be-
rechnet, die beiden Langseiten mit den Friesen für Seiten-
ansicht, die eine von innen und die andere von außen.
Pernier setzt nun diesen Stein über die Tür des Pronaos
des Tempels. Beim Durchschreiten sah man oben die
Frauenfigur. Von außen her den Pantherfries, vom Innern
des Raumes den Hirschenfries. In dem Steine läuft eine
nach oben offene tiefe Längsrinne; in dieser lag der vier-
kantige hölzerne Querbalken, quer durch den ganzen Tem-
pelraum. Auf den Enden dieses Balkens postiert die Per-
niersche Rekonstruktion nun die beiden für Seitenansicht
berechneten Sitzstatuen. Sie waren mit dem Rücken gegen
die Cellawand gelehnt und trugen auf ihrem Polos, der
dafür eine Einarbeitung zeigt, den Deckenbalken. Mit
ihrem Gewicht, das von oben den Türbalken an seinen
Enden belastete, hoben sie also den großen Druck des Tür-
steines auf. Man hat also eine Pronaoswand mit skul-
piertem Türsturz und zwei sitzenden, im Profil gesehenen
Karyatiden — eine bisher vollkommen vereinzelte Verwen-
dung von Skulpturen.

Die Erhaltung des Steines mit den Reliefs und der
Sitzstatuen ist nicht besonders gut, doch ist alles da, um
die Rekonstruktion im Einzelnen zu sichern. Die Arbeit an
den erhaltenen Teilen ist sehr gut und sorgfältig, besonders
an den Tieren. Aber auch die Sitzstatuen sind in Gesicht,
Händen und Gewand von großer Feinheit, sie geben in-
folge ihrer guten Erhaltung eine viel bessere Vorstellung
 
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