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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Neues aus Ägypten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0242

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 32. 1. Mai 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

NEUES AUS ÄGYPTEN

Im Winter 1913/14 hat Herr Legrain, Directeur
des travaux der Ägyptischen Altertümerverwaltung,
bei den Aufräumungsarbeiten in Karnak vier kunst-
historisch und geschichtlich interessante Statuen ge-
funden, die das ägyptische Museum in Kairo um ein
paar Glanzstücke bereichern. Die Statuen standen in
einer Reihe, seitlich neben einem Koloß vor einem
zum Muttempel führenden Pylon des Ammonstempels.
Zwei der Statuen sind wichtige Seitenstücke zu der
bekannten hockenden Statue des Amenophis, Sohn
des Habu, die im Jahre 1901 ebenfalls in Karnak
zutage gekommen war. Während die eine den
Minister Amenophis' III. darstellt in dem biblischen
Höchstalter von 80 Jahren, mit faltigem Gesicht, ein-
gefallenen Zügen, in der patriarchalischen Würde des
Heiligen und Weisen, so wie er im Gedächtnis des
Volkes weiterlebte, zeigen ihn die beiden neuen Statuen
aus grauem Granit in Lebensgröße, verjüngt um ein
halbes Jahrhundert, in der charakteristischen Haltung
des Schreibers und Gelehrten, die Beine überge-
schlagen, einen halb aufgerollten Papyrus auf den
Knien, die Finger der rechten Hand zum Schreiben
geschlossen. Während die Schreiberstatuen des Alten
Reiches fast stets mit aufgerichtetem Kopfe dasitzen,
mit geradeaus blickenden Augen, ist bei den Statuen
des Amenophis Kopf und Nacken in weicher Krüm-
mung nach vorne geneigt, der Blick scheint sich auf
die Buchrolle zu senken (s. a. die Darstellungen von
Schreibern bei Benedite, Scribe et Babouin, Fondation
E. Piot, Paris 1912), aber trotzdem macht der »Erb-
und Gaufürst, der königliche Schreiber und Schreiber
der Rekruten Amenophis, Sohn des Habu« den Ein-
druck eines Mannes, der weiß, was er will und der
ahnt, daß er zu den Unsterblichen gehören wird. Seine
Weisheit wurde für die Ägypter und Griechen zur
Legende. Man stellte ihn in Gesellschaft der Götter
dar, seine Statuen wurden als Orakel befragt, und
noch zur Zeit des Tiberius meißelte man seine Sprüche
als mächtigen Zauber auf die Wände der Tempel.
Die Statuen des Amenophis sind in dem großzügigen,
technisch gewandten Stil der Blütezeit der zweiten
thebanischen Kunstepoche gearbeitet.

Die beiden anderen Statuen stellen einen hohen
Beamten unter Haremheb dar, den »Erbfürsten im
ganzen Lande, den Stadtvorsteher und Vizier Pa-Ra-
mossu« ebenfalls in der Haltung des Schreibers. Das
weite Gewand der Viziere des Neuen Reiches macht
die übergeschlagenen Beine unsichtbar.

Diese vier Statuen von Karnak zeigen in Auf-
fassung und Arbeit so große Ähnlichkeit, daß man
sie, wenn nicht demselben Meister, so doch sicher
derselben Schule zuschreiben darf, zumal da beide

Gruppen höchstens dreißig Jahre auseinanderliegen
können. Auf Grund der hohen Titulatur des Pa-
Ra-mossu vermutet Herr Legrain, daß der Vizier des
Haremheb der spätere Begründer der 19. Dynastie
geworden ist und als Ramses t. die Doppelkrone ge-
tragen hat.

Im Ägyptischen Museum zu Kairo ist vor kurzem
der Deckel des Sarges Amenophis IV. - Echnaton
ausgestellt worden, dessen Persönlichkeit und Werk
durch die Grabungen der Deutschen Orient-Gesell-
schaft in Teil el-Amarna und die damit verbundene
Ausstellung im Berliner Museum in den Vordergrund
des Interesses gerückt worden sind. Die Mumie und
der Sarg des Königs wurden von dem amerikanischen
Ägyptologen Theodor Davis im Jahre 1907 im Tal
der Königsgräber bei Theben gefunden in einem
Felsverließ, das schon in alter Zeit erbrochen und
verwüstet worden war. Der frühere Conservateur
adjoint am Museum, Herr Daressy, hat den Sarg
nach jahrelanger Arbeit soweit wiederhergestellt, daß
er das Schmuckstück des Kairener Museums werden
konnte. Der Sarg ist aus Zedernholz gefertigt und
paßt sich in Form und Modellierung dem mumi-
fizierten menschlichen Körper an. Das Gesicht ist
bedeckt von einer goldenen Maske, eine früher wohl
bemalte Holzperücke umrahmt das Haupt. Ursprüng-
lich scheint die ganze Oberfläche des Sarges mit einer
Stuckschicht überzogen worden zu sein, die selbst
wiederum mit Goldblech bedeckt wurde. Aus der
goldenen Verkleidung und dem Stuck wurden dann
die zur Aufnahme von buntfarbigen Einlagen be-
stimmten Muster herausgeschnitten. Auf diese Weise
wurde der breite Halsschmuck hergestellt, der aus
sieben Reihen verschiedenartiger Muster grüner, weißer,
blauer und roter Fayencen besteht. Der übrige Teil
des Körpers zeigt Ornamente, wie sie schon vor dem
Anfang der 18. Dynastie für die Dekoration der Särge
üblich wurden in Anlehnung an ein Motiv, das den
Leib des Verstorbenen eingehüllt darstellt in die
schützenden Fittiche einer Göttin. Ein breites, längs
der Mitte des Körpers verlaufendes Goldband hat
folgenden Text in buntfarbigen eingelegten Hiero-
glyphen: »Der gute Herrscher, Teil des Sonnengottes
Re, König von Ober- und Unterägypten, lebend von
Wahrheit, Herr der beiden Länder (dann der ausge-
kratzte Name des Königs), das schöne Kind des Aten
(d. h. des von Amenophis IV. verehrten Sonnengottes),
des lebenden, der da leben wird von Ewigkeit zu
Ewigkeit.« Der Sarg Echnatons ist wohl der kost-
barste und interessanteste, der bis jetzt in ein ägyp-
tisches Museum gekommen ist.

Es ist für das Kairener Museum ein Glück, daß
die Altertümerverwaltung den einzigartigen Sarg und
 
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