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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Kern, G. J.: Nochmals "Die Umgestaltung des Potsdamer Rathausplatzes"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0234

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 31. 24. April 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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NOCHMALS »DIE UMGESTALTUNG DES POTS-
DAMER RATHAUSPLATZES«
Von O. J. Kern

Die außerordentliche Bedeutung der städtebaulichen
Neugestaltungen, die in Potsdam zu erwarten sind, hat
uns seinerzeit veranlaßt, in dieser Zeitschrift (Nr. 15
dieses Jahrganges) zu dem Ergebnis des Wettbewerbes
für den Rathausneubau Stellung zu nehmen. Der
Wettbewerb hatte, wie erinnerlich, verschiedene inter-
essante Lösungen gebracht. Aus dem Rahmen der
Aufgabe fiel unter den preisgekrönten Entwürfen
eigentlich nur das Möhringsche Projekt heraus, vor
dessen Tendenz, die historische und künstlerische
Rücksichten vermissen ließ, wir glaubten warnen zu
müssen. Wenn nun in einer Fachschrift, wie dem
»Städtebau«, die den Anspruch besonderer Zuständig-
keit auf diesem Gebiet erheben möchte, Th. Goecke
für Möhring indirekt wieder eintritt, so darf das nicht
unbeachtet bleiben.

Es waren gegen Möhrings Behandlung der Auf-
gabe schwerwiegende prinzipielle Bedenken von ver-
schiedenen Seiten erhoben worden, namentlich gegen
die Absicht, das Gesamtbild des alten Rathauses, bei
zwar scheinbar völliger Erhaltung des Bestandes, gänz-
lich aufzugeben; ferner war eingewendet worden, daß
eine so anspruchsvolle Architektur wie die Anlage
mit den zwei Türmen gar nicht aus dem Grundriß
entwickelt "worden sei. Das erste Bedenken wird mit
der Frage abgetan: »Ist in der Tat der Denkmalswert
des Rathauses so groß, daß sich der Erweiterungsbau
demütig unterordnen muß?« Diese Frage ist nun
allerdings von Möhring und anderen verneint, damit
aber doch keineswegs erledigt worden. Entschließt
man sich wirklich, einen ganz veränderten Baukörper
zu schaffen, warum sich dann noch »demütig unter-
ordnen«, indem man seinen architektonischen Aufwand
mit den übernommenen Formen des alten Baues be-
streitet! Der zweite Punkt, daß die Türme eine bloße
Attrappe vorstellen, wird nicht einmal erwähnt. Noch
ist zu bemerken: Wenn Goecke hervorhebt, das Er-
gebnis des Preisgerichtes sei »fast durchweg einmütig«
gewonnen worden, so verschweigt er, daß — nach
dem veröffentlichten Protokoll — gerade gegenüber
dem Möhringschen Vorschlag diese Einmütigkeit nicht
bestanden hat.

Wem die Erhaltung des Stadtbildes von Potsdam
am Herzen liegt, wird nicht bloß den Wunsch hegen,
das alte Rathaus, sondern auch das schöne Knobels-
dorffsche Haus zu retten. Dagegen führt man ins
Feld, daß zu erwartende Verkehrssteigerungen eine
Erweiterung der Brauerstraße und damit die Nieder-
legung dieses Hauses erfordern. Bei gutem Willen
lassen sich aber noch wesentlich größere Verkehrs-

schwierigkeiten überwinden, als hier zu erwarten sein
dürften. Jedenfalls fehlt es nicht an Möglichkeiten,
einen Teil des Verkehrs abzuleiten. Eine solche wäre
z. B. die Schaffung eines direkten Weges vom Bahnhof
in die östliche Seite der Stadt und zur Königstraße.
Natürlich hätte es wenig Sinn, das Haus abzubrechen
und an anderer Stelle wieder aufzubauen. Diesen Ge-
danken lehnt Goecke mit Recht ab. Leider geschieht
es in einem Zusammenhange, der die Vermutung nahe-
legen könnte, der Vorschlag sei ausgesprochen in
dem von ihm erwähnten Artikel »Der alte Markt zu
Potsdam und seine Zukunft« (Zeitschrift des Verbandes
deutscher Architekten und Ingenieurvereine 1914, Nr. 3).
Dieser Artikel, dem wir uns seinem ganzen Inhalte
nach anschließen, soll sich mit der Tatsache in Wider-
spruch setzen, daß die Erhaltung des Hauses vom
Preisgericht abgelehnt ist. Die Bemerkung ist un-
verständlich, da der genannte Artikel diese Ablehnung
gar nicht bestreitet und die Frage lediglich akademisch
vom Standpunkt des Verfassers behandelt.

Die vorstehende Erörterung bietet übrigens eine
willkommene Gelegenheit, auf eine interessante An-
regung einzugehen, die zu Anfang dieses Jahres das
im »Tag« veröffentlichte Projekt des Berliner Archi-
tekten R. Zahn gegeben hat. Zahn schlägt vor, das
Stadtschloß freizulegen und an Stelle des jetzigen
Schultheißrestaurants und der anschließenden Bauten ein
Rathaus zu errichten. An diesem Vorschlage ist zu
begrüßen, daß der bisher stark beeinträchtigte Ein-
gang in die Stadt und ein unschönes Stück am Wasser
eine gründliche Neugestaltung erfahren würden. Nur
darf natürlich nicht, wie das in dem Zahnschen Projekt
geschieht, der Zweck ins Gegenteil verkehrt werden,
indem man durch einen zu massigen Neubau den
vornehmen Eindruck des Stadtschlosses bedroht. Im
wesentlichen ist der genannte Vorschlag wohl auch
das Endresultat finanzpolitischer Erwägungen. Der
Gedanke ist diskutabel, die Ratskellerwirtschaft an die
zu schaffende vergrößerte Terrasse, die Stelle des
»Schultheiß«, zu verlegen, und damit einen Teil der
Mittel für bauliche Neugestaltung, wenigstens die Be-
seitigung des alten Restaurants, aufzubringen. In künst-
lerischer Hinsicht jedoch verrät der Entwurf wohl nicht
die Hand, die einen so bedeutsamen, das Stadtbild
für immer bestimmenden Eingriff unternehmen dürfte.

Über alle diese Fragen wird die Debatte zunächst
noch nicht verstummen. Wenn es auch nicht ver-
lockend ist, die Literatur über den Gegenstand noch
zu vermehren, so ist doch die Angelegenheit so wichtig,
daß sie die dauernde Aufmerksamkeit der Allgemein-
heit verlangt.
 
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