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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Kronig, J. O.: Kritische Bemerkungen zu der Ausstellung holländischer Gemälde des 17. Jahrhunderts in der "Salle du Jeu de Paume" in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0288

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Kritische Bemerkungen zu der Ausstellung holländischer Gemälde in Paris

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maier und Radierer. Wie ich höre, hat er mit
Symon Root zusammen gemalt, der die Figuren machte.
Wer weiß, ob diese guten Knabenfiguren nicht auch
von einem andern Meister hineingemalt sind.

Nr. 32. Apparition de l'Ange ä Jacob (Coli. Jules
Porges) scheint mir ein frühes Werk von Oovert
Flinck zu sein und nicht, wie der Katalog sagt, von
Gerbrand, van den Eeckhout. Man sehe nur den
starken braunen Gesamtton und die von Rembrandt
entlehnten großen Blattpflanzen.

Nr. 44. Halte devant l'Auberge (Coli. Victor De-
cock) ist kein Jan van Goyen, sondern bestimmt von
seinem Haarlemer Nachfolger Willem Kpolen, dessen
schwereres Kolorit und dick bewölkten Himmel man
hier zurückfindet.

Nr. 47. Portrait d'homme (Coli. Jules Porges),
angebliches Selbstbildnis von Frans Hals, dürfte nur
eine alte Kopie nach einem besseren Original sein.
Es verrät große Schwächen: die schwache Zeichnung
des Mundes und der Augen, der unsicher gemalte
Kragen, die wie Bindfaden erscheinenden Haare,
lassen auf eine Kopistenhand schließen.

Nr. 48. Portrait d'homme (Coli. Jules Porges),
sicher nicht Frans Hals. Meines Erachtens ist dieses
feine Bildchen ein frühes Porträt, kurz nach 1640 ent-
standen, von Gerard ter Borch. Wir finden hier den
diesem großen Künstler eigenen, feinen, silbergrauen
Ton, die sorgfältige, aber nie ins Kleinliche ausartende
Malerei, die treffliche Charakterausbildung verbunden
mit großer Vornehmheit.

Nr. 50. Le Peintre ambulant (portrait presume
de Frans Hals) (Coli. Baron Schlichting). Mit dem
besten Willen vermag ich in diesem Bild Frans Hals'
Hand nicht zu erkennen. Die glatte Malerei des Ge-
sichtes, die schlappe Zeichnung der Augen, die ganze,
so wenig energische Art der Behandlung dieses Por-
träts lassen mich eher an einen der Söhne, Jan oder
Frans den Jüngeren, denken.

Nr. 53. Jeune homme riant (Coli. Mad. Ed. Andre)
ist nicht von Hals, aber von einem seiner tüchtigsten
Schüler und Nachfolger, Judith Leyster. Hier, wie
in dem 1629 datierten Gitarrenspieler, früher in der
Sammlung Six, jetzt Rijks-Museum, nähert diese be-
deutende Malerin sich dermaßen ihrem Lehrer, daß
diese Bilder leicht für etwas weichere Arbeiten von
Frans Hals gehalten werden könnten. Ihr Pinsel-
strich ist aber weniger sicher, roher und ohne das
Brio, wodurch Hals seinen Köpfen ein solches fabel-
haftes Leben zu verleihen wußte.

Nr. 54. Tete d'enfant riant (Coli. Lehmann). Schwache
Kopie nach dem Original des Hals im Museum zu Dijon.

Nr. 55. Le Joyeux Buveur (Coli. Edmond Vieil-
Picard). Das wenig spontane Lächeln des Trinkers,
die unsichere Pinselführung, besonders in der Man-
doline und dem Ärmel des aufgehobenen Armes, be-
sonders der Gesamteindruck, der etwas Gesuchtes hat,
lassen mich vermuten, daß wir hier eine alte Kopie
vor uns haben.

Nr. 66bis. Portrait d'un notable et de sa femme,
dem van der Heist zugeschrieben (Coli. Jules Porges),
ist eine gute Arbeit (nach seinem Aufenthalt in Ant-

werpen) des älteren Jan Lievens. Die elegante Zeich-
nung, die dunklen schwärzlichen Schatten, der vlä-
mische Charakter der Landschaft bestätigen diese Attri-
bution. Ein schönes ähnliches Porträt eines jungen
Mannes in rotem Kostüm kam kürzlich in die Samm-
lung des Grafen Mycielski in Krakau.

Nr. 67. Vue d'une ville hollandaise (Coli. Jules
Porges) ist eine gute alte Kopie nach der Jesuiten-
kirche von Düsseldorf des Jan van der Heyden im
Mauritshuis.

Nr. 72. Paysage au bord d'un lac (Coli. Baron
Edm. de Rothschild), dem Hobbema zugeschrieben,
hing zu hoch, um es zu beurteilen, machte aber einen
sonderbaren Eindruck.

Nr. 73. Le moulin-ä-eau (Coli. Jules Porges),
gleichfalls dem Hobbema zugeschrieben, ohne Frage-
zeichen im Katalog!, ist eine zweifellose Kopie. Ich
meine, das Original hängt im Brüsseler Museum.

Nr. 75. La Basse-Cour (Coli. Roger-Donine) ist
wohl kein Original des Melchior d'Hondecoeter, son-
dern eine lieblos behandelte Kopie nach einem schönen
Original dieses soviel kopierten Künstlers.

Nr. 76. Femme et enfant (Coli. Jules Porges), dem
Thomas de Keyser zugeschrieben, ist nichts anderes
als eine unverschämte Fälschung. Das Kind ist kopiert
nach dem lebensgroßen Kinderporträt des Govert
Flinck im Mauritshuis (1640 datiert), die Frau muß
einem de Keyser entlehnt sein.

Nr. 79bis und 79ter. Portrait d'homme et portrait
de femme (Coli. Eugene Max), gleichfalls dem de Keyser
zugeschrieben, sind zwei charakteristische Bildnisse des
Hendrlck Pot. Man vergleiche nur (um in Paris zu
bleiben) die ähnlichen Porträts im Louvre und in der
Sammlung Dutuit im Petit Palais. Auch hier seine
geliebte violette Tischdecke, seinen egal grauen Hinter-
grund und die an Hals erinnernde Technik.

Nr. 82. La baignade (Coli. Baron de Schlichting)
ist dem Maes zugeschrieben. Ich kann mich noch
nicht vollständig damit einverstanden erklären, ob-
wohl ich noch nicht ganz sicher den Meister zu be-
stimmen wage.

Nr. 84. La petite dentelliere (Coli. Marquise
d'Aoust), auch dem Maes zugeschrieben, ließ mich
eher an die Bilder des Isaak Koedyck denken. Hier
dieselbe strenge Zeichnung, die etwas trockne Malerei
des bezeichneten Koedyck der Sammlung Delaroff, zur-
zeit im Mauritshuis.

Nr. 87. Portrait d'homme (Coli. Em. Wauters)
ist ganz sicher kein Miereveit, sondern stimmt sehr
überein mit den etwas monotonen schwärzlichen Bild-
nissen des Dirck Santvoort.

Nr. 56. Le Trio (Coli. Comte Potocki) ist nicht,
wie der Katalog angibt, von Jan Miense Molenaer,
sondern von dessen Gattin Judith Leyster. Die Mache
der Köpfe und der Hände ist genau dieselbe des
Gitarrenspielers im Rijks-Museum von 1629. Auch
das Kolorit ist dasselbe. Diese Arbeit gehört ihrer
früheren Zeit an (aus den zwanziger Jahren), wo sie
kräftiger in Farbe und Pinselführung ist, wie in ihren
späteren Arbeiten (vgl. Nr. 80, La Joyeuse Compagnie
von 1636).
 
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