543
Anzeigen
544
treibt man das Versteckspiel nun weiter und veranstaltet
mit derselben Heimlichkeit ein zweites, engeres Preisaus-
schreiben, zu dem, wie man hört, die Architekten Ihne,
Seeling und Littmann aufgefordert wurden. Was das
Ministerium sich bei dem >AusschIuß der Öffentlichkeit«
denkt, den es in dieser ganzen Frage vornimmt, ist völlig
unerfindlich. Glaubt man wirklich, daß sich ein solches
Projekt, das für das künftige Stadtbild von Berlin von so
ungeheurer Wichtigkeit ist, einfach durch eine behördliche
Regelung erledigen läßt? Mit tiefer Verstimmung nimmt
die deutsche Künstlerschaft davon Kenntnis, daß es bei dieser
großen und bedeutungsvollen Aufgabe den aufsteigenden
Kräften unter unsern Architekten unmöglich gemacht wird,
ihre Vorschläge der Allgemeinheit zu unterbreiten. — Dies
eigentümliche Vorgehen der Staatsbauverwaltung, in dem
sich eine bewußte kühle Ablehnung aller frischen, jüngeren
Talente ausspricht, scheint in engem Zusammenhang zu
stehen mit der Äußerung über die moderne Baukunst,
die sich in dem kürzlich veröffentlichten Bericht des Mi-
nisteriums für öffentliche Arbeiten über seine Tätig-
keit während des letzten Jahrzehnts fand, und die viel Staub
aufgewirbelt hat. Die Bauverwaltung betonte darin, daß sie
»gegenüber der in neuerer Zeit aufgetretenen Bewegung,
in der kirchlichen wie in der bürgerlichen Baukunst unter
Abwendung von allem Herkömmlichen neue Ausdrucks-
mittel für die Baugedanken der Gegenwart zu_suchen, Zu-
rückhaltung üben zu müssen* glaubte, »in der Überzeugung,
daß es als ein baukünstlerischer Verlust anzusehen ist,
wenn der Boden der geschichtlichen Überlieferung ver-
lassen und damit auf die Verwertung des Reichtums der
Gestaltungskraft verzichtet wird, den die Kultur früherer
Jahrhunderte hinterlassen hat.« Diese Bemerkungen haben
in der Öffentlichkeit einmütige Zurückweisung erfahren.
Auch der »Bund Deutscher Architekten« hat in einer aus-
führlichen Erklärung ihre Unhaltbarkeit nachgewiesen, in-
dem er mit Recht betonte, daß gerade die moderne Bau-
kunst stärker, als es je zuvor geschehen, Anschluß an die
bodenständige Überlieferung suche, freilich nicht durch
Kopien der Ornamentik früherer Jahrhunderte, sondern
durch ein tieferes Erfassen des Geistes der älteren Archi-
tektur, daß sie aber daneben auf das Streben zu »neuen
Ausdrucksmitteln für die Baugedanken der Gegenwart« so
wenig verzichten könne, wie es die Baukunst irgend einer
Epoche der Vergangenheit getan hat.
DAS
ALLGEMEINE LEXIKON
DER BILDENDEN KÜNSTLER
VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART
BEGRÜNDET VON ULRICH THIEME UND FELIX BECKER
HERAUSGEGEBEN VON
ULRICH THIEME
Soeben erschien Band V
Brewer bis Carlingen
== Probeheft sendet unberedinet und portofrei -
E* A* Seemann, Verlagsbuchhandlung in Leipzig
Inhalt: Neues aus der alten Pinakothek in München. — Personalien. — Ausgrabungen des deutschen Archäolog. Instituts inTiryns; Die Malereien
in der Mainzer Karmelitenkirche. — Studniczka über das Bostoner Gegenstück der Ludovisischen Thronlehne; Ein Kopf aus den Parthenon-
giebel-Skulpturen in Stockholm. — Ausstellungen in Darmstadt, Dresden, Chemnitz. — Kaiser-Friedrich-Museum in Magdeburg; Berliner
Kunstgewerbemuseum; Kunsthalle in Düsseldorf; Oalerie des Kunstvereins in Barmen; Museum für ostasiat. Kunst in Köln; Österreichisches
Museum für Kunst und Industrie in Wien; Neuerwerbungen des Louvre. — 9. internationaler Architektenkongreß in Rom. — Riehl-Gedenkfeier
des Kunstwissenschaftlichen Verbandes in München; Verein für Originalradierungen in München. — Vom neuen Berliner Opernhaus.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
Anzeigen
544
treibt man das Versteckspiel nun weiter und veranstaltet
mit derselben Heimlichkeit ein zweites, engeres Preisaus-
schreiben, zu dem, wie man hört, die Architekten Ihne,
Seeling und Littmann aufgefordert wurden. Was das
Ministerium sich bei dem >AusschIuß der Öffentlichkeit«
denkt, den es in dieser ganzen Frage vornimmt, ist völlig
unerfindlich. Glaubt man wirklich, daß sich ein solches
Projekt, das für das künftige Stadtbild von Berlin von so
ungeheurer Wichtigkeit ist, einfach durch eine behördliche
Regelung erledigen läßt? Mit tiefer Verstimmung nimmt
die deutsche Künstlerschaft davon Kenntnis, daß es bei dieser
großen und bedeutungsvollen Aufgabe den aufsteigenden
Kräften unter unsern Architekten unmöglich gemacht wird,
ihre Vorschläge der Allgemeinheit zu unterbreiten. — Dies
eigentümliche Vorgehen der Staatsbauverwaltung, in dem
sich eine bewußte kühle Ablehnung aller frischen, jüngeren
Talente ausspricht, scheint in engem Zusammenhang zu
stehen mit der Äußerung über die moderne Baukunst,
die sich in dem kürzlich veröffentlichten Bericht des Mi-
nisteriums für öffentliche Arbeiten über seine Tätig-
keit während des letzten Jahrzehnts fand, und die viel Staub
aufgewirbelt hat. Die Bauverwaltung betonte darin, daß sie
»gegenüber der in neuerer Zeit aufgetretenen Bewegung,
in der kirchlichen wie in der bürgerlichen Baukunst unter
Abwendung von allem Herkömmlichen neue Ausdrucks-
mittel für die Baugedanken der Gegenwart zu_suchen, Zu-
rückhaltung üben zu müssen* glaubte, »in der Überzeugung,
daß es als ein baukünstlerischer Verlust anzusehen ist,
wenn der Boden der geschichtlichen Überlieferung ver-
lassen und damit auf die Verwertung des Reichtums der
Gestaltungskraft verzichtet wird, den die Kultur früherer
Jahrhunderte hinterlassen hat.« Diese Bemerkungen haben
in der Öffentlichkeit einmütige Zurückweisung erfahren.
Auch der »Bund Deutscher Architekten« hat in einer aus-
führlichen Erklärung ihre Unhaltbarkeit nachgewiesen, in-
dem er mit Recht betonte, daß gerade die moderne Bau-
kunst stärker, als es je zuvor geschehen, Anschluß an die
bodenständige Überlieferung suche, freilich nicht durch
Kopien der Ornamentik früherer Jahrhunderte, sondern
durch ein tieferes Erfassen des Geistes der älteren Archi-
tektur, daß sie aber daneben auf das Streben zu »neuen
Ausdrucksmitteln für die Baugedanken der Gegenwart« so
wenig verzichten könne, wie es die Baukunst irgend einer
Epoche der Vergangenheit getan hat.
DAS
ALLGEMEINE LEXIKON
DER BILDENDEN KÜNSTLER
VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART
BEGRÜNDET VON ULRICH THIEME UND FELIX BECKER
HERAUSGEGEBEN VON
ULRICH THIEME
Soeben erschien Band V
Brewer bis Carlingen
== Probeheft sendet unberedinet und portofrei -
E* A* Seemann, Verlagsbuchhandlung in Leipzig
Inhalt: Neues aus der alten Pinakothek in München. — Personalien. — Ausgrabungen des deutschen Archäolog. Instituts inTiryns; Die Malereien
in der Mainzer Karmelitenkirche. — Studniczka über das Bostoner Gegenstück der Ludovisischen Thronlehne; Ein Kopf aus den Parthenon-
giebel-Skulpturen in Stockholm. — Ausstellungen in Darmstadt, Dresden, Chemnitz. — Kaiser-Friedrich-Museum in Magdeburg; Berliner
Kunstgewerbemuseum; Kunsthalle in Düsseldorf; Oalerie des Kunstvereins in Barmen; Museum für ostasiat. Kunst in Köln; Österreichisches
Museum für Kunst und Industrie in Wien; Neuerwerbungen des Louvre. — 9. internationaler Architektenkongreß in Rom. — Riehl-Gedenkfeier
des Kunstwissenschaftlichen Verbandes in München; Verein für Originalradierungen in München. — Vom neuen Berliner Opernhaus.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig