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Die Neuerwerbungen der Berliner Nationalgalerie
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möchte mir gestatten, darauf zurückzukommen. Von
Sieffeck ein »Fuchs am Bau« von schöner toniger
Weichheit. Einiges kommt aus den Altberliner Sälen
der diesjährigen Moabiter Ausstellung: Gustav Richters
ausgezeichnetes Porträt seiner schönen Schwester
Frau Prof. Kraus, die vorm Jahre erst hochbetagt
starb und der Galerie dies Bild hinterließ — das
Werk war Richters entscheidender erster Erfolg;
Hoguets famoses Melonen-Stilleben; ein zierliches
Frauenporträt von dem Wach-Schüler Adolf Henning
(1809—1900); das amüsante Aquarellbildchen der
Huldigung vor Friedrich Wilhelm IV. 1840 von
Theodor Schlüpke (1812—1878), das durch den Ver-
gleich mit Franz Krügers großem Gemälde interessiert;
zwei Entwürfe Stüters zum Berliner Dom — ach
wäre doch der eine mit dem schönen, ruhigen Auf-
bau der Hofkirche und den verbindenden Kolonnaden
zwischen Schloß und Museum Wahrheit geworden!
Dann kommen einige Menzels. Vor allem die geniale
Feuer- und Nachtimpression von 1858 »Nach dem
Fackelzug« mit dem Volksgedränge in der Dunkel-
heit, dem lodernden Lichtscheine und den dagegen
gestellten Silhouetten der reitenden Schutzleute. Dazu
ein Bleistiftblick in die Münchner Neuhäuserstraße,
ganz von oben genommen (1882), und eins seiner
letzten Blätter: das Original zur Döberitzer Tischkarte
von 1903. Aus Knaus' Nachlaß stammt das köst-
liche Bild des einstigen Museumsdirektors Waagen
(1855), eine Malerei von höchster Noblesse.
Daneben steht allerlei Älteres aus andern deutschen
Kunststädten. Am weitesten zurück führt ein präch-
tiger Kopf (der »Orgelbauer Frosch«) von dem
Münchner Joh. Georg Edlinger (1741 —1819). Mün-
chen vertritt auch eine Landschaft von Ferdinand
Kpbell. Jünger sind zwei Werke des Dresdeners
Rayski: ein delikat gemaltes Porträt seiner alten
Mutter in violettem Seidenkleid und die stürmisch
braun in braun hingehauene Skizze einer Reiterattacke
(manches nur mit dem Pinselstil als hastige Zeichnung
in die Farbe geritzt) — das nenn ich mir ein
Schlachtenbild, das etwas von der Wildheit und Wut
des Krieges festhält! Von Kaspar David Friedrich
kam eine kleine Gebirgslandschaft hinzu, Blick in ein
Hochtal, in dem weißliche Nebelmassen aufdampfen.
Zwei Landschaften von Heinrich Reinhold (1790 bis
1825) gehören zu der Sammlung Grönvold, die, wie
man weiß, der Nationalgalerie ganz zufallen wird; es
sind Arbeiten von 1817 und 1819, auch die zweite
wohl noch vor Reinholds römischer Zeit gemalt, die
in eben diesem Jahre begann. Eine orientalische
Szene in rauschenden Farben von dem Hessen Karl
Hausmann und eine verblüffend frische Gebirgs-
impression von Joh. Wilhelm Schirmer, weitab von
seiner sonstigen Trockenheit, zeigen aufs Neue, was
aus der deutschen Malerei um 1850 hätte werden
können, wenn die Verhältnisse andere gewesen wären.
In dem Hauptsaal der Ausstellung, der alle diese
Gemälde beherbergt, hängen noch ein Blumenstilleben
von Waldmüller von entzückender Buntheit und Heiter-
keit, ein wahrhaft himmlisches Bild, Trübners glänzen-
des Porträt seines Paten, des Heidelberger Bürger-
meisters Hoffmeister, von 1872, Hans Thomas
»Laufenburg« aus seinem Zyklus oberdeutscher Städt-
chen (1870), sowie zwei ausländische Werke: eine
Abendlandschaft in warmen braunen Tönen von
Georges Michel (1763—1843), einem der Vorläufer
der Fontainebleauer — dankt es dieser Franzose
(sonst Kontrebande!) seinem deutschen Vatersnamen,
daß er mit durchgeschlüpft ist? — und ein saftig,
doch ganz hell gemaltes »Zigeunerlager« von Mun-
kacsy, der bisher in der Galerie fehlte, durch dies
Bild nun aber vorzüglich vertreten ist.
Das übrige wollen wir nach den Räumen, in denen
es sich verteilt, rascher überblicken. Da ist ein Saal
mit Zeichnungen aus dem Kreise der Nazarener und
Romantiker: Blätter von C. D. Friedrich (kostbare
Dinge!), von Schwind (darunter die lieblichen Aquarell-
entwürfe zu den Wartburg-Bildern), von Preller und
Wächter, Steinte und Overbeck (eine Wasserfarben-
szene der Erweckung von Jairi Töchterlein von mön-
chischer Innigkeit), von Ferdinand von Olivier, Genelli
und Schnorr und von dem wenig bekannten Düssel-
dorfer Cornelius-Schüler Adam Eberle (1805—1831).
Ein zweiter Saal ist mit Zeichnungen aus Kreise der
Klassizisten gefüllt, unter denen sich manches von ge-
ringerer Bedeutung findet; aber es sind auch feine
Stücke dabei, so vom alten Koch und namentlich von
Philipp Hackert: eine Ansicht vom Eingang der Kata-
komben mit einigen Figuren, in deren Blicken und
Gesten sich alle Romsehnsucht jener Jahre spiegelt,
und ein Blick auf Kolosseum und Konstantinsbogen
mit einer entzückenden, fast goyahaften Gruppe auf
dem noch nicht von Ausgrabungen zerklüfteten Forum.
Durch die Auktion Lanna ist viel gute Altwiener
Kunst hereingekommen. So ein wunderbarer Rudolf
von Alt: das ehemalige Rathaus in Budapest mit
wimmelnden, winzigen Figürchen auf dem Marktplatz.
So ein »Blick auf Wien« 1863 von Joh. Adam Klein
(1793—1875!). Ein Soldatenstück von Joh. Jos.
Schindler. Genrehaftes von Alois Greil (1841 —1903).
Ein Straßenbildchen von Jos. Frledr. Leybold (1755—
1838). Eine Wolkenstudie von Ignaz Raffalt (I800—
1857). Sie führt zu den kostbaren kleinen Wolken-
und Landschaftsstudien des nordischen Dresdeners
Dahl aus der Zeit von 1820 bis 1832, die un-
mittelbar an Constable denken lassen, auch an
Menzels ähnliche Übungen aus den fünfziger
Jahren. Ein Spitzweg hängt daneben. Wieder ein
anderer Saal vereinigt Zeichnungen des anglisierten
Schweizers Joh. Heinr. Füßli, phantastische Komposi-
tionen von unheimlicher Gewalt und fabelhafter
Pikanterie des sinnlichen Reizes, die an Goya und
Blake, an Guys und Rops denken lassen und den
Künstler von ganz neuen Seiten zeigen. Schließlich
sind einige Werke zusammengehängt, die schon für
die künftige Bildnisgalerie in der Bauakademie be-
stimmt sind. Darunter aus dem Nachlaß Friedrich
Haases sein eigenes Bild als Bolingbroke in Scribes
»Glas Wasser« von Camphausen und ein außer-
ordentlich schönes Porträt des großen Schauspielers
Carl Eckhoff von Graff. Dazu die Bildnisse Hebbels
und seiner Gattin von Rahl. Ein interessantes Porträt
Die Neuerwerbungen der Berliner Nationalgalerie
630
möchte mir gestatten, darauf zurückzukommen. Von
Sieffeck ein »Fuchs am Bau« von schöner toniger
Weichheit. Einiges kommt aus den Altberliner Sälen
der diesjährigen Moabiter Ausstellung: Gustav Richters
ausgezeichnetes Porträt seiner schönen Schwester
Frau Prof. Kraus, die vorm Jahre erst hochbetagt
starb und der Galerie dies Bild hinterließ — das
Werk war Richters entscheidender erster Erfolg;
Hoguets famoses Melonen-Stilleben; ein zierliches
Frauenporträt von dem Wach-Schüler Adolf Henning
(1809—1900); das amüsante Aquarellbildchen der
Huldigung vor Friedrich Wilhelm IV. 1840 von
Theodor Schlüpke (1812—1878), das durch den Ver-
gleich mit Franz Krügers großem Gemälde interessiert;
zwei Entwürfe Stüters zum Berliner Dom — ach
wäre doch der eine mit dem schönen, ruhigen Auf-
bau der Hofkirche und den verbindenden Kolonnaden
zwischen Schloß und Museum Wahrheit geworden!
Dann kommen einige Menzels. Vor allem die geniale
Feuer- und Nachtimpression von 1858 »Nach dem
Fackelzug« mit dem Volksgedränge in der Dunkel-
heit, dem lodernden Lichtscheine und den dagegen
gestellten Silhouetten der reitenden Schutzleute. Dazu
ein Bleistiftblick in die Münchner Neuhäuserstraße,
ganz von oben genommen (1882), und eins seiner
letzten Blätter: das Original zur Döberitzer Tischkarte
von 1903. Aus Knaus' Nachlaß stammt das köst-
liche Bild des einstigen Museumsdirektors Waagen
(1855), eine Malerei von höchster Noblesse.
Daneben steht allerlei Älteres aus andern deutschen
Kunststädten. Am weitesten zurück führt ein präch-
tiger Kopf (der »Orgelbauer Frosch«) von dem
Münchner Joh. Georg Edlinger (1741 —1819). Mün-
chen vertritt auch eine Landschaft von Ferdinand
Kpbell. Jünger sind zwei Werke des Dresdeners
Rayski: ein delikat gemaltes Porträt seiner alten
Mutter in violettem Seidenkleid und die stürmisch
braun in braun hingehauene Skizze einer Reiterattacke
(manches nur mit dem Pinselstil als hastige Zeichnung
in die Farbe geritzt) — das nenn ich mir ein
Schlachtenbild, das etwas von der Wildheit und Wut
des Krieges festhält! Von Kaspar David Friedrich
kam eine kleine Gebirgslandschaft hinzu, Blick in ein
Hochtal, in dem weißliche Nebelmassen aufdampfen.
Zwei Landschaften von Heinrich Reinhold (1790 bis
1825) gehören zu der Sammlung Grönvold, die, wie
man weiß, der Nationalgalerie ganz zufallen wird; es
sind Arbeiten von 1817 und 1819, auch die zweite
wohl noch vor Reinholds römischer Zeit gemalt, die
in eben diesem Jahre begann. Eine orientalische
Szene in rauschenden Farben von dem Hessen Karl
Hausmann und eine verblüffend frische Gebirgs-
impression von Joh. Wilhelm Schirmer, weitab von
seiner sonstigen Trockenheit, zeigen aufs Neue, was
aus der deutschen Malerei um 1850 hätte werden
können, wenn die Verhältnisse andere gewesen wären.
In dem Hauptsaal der Ausstellung, der alle diese
Gemälde beherbergt, hängen noch ein Blumenstilleben
von Waldmüller von entzückender Buntheit und Heiter-
keit, ein wahrhaft himmlisches Bild, Trübners glänzen-
des Porträt seines Paten, des Heidelberger Bürger-
meisters Hoffmeister, von 1872, Hans Thomas
»Laufenburg« aus seinem Zyklus oberdeutscher Städt-
chen (1870), sowie zwei ausländische Werke: eine
Abendlandschaft in warmen braunen Tönen von
Georges Michel (1763—1843), einem der Vorläufer
der Fontainebleauer — dankt es dieser Franzose
(sonst Kontrebande!) seinem deutschen Vatersnamen,
daß er mit durchgeschlüpft ist? — und ein saftig,
doch ganz hell gemaltes »Zigeunerlager« von Mun-
kacsy, der bisher in der Galerie fehlte, durch dies
Bild nun aber vorzüglich vertreten ist.
Das übrige wollen wir nach den Räumen, in denen
es sich verteilt, rascher überblicken. Da ist ein Saal
mit Zeichnungen aus dem Kreise der Nazarener und
Romantiker: Blätter von C. D. Friedrich (kostbare
Dinge!), von Schwind (darunter die lieblichen Aquarell-
entwürfe zu den Wartburg-Bildern), von Preller und
Wächter, Steinte und Overbeck (eine Wasserfarben-
szene der Erweckung von Jairi Töchterlein von mön-
chischer Innigkeit), von Ferdinand von Olivier, Genelli
und Schnorr und von dem wenig bekannten Düssel-
dorfer Cornelius-Schüler Adam Eberle (1805—1831).
Ein zweiter Saal ist mit Zeichnungen aus Kreise der
Klassizisten gefüllt, unter denen sich manches von ge-
ringerer Bedeutung findet; aber es sind auch feine
Stücke dabei, so vom alten Koch und namentlich von
Philipp Hackert: eine Ansicht vom Eingang der Kata-
komben mit einigen Figuren, in deren Blicken und
Gesten sich alle Romsehnsucht jener Jahre spiegelt,
und ein Blick auf Kolosseum und Konstantinsbogen
mit einer entzückenden, fast goyahaften Gruppe auf
dem noch nicht von Ausgrabungen zerklüfteten Forum.
Durch die Auktion Lanna ist viel gute Altwiener
Kunst hereingekommen. So ein wunderbarer Rudolf
von Alt: das ehemalige Rathaus in Budapest mit
wimmelnden, winzigen Figürchen auf dem Marktplatz.
So ein »Blick auf Wien« 1863 von Joh. Adam Klein
(1793—1875!). Ein Soldatenstück von Joh. Jos.
Schindler. Genrehaftes von Alois Greil (1841 —1903).
Ein Straßenbildchen von Jos. Frledr. Leybold (1755—
1838). Eine Wolkenstudie von Ignaz Raffalt (I800—
1857). Sie führt zu den kostbaren kleinen Wolken-
und Landschaftsstudien des nordischen Dresdeners
Dahl aus der Zeit von 1820 bis 1832, die un-
mittelbar an Constable denken lassen, auch an
Menzels ähnliche Übungen aus den fünfziger
Jahren. Ein Spitzweg hängt daneben. Wieder ein
anderer Saal vereinigt Zeichnungen des anglisierten
Schweizers Joh. Heinr. Füßli, phantastische Komposi-
tionen von unheimlicher Gewalt und fabelhafter
Pikanterie des sinnlichen Reizes, die an Goya und
Blake, an Guys und Rops denken lassen und den
Künstler von ganz neuen Seiten zeigen. Schließlich
sind einige Werke zusammengehängt, die schon für
die künftige Bildnisgalerie in der Bauakademie be-
stimmt sind. Darunter aus dem Nachlaß Friedrich
Haases sein eigenes Bild als Bolingbroke in Scribes
»Glas Wasser« von Camphausen und ein außer-
ordentlich schönes Porträt des großen Schauspielers
Carl Eckhoff von Graff. Dazu die Bildnisse Hebbels
und seiner Gattin von Rahl. Ein interessantes Porträt