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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Bimler, Kurt; Daun, Berthold: Ein unbekanntes Werk des Veit Stoss in Glogau
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0013

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Nekrologe —

das mit den allerliebst bewegten Armchen und Füß-
chen, mit dem süßen fragenden Blick schon für sich
allein einen ersten Meister als seinen Schöpfer beweist.
Nikolaus und Katharina fallen gegen die Mittelgruppe
ab, so daß ich bei ihnen an ein Mitwirken des Stanis-
laus Stoß glauben möchte.

Meine Überzeugung von der Urheberschaft des
Veit Stoß wurde am meisten durch die an sich auf-
fallende Gestaltung der vier die Wappen stützenden
Relieffiguren an den drei Konsolen gefestigt. Der erste
Eindruck führt sofort zu den kleinen verwandten Ge-
stalten an der Predella des Krakauer Marienaltars und
auf kürzerem Wege zu den ganz gleichartigen Wappen-
haltern des Grabmals Kasimirs IV. in Krakau. Auch
dort als Wappenstützer dieselben kühn überschnitten
und stark gespreizt gestellten Männer in wilder, un-
heimlicher Tracht, hier noch eckiger in den Stellungen,
in noch phantastischer wirkender, fellartiger Kleidung,
die Gesichter noch fratzenhafter (ein Kopf fehlt leider
auf unserer Abbildung). So kühne Erfindungen sind nur
der ausschweifenden und karikierenden Einbildungskraft
eines Veit Stoß zuzutrauen, sie sind als Nachahmungen
und Schöpfungen eines Schülers oder des Sohnes un-
möglich. Ernst gehalten sind dagegen die Gesichter der
beiden äußeren Wappenhalter, links das edle greisen-
hafte mit den lang herabwallenden Bartsträhnen, und
rechts das bartumrahmte des kräftigen Mannes mit
dem gut modellierten nackten Körper und dem barocken,
(wieder echt Veit Stoßischen!) flatternd bewegten Lenden-
tuch. Sollten das etwa Selbstbildnisse Veits und Stanis-
laus', des Helfers am Werk, sein, deren tatsächliches
Alter zu dem der Dargestellten stimmen würde?

Selbst die Form der Baldachine, die man mit den
ähnlichen Gebilden am Marienaltar und am Grabmal
Kasimirs vergleiche, fällt schwer ins Gewicht.

Zu dieser Angelegenheit sendet der Redaktion Herr
Dr. Daun folgende Erklärung: Bei Einholung eines Gut-
achtens über eine Holzmadonna sprach Herr Dr. Kurt
Bimler aus Ologau von Steinfiguren in Ologau, in denen
er Werke des Veit Stoß vermutete. Er fragte mich, ob
Veit Stoß auch in Stein gearbeitet habe, worauf ich ihn
auf die von mir aufgefundene Urkunde vom 1. Februar 1503
im Nürberger Stadtarchiv aufmerksam machte. Da schon
alle möglichen Werke dem Veit Stoß grundlos zugewiesen
sind, hatte ich keine Veranlassung, irgendwelchen Wert auf
die Vermutung des Herrn Dr. Bimler zu legen.

Bei meinen jetzigen Vischer-Studien fand ich in Alwin
Schultz, Schlesiens Kunstleben im 15. bis 16. Jahrhundert
(1872), wo die Breslauer Grabplatte Vischers groß abge-
bildet ist, auch drei Glogauer Steinfiguren abgebildet, in
denen ich sofort den Stoß-Charakter erkannte. Unabhängig
von der Vermutung des Herrn Dr. Bimler kam mir also
die Abbildung der Glogauer Figuren, die übrigens offen
an der Straße stehen, zu Gesicht. Auf Grund eingehender
Forschung konnte ich dann eigenhändige Meisterwerke des
Veit Stoß feststellen und veröffentlichte einen Teil meiner
Beweisgründe in der Presse bereits am 18. Juli 1913. In
einem Aufsatze, der seit dem 16.' August 1913 in den Händen
der Redaktion der betreffenden Zeitschrift ist, habe ich meine
Oründe noch ausführlicher dargelegt. In diesem Beitrag
wie in der am 12. September 1913 veröffentlichten Notiz
in der Kunstchronik (Nr. 43) ist als Quelle Alwin Schultz
angegeben.

Wettbewerbe

Herr Dr. Bimler aber glaubt, für sich die Zuweisung
der in Glogau offen stehenden Statuen an Stoß in Anspruch
nehmen zu können und drängt mich unter Drohung, die
Angelegenheit der Hochschulbehörde unterbreiten zu wollen,
zu einer Erklärung. Um dieser Angelegenheit die Spitze
abzubrechen, stelle ich obigen Tatbestand fest und erkenne
in dem Drängen Dr. Bimlers zu einer Erklärung eine Be-
stätigung des Ergebnisses meiner Forschung.

Berlin, d. 19. Sept. 1913 Berthold Daun.

NEKROLOGE

Zvetajeff f. Aus Moskau kommt die Trauerkunde
vom Hingange Professor Zvetajeffs, des Schöpfers vom
dortigen Museum Alexander III. Es ist dies die jüngste
und größte der Abgußsammlungen Europas. Nicht weniger
als 26 Säle und zwei große Lichthöfe des neuen, von Prof.
Klein in Moskau aufgeführten Prachtgebäudes sind mit
Abgüssen der bedeutendsten plastischen Werke aller älteren
Kunstzeiten gefüllt. Sorgfältige Nachbildungen der alt-
christlichen Katakomben-Malereien, noch unter der Leitung
ihres Entdeckers G. B. de Rossi ausgeführt, Kopien der
Salviatischen Werkstatt in Murano nach Mosaiken Kavennas
und aus San Marco in Venedig, die bekannte, von Goleni-
scheff zusammengebrachte Sammlung altägyptischer Origi-
nale geben diesem Museum noch einen besonderen Wert.
Das Auszeichnendste an seiner Entstehung ist aber dies,
daß sie der sich aufopfernden Arbeit eines einzigen Mannes
verdankt wird, der es verstand, über drei Million Rubel,
also fast zehn Millionen Mark, aus freiwilligen Beiträgen
für den Bau und die Sammlungen zusammenzubringen.
Ein russischer Großindustrieller, der Kaiserliche Oberhof-
meister Netschajeff-Malzoff, spendete allein gegen vier
Millionen Mark und führte persönlich eine Expedition in
den Ural, um dort den weißen Marmor für Bekleidung und
Säulen der Schauseite zu gewinnen. Er war es auch, der
bei dem Dresdener Bildhauer Armbruster die Marniorkopie
eines großen Teiles des Parthenonfrieses für den Bau be-
stellte. Ein zweiter Fries rührt von Professor Salemann
in Petersburg her. Kunstfreunde übernahmen die Aus-
stattung ganzer Säle, die sie teils nach Mitgliedern des
Kaiserhauses, teils nach Freunden und Verstorbenen nannten.
Andere spendeten große Mengen von Abgüssen. Bemerkens-
wert ist dabei, daß kein einziger sich fand, der einen jener
Säle auf seinen eigenen Namen getauft hätte. Das Be-
wundernswerteste aber bleibt die umfassende, rastlose
Tätigkeit Zvetajeffs selbst, der sein Leben ganz diesem
Werke widmete. Sehr oft war er Gast des Dresdener
Albertinums, von dem er zu sagen pflegte, daß es ihm
Anregung und Vorbild gewesen sei. Dem verdienten,
schlichten und selbstlosen Manne werden seine Freunde
weit über 'Rußlands Grenzen hinaus ein treu dankbares
Andenken bewahren. Georg Treu.

WETTBEWERBE

X Im Wettbewerb um den Neubau der deutschen
Botschaft in Washington ist, wie schon kurz gemeldet,
der erste Preis dem Entwurf von Bruno Möhring zugefallen,
ein Urteilsspruch der fast einstimmigen Beifall gefunden hat.
Für solche Aufgaben scheint, wie man mit Vergnügen fest-
stellt, eine neue Zeit anzubrechen. Im Gegensatz zu den
Gepflogenheiten des preußischen Arbeitsministeriums, das,
eifersüchtig auf alle Außenstehenden, stets unleidliche Schwie-
rigkeiten macht, sobald etwas den Baubeamten entzogen und
»außer dem Hause« gearbeitet werden soll, herrscht in der
Reichsregierung ein freierer Geist. Das Auswärtige Amt, das
 
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