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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Sarre, F.: Ein neues Museum muhammedanischer Kunst in Konstantinopel
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0272

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525

Denkmalpflege — Ausstellungen

526

Zum Schluß sei der berühmte Oebetsteppich vom
Grabe des mystischen Dichters und Gründers des
Derwisch-Ordens Djelal eddin Rumi erwähnt. In
seiner Grabmoschee in Konia aufbewahrt und ängst-
lich gehütet, war diese kostbare Reliquie bisher
nur wenigen bekannt. Die gute Erhaltung dieses
mit Gold und Silber durchwirkten und in braunen
Tönen, der Farbe des Derwisch-Ordens, gehaltenen
Seidenteppichs täuscht anfangs über das Alter; er
dürfte nach der Zeichnung der Ranken im Gebets-
felde, das die Darstellung der Moschee von Mekka
krönt, frühestens Ende des 16. Jahrhunderts in Persien
hergestellt sein, also erst drei Jahrhunderte nach dem
Tode des Djelal eddin.

Den Teppichen schließen sich die Stoffe würdig
an. Vor allem die Mausoleen der Sultane haben
neben prachtvollen Brokaten auch wohlerhaltene, aus
den türkischen Seidenstoffen der Glanzzeit hergestellte
Kostüme geliefert. Von besonderem Interesse sind
die Röcke von Prinzen und Prinzessinnen, die teil-
weise im Schnitt nach europäischen Vorbildern ge-
fertigt sind und z. B. an die Tracht der spanischen
Infanten und Infantinnen des 17. Jahrhunderts er-
innern. Daneben finden sich kostbare Stickereien
und Wirkarbeiten, Meisterwerke des türkischen Kunst-
handwerks. Hier hat auch jene mehr als Reliquie
wie als Kunstwerk zu würdigende gelbe Seidenjacke
Aufstellung gefunden, die der vor der Schlacht auf dem
Amselfelde (1389) ermordete Murad I. als Talisman unter
seiner Rüstung getragen hat. Das Gewand ist mit einer
minutiös feinen Schrift, die den ganzen oder einen Teil
des Korans wiedergeben soll, bedeckt. Diese Reliquie
des Märtyrer-Sultans hat eine pikante Geschichte; sie
wurde von einem im bulgarischen Heer dienenden
Russen bei der Einnahme von Adrianopel aus der
dortigen Moschee mitgenommen und von dem türki-
schen Botschafter in Wien zurückgekauft, nachdem
das Beutestück vergeblich verschiedenen europäischen
Museen und Sammlern angeboten worden war.

Neben den Teppichen und Stoffen beanspruchen
die Manuskripte die höchste Beachtung. Bei meiner
Anwesenheit, einige Tage vor der Eröffnung des
Museums, war diese Abteilung noch nicht vollständig
aufgestellt, so daß kein genauer Überblick des vor-
handenen Materials gewonnen werden konnte. Es
ist von einer geradezu erstaunlichen Fülle, und die
Sammlung von Koranen steht vielleicht der Vizekönig-
lichen Bibliothek in Kairo an Bedeutung nicht nach.
Von frühen, aus den ersten Jahrhunderten der Hedschra
stammenden Pergamentkoranen mit kufischer Schrift
und Goldornamenten habe ich freilich nur einige
wenige Exemplare gesehen, dagegen sind die späteren
Epochen in überwältigender Menge vertreten. Vor
allem seien die in ihren Abmessungen gewaltigen Hand-
schriften erwähnt, die aus den Bibliotheken der großen
Moscheen Konstantinopels stammen; hinsichtlich der
Erhaltung, der Feinheit der Schrift, ihrer Verzierungen
und der Einbände, sind diese meist aus dem 16. bis
17- Jahrhundert stammenden Handschriften ohne-
gleichen. Auch eine Reihe von persischen Büchern
mit vorzüglichen Miniaturen sind vorhanden.

Unter den sonstigen Kunstwerken seien einige
wenige mittelalterliche Metallarbeiten mit Silber- und
Gold-Tauschierung,sog.Mossul-Bronzen,einpaarGlas-
lampen, auch jüngerer Zeit, ferner sog. Damaskus-,
Rhodos- und Kutahia-Fayencen zunennen. Schöne
Holzschnitzereien der mittelalterlich-seldschukischen
Epoche, Türen und Sarkophage, sind aus dem Innern
Kleinasiens, aus Konia und anderen Städten, gesandt
worden. Daß charakteristische Beispiele der jüngeren,
speziell türkischen Kunstindustrie, vor allem auch
imposante Koranständer und andere Möbel mit Ein-
lagen in Schildpatt und Perlmutter nicht fehlen, ist
begreiflich; diese Gegenstände treten mit den Metall-
arbeiten des türkischen Rokoko, die in reicher Fülle
vorhanden sind, hinter den vorerst erwähnten Schätzen
in den Hintergrund. Speziell der kleinasiatische
Teppich in seinen mannigfachen Variationen ist in
dem neuen Museum in einer bisher nirgends vor-
handenen Vollständigkeit zu sehen, und seine Ent-
wicklung, die Entstehung der Muster, wird erst mit
Benutzung des hier vorhandenen Materials recht ver-
standen und gewürdigt werden können.

Das neue Museum muhammedanischer Kunst in
der türkischen Hauptstadt ist ein Zeichen der ernsten
wissenschaftlichen Bestrebungen in der modernen
Türkei. Abgesehen von dem schon genannten Schöpfer
des Museums, dem jetzigen Ewkaf-Minister, sind unter
den Mitgliedern des Organisationskomitees vor allem
der Deputierte Konstantinopels Ismed Bey, ferner der
Direktor Hakki Bey und der Architekt Kemal Bey
zu nennen.

DENKMALPFLEGE
Vom Freiberger Dom. Die Kgl. Kommission für die
Erhaltung der Kunstaltertümer im Königreich Sachsen hat
sich neuerdings wieder für den Ausbau der Westfront des
Freiberger Doms nach dem letzten Entwurf des Architekten
Bruno Schmitz in Berlin ausgesprochen. Vor Jahren hatte
die Kommission schon ausgesprochen, daß der Turm im
Stadtbilde Freibergs entschieden fehle. Dann änderte die
Kommission unter dem Einflüsse des neu eingetretenen
Mitglieds German Bestelmeyer ihre Ansicht, indem sich die
Mehrheit gegen den Ausbau des Doms aussprach. Nun
ist sie wieder zu ihrer ursprünglichen Ansicht zurückgekehrt.
Voraussichtlich wird nun die sächsische Regierung die
Lotterie bewilligen, die nötig ist, um die Mittel für den
Freiberger Dombau zu beschaffen. Der Sieg des Entwurfs
von Bruno Schmitz bedeutet zugleich einen Sieg der mo-
dernen Anschauung auf dem Gebiete der Denkmalpflege,
daß alte Baudenkmäler nicht in sklavischer Nachahmung
der alten Stile, sondern im Geiste der jeweiligen Zeit er-
gänzt und erneuert werden sollen.

AUSSTELLUNGEN
Große Berliner Kunstausstellung. Von den großen
Jahresausstellungen der Glaspaläste in einer Kunstzeitschrift
zu berichten, würde sich beinahe erübrigen, da das Bild
seit der Gründung der Sezessionen von Jahr zu Jahr sich
kaum verändert. Und es ist auch nicht möglich, den 3000
Nummern, die der Katalog zählt, im Rahmen eines kurzen
Referates nur annähernd gerecht zu werden. Trotzdem
wäre der Versuch einmal lohnend. Es sollte einmal im
einzelnen gezeigt werden, welche Summe von Unkunst hier
aufgestapelt wird, und wenn eine Bewegung zugunsten
 
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