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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Henkel, Max Ditmar: Nationale Kunstausstellung alter kirchlicher Kunst in Hertogenbosch
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0020

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Nekrologe

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Ungeheuers, bekrönt wurde er von einer weiblichen Heili-
gen. Der etwas spätere, größere Kronleuchter aus der St.
Johanniskirche in Hertogenbosch (Nr. 101) hatte zwölf
ebenfalls mit stilisierten Weinblättern verzierte Arme, die
in einer Wellenlinie verliefen und die statt in einem Ringe
in einem Kelche ruhten; auf letzterem erhob sich ein von
Strebebogen getragener, sechsseitiger, turmartiger Aufbau,
in dem die Figur des hl. Viktor stand und der von schlan-
ken Phialen gekrönt wurde; dieses reiche Werk war eine
Arbeit der Schmiedegilde in Hertogenbosch aus dem Ende
des 15. Jahrhunderts. Von einem wesentlich anderen Cha-
rakter war der Doppelkronleuchter aus der Kirche zu Steen-
bergen von zirka 1600 (Nr. 106), dessen Stamm im Gegen-
satz zu den vorigen in einer großen Kugel endigte; diese
Form ist in Holland besonders ausgebildet worden und
kann daher als typisch holländisch bezeichnet werden,
während die vorigen gotischen Kronen durchaus kein
nationales Cachet hatten. Aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts waren zwei schöne gotische, kupferne Lesepulte
zu sehen, bei denen das eigentliche Pult von den ausge-
breiteten Flügeln eines auf einer Kugel sitzenden Adlers
gebildet wurde; durch feine Stilisierung des Gefieders war
besonders das große Lesepult am Venraai ausgezeichnet.
(Nr. 300.)

Von großem Interesse waren ferner die kupfernen
Taufbecken; vor allem der hohe, spätgotische Taufkessel
aus der St. Johann es-Kirche in Hertogenbosch war eine
hervorragende technische Leistung (Nr. 520); ganz frap-
pierend durch ihre Naturwahrheit wirkten hier die vier
unter dem eigentlichen Becken stehenden Figuren von
Lahmen und Krüppeln. Wie ein Spruchband auf dem Fuß
vermeldet, ist das Becken 1492 von dem Meister Aert van
Maestricht gegossen. Ein anderes Taufbecken in der Form
einer Ziborie, das um 1540 nach dem Entwürfe von »Hans
den glasschryver« gegossen ist, aus der reformierten Kirche
in Breda, zeigte schon eine Vermengung von spätgotischen
und Renaissance-Formen, welche letzteren sich dann ganz
rein präsentierten bei einem noch späteren Taufbecken aus
dem Jahre 1620 aus der St. Martinskirche in Venloo. Das
runde durch Rippen gegliederte Becken wurde hier von
miteinander verbundenen Kandelabern bekrönt, die außer-
dem durch Voluten an eine sich in der Mitte erhebende Säule
verkoppelt waren. Von übrigen Kupferarbeiten seien noch
die berühmten Platten mit den Weihrauchfässer schwingen-
den Engeln aus dem Domschatz von St. Servatius in
Maastricht erwähnt, die früher vermutlich die Schmalseiten
eines Reliquienschreines bekleideten; dieselben sind eine
Arbeit des 12. Jahrhunderts aus dem Maasgebiet.

Bei den frühen liturgischen Gewändern aus dem Ende
des 15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts waren die
Stoffe meistens fremder, und zwar italienischer Herkunft,
während die Stickereien, alle mit figürlichen Darstellungen,
fast durchweg niederländische Arbeiten waren. Nur eine
Chorkappe, mit der Himmelfahrt inmitten verschieden-
artiger bunter Blumen von sehr reinen frischen Farben, war
englische Arbeit von zirka 1500. Das älteste Stück war
eine Casula von der Form einer Violine (Nr. 385) aus dem
Besitze der Kirche in Leveroy aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts. Der Stoff war italienischer Goldbrokat auf grünem
Samt und zeigte das bekannte Granatapfelmuster. Die
Garnitur Meßgewänder, die der Bischof von Haarlem ein-
gesandt hatte (Nr. 384) waren zwar von modernem Stoff,
aber die Stickereiarbeiten, mit denen sie besetzt waren,
mußten dem Stil nach, der auf Dirck Bouts hinwies, um
1460 entstanden sein. Eine sehr schöne Arbeit aus dem
Anfang des 16. Jahrhunderts war die Chorkappe des Bischofs
David von Utrecht (Nr. 392), des natürlichen Sohnes von
Philipp dem Guten von Burgund, aus dem erzbischöflichen

Museum in Utrecht: auf weinrotem Samtstoff italienischer
Goldbrokat mit dem Granatapfelmuster, in das das Emblem
des Bischofs, ein offener Zunderkasten mit Schwefelstangen,
verwirkt war; dasselbe Emblem findet sich auch auf der
Casula des Bischofs, die in Utrecht bewahrt wird und auf
den Kragsteinen in seinem Schloß in Wyk-by-Duurstede.
Wundervolle Arbeiten waren ferner die Meßgewänder aus
der Kirche in Hoorn (Nr. 395), ebenfalls italienischer Gold-
brokat auf rotem Samt, mit reichen bildlichen Stickereien.
Die Stoffe selbst waren aus dem 15. Jahrhundert, die
Stickereien auf der Casula und der ersten Chorkappe da-
gegen holländische Arbeit, und zwar aus dem Anfang des
16. Jahrhunderts, wie aus der Vermengung von spätgotischen
und Renaissance-Motiven hervorging; die zweite Chorkappe
indessen und zwei Dalmatiken, die noch rein gotische
Architekturumrahmung zeigten, sind offenbar etwas früher
anzusetzen. Sehr feine Stickereien von sicherer und fester
Zeichnung schmückten eine Casula (Nr. 400a) aus der
St. Lebuinuskirche zu Deventer; in der scharfen Charäk-
teristik der Figuren und den kräftigen Typen selbst er-
innerten die Sachen an Jacob Cornelisz. van Oostzaanen;
die architektonische Umrahmung war hier in Renaissance-
formen gehalten. — Von späteren Stücken sei noch hervor-
gehoben eine Casula aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
(Nr. 859) aus Rotterdamer Privatbesitz, die auf rotem Samt-
grund in Hochrelief ausgeführte Goldstickerei zeigte, viel-
faltig gewundene Ranken mit stilisierten Blüten und Samen-
kapseln. Vornehm wirkte auch die reiche Stickereiarbeit
in Gold, Silber, Grün und Rot auf einer ungefähr gleich-
zeitigen Casula aus weißseidenem Damast (Nr. 420) aus
der St. Lebuinuskirche in Deventer; hier bildeten das Muster
schön geschwungene Ranken aus stilisierten Akanthus-
blättern. Zum Schluß nennen wir noch eine sehr reizvolle
Arbeit aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, eine Chor-
kappe aus weißem Atlas (Nr. 432) mit gestickten Blumen
und Schmetterlingen in lichten, fröhlichen Farben und
einem breiten Rand mit Blumengewinden im Stile Lud-
wigs XVI.; der Stoff stammte wahrscheinlich von einem
weltlichen Kleidungsstück.

Auf die Bildhauerarbeiten und Gemälde hier näher
einzugehen, verbietet mir leider der Raum; da dieselben
aber zum größten Teil auf der Ausstellung frühholländischer
Kunst in Utrecht zu sehen sein werden, hoffe ich bei der
Besprechung dieser Ausstellung darauf zurückzukommen.

M. D. Henkel.

NEKROLOGE

London. Sir Frederick Eaton, der während 40
Jahren das Amt eines Sekretärs an der Königlichen Aka-
demie bekleidete, verstarb am 10. September im Alter von
75 Jahren. Seine Ausbildung hatte er in Oxford genossen,
er wurde bald bekannt durch die Herausgabe von Murrays
Handbüchern, so namentlich desjenigen über Ägypten und
Süditalien. Seine intimen Kenntnisse der englischen Kunst-
verhältnisse sicherten ihm stets einen bedeutenden Einfluß
in allen die Akademie beireffenden Fragen und Verhält-
nissen. 1905 erschien von ihm »Die Geschichte der
Königlichen Akademien« und später eine englische Über-
setzung von Thausings »Leben Albrecht Dürers«. Außer-
dem war Sir Frederick Eaton ein regelmäßiger Mitarbeiter
der angesehensten englischen Kunstzeitschriften.

An demselben Tage wie den Sekretär der Akademie,
ereilte der Tod den 1843 geborenen Bildhauer George
Tinworth. Mit Recht schrieb Edmund Gosse über ihn: »Ob-
gleich er ein ausgezeichneter Bildhauer geworden ist, hörte
er doch niemals auf, ein guter Kunsthandwerker zu sein«.
Zu den wichtigsten Arbeiten des Verstorbenen gehören
die Büsten Garibaldis und des Komponisten Händel. Die
 
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