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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 43. 18. September 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden ,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

LITERATUR

Emil Waldmann, Griechische Originale. Leipzig, E. A.
Seemann. (Gebunden M. 8—.)
Emil Waldmanns Buch »Griechische Originale« gibt
eine knappe und anschauliche Darstellung der griechischen
Kunstentwicklung nach ihren wesentlichsten Zügen. Der
Grundgedanke des Buches, den Text nur durch Abbildungen
erhaltener Originalarbeiten zu unterstützen, stammt ebenso-
sehr aus dem modernen Kunsterkennen wie die Beurteilung
der einzelnen Werke, die von Klassizismus und historischer
Befangenheit frei ist. »Daß das echte ursprüngliche Kunst-
werk noch in Versehrtem Zustande wertvoller ist, als jede
noch so getreue Kopie des Ganzen«, daß jede Kopie das
Leben der Oberfläche tötet«, ist eine Einsicht, die sich in
der griechischen Kunstgeschichte noch nicht genügend durch-
setzte. Auf keinem anderen Gebiet der Kunstgeschichte hat
man so häufig versucht, den Stil der Bildwerke aus der
literarischen Überlieferung und aus späteren Kopien zu er-
fassen, ja erhaltene Arbeiten auf summarische Beschreibungen
und selbst Erwähnungen hin einem bestimmten Meister
zuzusprechen. In dieser Hinsicht wirkt das Waldmannsche
Buch reinigend. Zugleich kann naturgemäß von keinem
anderen Standpunkt das Niveau der griechischen Kunst so
hoch wiederhergestellt werden als von diesem. Der Text
bezeichnet die wichtigsten Aufgaben und Lösungen der
griechischen Plastik und würdigt die erhaltenen Werke nach
ihrer zeitlichen Folge. Die wissenswerten Einzelheiten sind
in glücklicher Anordnung den Tafeln beigefügt: Notizen über
Material, Größe, Fundort, Zeit und Schule, eine kurze Be-
zeichnung des Gegenstandes und der Literatur, und Angabe
der erhaltenen Polychromie. Ein Vergleich der Daten für
die einzelnen Funde, die möglichst angegeben sind, be-
leuchtet den erstaunlichen Anteil des 19. Jahrhunderts
an der Wiederentdeckung auch dieser, allerdings niemals
vergessenen Kunst, die seit tausend Jahren in immer erneuter
Renaissance auflebte und voraussichtlich auch in diesem
Jahrhundert, vor dem historisch geschulten Blick neue Deut-
lichkeit gewinnend, wieder zum lebendigen Bildungselement
werden wird. Selbst den Kenner der griechischen Kunst
wird es überraschen, daß unter den 80 Bildwerken aus der
Frühzeit bis zum Jahre 450 nur der Neapeler Kopf Tafel 50
vor 1800 gefunden ist. Der Blütezeit des 5. Jahrhunderts
sind 45 Tafeln gewidmet. Neben den Parthenonskulpturen
(12Abbildungen) sind nur derDornauszieher, der Idolino und
der Bronzekopf Tafel 123 ältere Funde. Von 47 Abbildungen
aus dem 4. Jahrhundert kommt nur der Kopf Tafel 159/60
aus dem 18. Jahrhundert auf uns und selbst von den 34 Ab-
bildungen aus der Spätzeit waren nur etwa 4 mit Sicher-
heit vor dem 19. Jahrhundert bekannt. Besonders schmerz-
lich ist der Mangel an Originalarbeiten des Polyklet, Myron
und Phidias. Da der Verfasser im Idolino den Stil Polyklets
erkennt, ist nicht einmal ein Schulbild des Meisters von
Eleutherae vorhanden. Reicher sind in unserem Kunstbesitz
die führenden Künstler des 4. Jahrhunderts vertreten, und
von den Leistungen der ausgehenden griechischen Kunst
geben die Tafeln eine gute Vorstellung. Wenn der Verfasser
im Vorwort das zahlenmäßige Überwiegen des 6. Jahr-
hunderts bedauert, das unserem Bestand an Originalwerken

entspricht, so werden ihm viele Leser gerade für diese
vortreffliche Bilderreihe besonders danken, deren Werke
vom rein sachlichen Standpunkt des Künstlers aus gesehen
die größten Vorzüge aufweisen, gleichviel welche Aufgaben
der Plastik sie ausschließen und aus welchen Gründen sie
dies tun. Ihre Verfertiger waren die elementaren Genies, die
das Schicksal der griechischen Kunst entschieden. Der Text,
der wieder die entscheidende Wirkung der Hildebrandschen
Schrift auf unsere Kunsterkenntnis bestätigt, wird auch dem
Kunstwert dieser Arbeiten vollkommen gerecht. Zumal in
der hohen Einschätzung des Typhongiebels und des un-
vergleichlichen Kalbträgers, die an künstlerischem Ernst die
ionischen Leistungen, selbst eine so fesselnde Arbeit wie die
Gruppe des Theseus und der Antiope überragen. Im Zu-
sammenhang dieser griechischen Reihe, etwa neben dem
herrlichen Torso Tafel 17, dem Fries des Knidierschatzhauses
und der Athene im Kampf mit dem Giganten, neben dem vor-
trefflichen Berliner Kopf Tafel 32, haben so voneinander ab-
weichende Werke, wie der (cyprische) Kopf Tafel 28, der
Rampinsche Tafel 33 und das Charitenrelief Tafel 34, etwas
stilistisch Befremdendes. Ihre Abweichungen lassen sich
vielleicht doch nicht aus provinzieller Befangenheit allein er-
klären. In den folgenden Abschnitten ist besonders die vor-
zügliche, endlich einmal uneingeschränkte künstlerische -
Würdigung der Ägineten zu begrüßen. In dem Kapitel über
den Rhythmus die Charakteristik Polyklets, der als Künstler
gar nicht hoch genug gewertet werden kann. Ein Meister
von der Art und dem Gewicht des Jan van Eyck, an dessen
plastischer Logik und Solidität, die nicht zu überbieten war,
sich Künstlergemerationen orientierten. So blieb Phidias
nur noch übrig, den »Schwerpunkt des Kunstschaffens aus
der rein plastischen in eine mehr geistige und ethische
Sphäre zu verlegen«. Die Bildwerke wollen nun nicht mehr
einzig plastische Schöpfungen sein, sie werden geistige
Idealbilder. Von den herrlichen Gestalten dieses Kreises
wünschte man neben den Parthenonfiguren und der
schönen Wiedergabe der Kore vom Erechtheion Tafel 118
eine Abbildung des Berliner Frauentorsos zu finden. Der
folgende Weg der Kunst wird sehr lebendig mit der so-
matischen Überlieferung in Parallele gestellt, und deutlich
heben sich von dem gemeinsamen künstlerischen Hinter-
grund einer neuen Zeit die Profile des Praxiteles und Sko-
pas ab. Die Summe der Kunstleistungen des 4. Jahrhunderts
auf dem Gebiet des Reliefs zieht Waldmann in einem Ver-
gleich der Mausoleumsskulpturen mit den Arbeiten vom
Parthenon und aus Phigalia, für die Goethe so temperament-
voll eintrat. Die Kunst des Lysipp wird überzeugend als
die Äußerung einer schöpferischen Reaktion dargestellt,
die sie tatsächlich gewesen ist. Das Schlußkapitel faßt die
wesentlichen Züge der hellenistischen Kunst zusammen
und klingt in einer Würdigung der Reliefs von Pergamon
aus. Dem gewaltigen Fries »der letzten monumentalen
Leistung der griechischen Skulptur, von der wir wissen«
sind 7 Tafeln entnommen, die das künstlerische Vermögen
der Zeit dokumentieren, zumal so zerfließenden Konzep-
tionen gegenüber, wie die weiblichen Köpfe Tafel 177 und
189 und die jenseits der plastischen Kunst stehende, psy-
chologisch nicht uninteressante Bildwiedergabe des Euthy-
demos von Baktrien Tafel 185. Wie direktionslos im künst-
 
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