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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Henkel, Max Ditmar: Nationale Kunstausstellung alter kirchlicher Kunst in Hertogenbosch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0018

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang

1913/1914

Nr. 2. 3. Oktober 1913

ie Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
\eist p"nler.t bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
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onnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

NATIONALE AUSSTELLUNG ALTER
KIRCHLICHER KUNST IN HERTOOENBOSCH

Die Ausstellung, die unter dem Vorsitz von Dr. Jan
Kalf diesen Sommer in Hertogenbosch organisiert war,
war in erster Linie eine Heerschau kirchlicher Metall-
arbeiten; die große Mehrzahl der Gegenstände war in
Gold und Silber oder Kupfer und Messing ausgeführt.
Diese Gerätschaften des katholischen Kultus, diese Mon-
stranzen und Ziborien, Leuchter und Kronen, Rehquiare
und Krummstäbe, Weihrauchkessel und Taufbecken, Wasser-
spender und Waschschüsseln drückten dem Ganzen ihr
Gepräge auf; daneben mußten die Bildhauwerke und die
liturgischen Gewänder, die bei weitem nicht so zahlreich
waren, naturgemäß zurücktreten, obwohl sie qualitativ den
Metallarbeiten nicht nachstanden. Numerisch wie qualitativ
unbedeutend war dagegen die Gemäldeabteilung. Obwohl
sich die Gegenstände alle im Besitze holländischer Kirchen
oder Sammlungen befinden und die Ausstellung eine
nationale war, so trat doch kaum der holländische, der
bodenständige Charakter der Kunstwerke deutlich zutage,
am ersten noch in den paar Gemälden und dann einigen
Stickereien auf den Meßgewändern. Das übrige hatte,
wenn es auch, wie etwa die Silberarbeiten der Familie van
Vianen von nachweisbar holländischen Künstlern stammte,
einen internationalen Charakter; es war stets in einer
der westeuropäischen Formensprachen gehalten, von den
wenigen vornehmen und strengen byzantinischen und roma-
nischen Denkmälern ab bis zu der Menge überladener und
protziger Barock- und Rokokoarbeiten. Von den fast
1000 Kunstwerken kann ich natürlich hier nur einige be-
sonders hervorragende herausgreifen. Beginnen wir mit
den Schmelzarbeiten; als ein Vorläufer dieser im Mittel-
alter so gepflegten Technik sei an erster Stelle ein durch
sein hohes Alter merkwürdiges, kleines Reliquienkästchen
aus Kupfer erwähnt, eine merovingische Arbeit aus dem
7. oder 8. Jahrhundert (Nr. 333). Die Felder sind hier mit
kerbschnittartig in das Metall gestochenem Blattornament
verziert, das ebenfalls eingegrabene Kreuze und Kelche
umrankt und an manchen Stellen mit roten und grünen
Glasstückchen eingelegt ist. Der Einsender dieses primi-
tiven Werkes war das erzbischöfliche Museum in Utrecht,
das mit der Überlassung seiner Kunstschätze überhaupt
sehr freigebig gewesen war; wenig Entgegenkommen hatten
im Gegensatz zu den katholischen Kirchen die reformierten
Gemeinden des Landes gezeigt, weshalb die reformierte Ab-
teilung der Ausstellung einen so bescheidenen Eindruck
machte, daß sogar die israelitische Abteilung, der ebensoviel
Raum zur Verfügung gestellt war, ungleich besser abschnitt.
— Durch verschiedene schöne Proben war die eigentliche
Emaillierkunst vertreten, so unter anderem durch ein kleines
Reliquienkästchen aus vergoldetem Silber (Nr. 334), auf
dessen Vorderseite die ihre Hände in Anbetung in die Höhe
streckende Maria in durchsichtigem Zellenschmelz ange-
bracht war; die Umrisse der Figur waren besonders fein,
sehr ausdrucksvoll die Augen und die Bewegung der
schlanken Hände. Es war eine byzantinische Arbeit aus
dern 9. Jahrhundert, die sonst im Domschatze der Lieb-
"•auenkirche in Maastricht bewahrt wird. Für die Gruben-

schmelztechnik, wie sie vorzüglich in Limoges gepflegt
wurde, bot ein Reliquiar aus dem erzbischöflichen Museum
in Utrecht, auf dessen Vorderseite die Ermordung des
Thomas Becket, Erzbischofs von Canterbury (f 1170) dar-
gestellt war, ein gutes Beispiel. Erwähnt sei an dieser Stelle
auch ein einer etwas späteren Zeit angehörendes Kopf-
reliquiar aus getriebenem Silber (15. Jahrhundert), eine
Büste des hl. Eusebius, aus der St. Eusebiuskirche in
Arnhem, die durch sprechende Charakteristik und schöne
Modellierung ausgezeichnet war; zu ihrem strengen Stil
wollte nur nicht der banale Sockel passen, der mit natura-
listisch behandelten Blumen, holländisch-plumpen Engel-
chen, die Kränze und Palmblätter halten, und dem Brust-
bild des etwas einfältig blickenden Heiligen in Brustpanzer
und mit Hirtenstab verziert war; auch technisch eine viel
schwächere Arbeit, die aus der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts stammte; sie war 1669 datiert. Herrliche Email-
arbeit zeigte ferner der Krummstab der alten Äbte von
Egmont, ein edles, gotisches Werk aus der Mitte des
16. Jahrhunderts, mit reichem, figürlichen Schmuck (Nr. 370).
Zwei andere Silberkrümmen, aber ohne die Farbenpracht
des Emails, die der Äbte von Berne (Nr. 371) und des
allkatholischen Bischofs von Deventer (Nr. 856), waren in
Renaissanceformen gehalten, der erstere, Antwerpener
Arbeit, war 1540, der letztere 1570 datiert. — Die größte
Mannigfaltigkeit wies die sehr große Sammlung von Mon-
stranzen auf. Die schönsten Stücke gehörten der gotischen
Periode an. Wie der für den Stein geschaffene gotische
Architekturstil mit seinem System von Strebepfeilern und
Strebebogen, seinen Phialen und Wimpergen, seinen Maß-
werkfüllungen, ja sogar seinen Wasserspeiern auf ein so
ganz anderes Material übertragen und so ganz anderen
Zwecken dienstbar gemacht war, ohne daß einem dieser
Widerspruch deutlich zum Bewußtsein kam, mußte einen mit
Bewunderung für den feinen Formensinn und das große
Können ihrer namenlosen Schöpfer erfüllen. Eine der
frühesten Monstranzen war die aus der Kirche von Oot-
marsum (Nr. 468) aus dem Ende des 15. Jahrhunderts aus
vergoldetem Silber; der Glaszylinder war hier flankiert von
zwei Strebepfeilern, die von Phialen gekrönt wurden; der
Deckel bestand aus einem sechsseitigen Turm mit zwei
Stockwerken, der in Kreuzblume und Kruzifix endigte.
Bei der Monstranz aus Purmerend (Nr. 473) aus dem An-
fang des 16. Jahrhunderts war der Glaszylinder von drei
Strebepfeilern umschlossen, darüber erhob sich dann ein
durchbrochener sechsseitiger Turmaufbau in drei Stock-
werken, der ebenfalls in Kreuzblume mit Kruzifix endigte.
Das Ganze stieg in schlankeren und freieren Bogen auf-
wärts als die breitere und mehr gedrungene Form der erst-
genannten Monstranz. Ein ganzes Jahrhundert trennt die
spätgotische Purmerender Monstranz von der Monstranz
des Ernst Jansz. van Vianen, einer sehr kunstvollen Haar-
lemer Arbeit aus dem Jahre 1618, die die St. Josefskirche
in Haarlem eingesandt hatte. An Einheitlichkeit, an innerer
Geschlossenheit der Konstruktion stand dies Werk den
gotischen Monstranzen zwar nach, es entschädigte aber
dafür durch die hohe technische Vollendung der Detail-
arbeit, der Figuren und Reliefs. Von einem anderen Mit-
glied der Goldschmiedsfamilie Vianen, von Adam van Vianen,
 
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