Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

DOI Artikel:
Pariser Neuigkeiten
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
251

Personalien — Denkmalpflege — Ausstellungen

252

die Innenraumwirkung des Museums. Sind zumeist
Kunstwerke derselben Entstehungszeit in einem Saal
vereinigt, so gibt es doch auch besondere Schau-
kästen mit Porzellan, orientalischen Fayenzen, Buch-
einbänden, ägyptischen Skulpturen, die für die Augen
erwünschte Ruhepunkte sind.

Die großen Vedetten im Andremuseum sind nicht
so zahlreich wie in manchen anderen Privatgalerien,
die auf eine jahrhundertalte Geschichte zurückblicken
können, dafür aber sind Milieus geschaffen,. wie sie
außerhalb Versailles' für das 18. Jahrhundert, außer-
halb Italiens nicht für die Renaissanceepoche anzu-
treffen sind.

Das Vorgehen Isaac de Camondos, bereits zu
Lebzeiten dem Louvremuseum eine Schenkung zu
machen, die aber erst nach dem Tod des Stifters
effektiv wird, hat Nachahmung gefunden. Der Rat
am Rechnungshof Martin Le Roy hat dem Louvre
seine bemerkenswerte Sammjung von Kunstgegen-
ständen aus der Zeit der Gotik und der Renaissance
vermacht, mit dem Vorbehalt ihrer Nutznießung, so-
lange er lebe. Zur Annahme der Stiftung ist noch
die Einwilligung des Staatsrates nötig; sie steht aber
außer Zweifel. Soll man dem edlen Stifter nun ein
kurzes oder langes Leben wünschen? Eine mißliche
Frage.

Soviel Zulauf hat die Gioconda bei ihrer Rück-
kehr nach Paris nicht gehabt, wie bei ihrem vorüber-
gehenden Auftauchen in Florenz, Rom, Mailand: 60 Be-
sucher am Tage, da sie in der Ecole des Beaux-Arts für
5 Francs Eintritt sichtbar war, immerhin 20000 am
ersten Sonntag, da sie wieder an ihrem altgewohnten
Platz im Salon Carre hing. Man atmet nun ordent-
lich auf. Wieviel Witze, Klagen, Lobpreisungen und
Anfechtungen von zumeist unberufener Seite hat dieses
Bild, das doch nur im stillen genossen werden kann,
über sich ergehen lassen müssen. So viel und in
so unpassender Weise hat sie die letzte Zeit lächeln
müssen, die arme Mona Lisa! An keine Dirne eines
öffentlichen Hauses werden solche Anforderungen
gestellt!

Die einzige Schlußfolgerung, die die Diebstahls-
geschichte in sich schloß, hat man übrigens nicht ge-
zogen. Wieder hängt die Gioconda unter Glas, und
alle Besucher müssen statt ihrer das eigene Spiegel-
bild sehen; und Peruggia, der Dieb, war doch ge-
rade derjenige, der seinerzeit damit beauftragt war,
sie unter Glas zu tun. Welche Zeichen muß der
Himmel noch senden, bis man versteht, daß das
Glas vor dem Bild nicht schützt, sondern schädigt!
_A.D.

PERSONALIEN
Dr. Oskar Fischel, der sich um die Raffaelforschung
besonders verdient gemacht hat, wurde zum korrespondie-
renden Mitglied des Ateneo di Brescia ernannt.

DENKMALPFLEGE
Nochmals die Umgestaltung des Potsdamer Rat-
hausplatzes. Mit einem »Videant consules« schloß die
Betrachtung, die wir in der vorigen Nummer veröffent-
lichten. Die Mahnung muß heut nochmals und eindring-

licher wiederholt werden, da die Nachricht auftaucht, daß
der durch das Urteil der Öffentlichkeit allgemein abgelehnte
Möhringsche Entwurf zur Ausführung bestimmt werden
soll. Die Wiederholung des Turmes ist ein unmöglicher
Gedanke. Der schöne Platz wäre rettungslos verloren.
Auch das Preisgericht erkannte Möhring nur an zweiter
Stelle einen dritten Preis zu. Aber ein Juryspruch hat ja
leider oft genug das Schicksal, umgangen zu werden. Der
Fall Washington war nicht der erste seiner Art. Dort ist
derselbe Bruno Möhring der leidtragende Teil, der hier
gegen das Urteil der Jury der Sieger werden soll. Auch
der beste Mann kann einmal fehlgreifen. Daß Möhring es
hier getan hat, ist keinem Sehenden verborgen. Noch
wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, daß man in
Potsdam einsichtig genug sein wird, nicht wirklich diesen
Entwurf zur Ausführung zu bestimmen. Aber gerade so
lange noch nichts entschieden ist, so lange es noch nicht
zu spät ist, einen Fehlgriff zu verhindern, ist es Pflicht,
die Mahnung zu wiederholen und an schlimme Beispiele
zu erinnern.

AUSSTELLUNGEN
In Rostock wurde in den Räumen des Kunstvereins
eine Ausstellung moderner deutscher Buchkunst veran-
staltet, die Erwähnung verdient, weil sie zum ersten Male
weiteren Kreisen Mecklenburgs Wesen und Werden des
schönen neuen Buches vor Augen führte. Diese erziehe-
rische Aufgabe hat Dr. W. Lesenberg durch eine gut ge-
wählte Zusammenstellung des Materials erfüllt, wofür ihm
durch das große rege Interesse, das die Ausstellung fand,
gedankt wurde.

X Berlin. Cassirer zeigte eine Kollektivausstellung von
Hans Baluschek, der damit einen knappgefaßten General-
bericht über eine ganze Reihe von Arbeitsjahren ab-
legt. Der Fall Baluschek liegt ähnlich wie der seines
Urfreundes Martin Brandenburg, von dem kürzlich
die Rede war: auch hier handelt es sich um eine Per-
sönlichkeit, die mit seltener Energie und Überzeugungs-
kraft nun schon fast zwei Dezennien hindurch an einem
ganz bestimmten Lebensprogramm festgehalten hat, ohne
sich durch Strömungen und Tagesmoden aus der Bahn
schleudern zu lassen; auch hier um einen Maler, der in-
mitten ganz anders gearteter Tendenzen mit zäher Leiden-
schaft das Ziel im Auge behielt, in seinen Bildern neben
dem optisch - sinnlichen Spiel der Farben Gedankliches
zum Ausdruck zu bringen, und der seine Themata von
Anfang an bis heute einem bestimmt abgegrenzten Vor-
stellungskreise entnahm. Dann freilich scheidet sich Balu-
schek von Brandenburg so gründlich, daß sie innerhalb
dieser Gemeinsamkeit geradezu Antipoden darstellen. Dem
Märchenschwärmer Brandenburg stellt sich der konse-
quente Realist Baluschek gegenüber, der in den Zeiten
des literarischen Naturalismus aufwuchs, von ihm mit
großem Ernst die soziale Note der Wirklichkeitsbetrachtung
übernahm und als Berliner dieser Darstellungsart noch einen
charakteristischen lokalen Stempel aufdrückte. Baluscheks
Stoffgebiet ist das Berlin der Kleinbürger, der Arbeiter und
der Arbeitslosen, der kleinen Mädchen und der armseligen
Straßendirnen, der bescheidenen Studenten, der Sonntags-
spaziergänger und der Laubenkolonisten. Das Berlin N und
das Berlin O, das sich in seiner Tätigkeit und seinen Lastern
so wesentlich von dem aller Welt geläufigen Berlin W unter-
scheidet. Das »ruppige« Berlin mit seinen öden Tingel-
tangels, poesielosen Kneipen und Destillen, billigen Tanz-
lokalen. Man sieht die Kehrseite der Medaille. Die Not und
das Elend, die im Fusel sich zu betäuben, in armseligen Ver-
gnügungen zu vergessen oder auch in spiritistischer Schwarm-
geisterei ihre brennende Sehnsucht zu stillen suchen. Blasse
 
Annotationen