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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Dreyfus, Albert: Die Ausstellung der Indépendants in Paris
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0219

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Nekrologe — Personalien — Ausgrabungen

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mit seiner Plastik den ersten Platz ein. Man kann aller-
hand gegen die von ihm beliebte Manier, die Körper zu
verlängern und einzuschnüren, als sei ein Nudelholz über
sie gegangen, einwenden. Innerhalb der Ausdrucksmöglich-
keiten des Künstlers bedeutet sie (ähnlich wie bei Oreco)
Steigerung des Lebensgefühls, und als solche muß man
sie gelten lassen. Radierte rhythmische Studien, die
Lehmbruck ausstellt, beweisen überdies, daß seine Art an
einem sorgfältigen Naturstudium geschult ist. Als eine
Neuerscheinung ist mir der Barmer Addo Wuster aufgefallen.
Malt er auch mit schwärzlichen Tönen, der Expressionismus,
dem er in seinem »Paar am Kaffeehauslisch« huldigt,
interessiert. Er versteht zu vereinfachen und dabei doch
zu vibrieren. Auch Alfred Kirstein bemüht sich mit Erfolg
um einen eigenen Stil. Warum aber sehen seine Land-
schaften so ausgelaugt und glasig aus, als kämen sie von
dem Meeresgrund her und nicht von der Erde? — Richard
Bloos zeigt diesmal zwei Radierungen, Ausschnitte aus dem
Pariser Leben, von glänzender Beherrschungdes Technischen.

Die Signatur dieses Salons, seiner Avantgarde wenigstens,
ist Reaktion auf den Impressionismus, theoretisches Grü-
beln, Mißachtung der Natur und des Naturstudiums, alles
Negationen, die einer impulsiven Aufwärtsbewegung hinder-
lich sind. Immerhin sind Anzeichen von Besserwerden vor-
handen. Tobeens »Kanallandschaft« und »Netz« ziehen das
Fazit aus dem Kubismus: das Anstreben einer Realität ohne
Nachahmung der Natur. (Ein Satz aus Legers Ästhetik.)
Aber dabei verzichtet er nicht auf die Errungenschaften
des Impressionismus, auf die farbig nüancierte, lichtab-
gestufte Erscheinung. Eines versteht er durch das andere
zu steigern, und er ist nicht imstande, innerliches Leben
aus mathematischen Erwägungen heraus abzutöten. Auch
Segonzac ist unter den Jüngsten ein echt malerisches Tem-
perament. Zwar zieht er immer noch eine dunkle Farben-
gebung vor, aber sie hat einen Cellocharakter, der den
Stilleben, die er ausstellt, einen eigenen, reichen, emotio-
nierenden Klang verleiht. Solange man sich noch um das
Konstruktionsproblem müht, weicht man gerne der leb-
haften Farbe, dem starken Licht aus. So malt auch Luc
Moreau nicht hell. Seine Stärke ist trotz mancher noch
vom Kubismus herrührenden doktrinären Deformationen
seine Charakterisierungskunst. Jedenfalls hat er die beste
Porträtleistung unter den Jungen aufzuweisen.

Albeft Dreyfus.

NEKROLOGE

Am 19. März verstarb im Alter von vierzig Jahren
Dr. Franz Jaworski, Archivar der Stadt Lemberg und
eifriger Forscher der künstlerischen und kulturellen Ver-
gangenheit Polens. Seine zahlreichen, mit großem schrift-
stellerischen Talent geschriebenen Arbeiten beschäftigten
sich hauptsächlich mit der Geschichte und den Denkmälern
Lembergs; es seien genannt: »Das Lemberger Rathaus«,
»Lemberger Exlibriszeichen« (2 Bände), »Alt-Lemberg«,
»Historische Ringe«, »Polnische Medaillen«.

PERSONALIEN
* Georg Wrba. Um den Bildhauer Prof. Georg Wrba in
Dresden zu halten, beantragte in der Sitzung derStadtverord-
neten am 27. März der Vizevorsteher Dr. Vogel, dem Künstler
die Ausschmückung des Platzes vor dem neuen Rathaus
in Dresden zu übertragen und dafür auf acht Jahre je
25000 Mark in den städtischen Haushalt einzustellen unter
der Voraussetzung, daß die Dr. Güntzsche Stiftung (d. i.
der Dresdner Anzeiger) die gleiche Summe zur Verfügung
stelle. In namentlicher Abstimmung wurde der Antrag an-
genommen, nachdem Oberbürgermeister Beutler auf den
zweifelhaften Erfolg der Wettbewerbe hingewiesen halte.

Darauf wurde mit 35 gegen 35 Stimmen der Antrag Vogel
angenommen, wobei die Stimme des Vorsitzenden den
Ausschlag gab. Prof. Wrba wird nun zunächst einen Ent-
wurf zu der Brunnenanlage machen. Wird er angenommen,
so wird Wrba die Ausführung für 400000 Mark übertragen.
Man darf darnach annehmen, daß Wrbas Verbleiben in
Dresden gesichert ist. Die freie Übertragung großer künst-
lerischer Aufträge hat sich in Dresden, wie vor allem die
Errungenschaften des 18. Jahrhunderts erweisen, glänzend
bewährt; sicherlich wird das im vorliegenden Falle auch
wieder der Fall sein. — Ein Wettbewerb für die Dresdner
Bildhauer steht übrigens auch bevor: für das Richard
Wagner-Denkmal sind bisher 30000 Mark gesammelt;
die Stadt oder die Dr. Güntzsche Stiftung wird weitere
30000 Mark bewilligen. Alsdann soll der Wettbewerb aus-
geschrieben werden.

AUSGRABUNGEN
Römische Ausgrabungen in Wroxeter. Seit einigen
Jahren werden in Wroxeter am Severnufer Ausgrabungen
gemacht, an der Stätte des römischen Viroconium Corno-
viorum, was englische Archäologen oftmals unrichtig Urico-
nium genannt haben, und wo wahrscheinlich in den ersten
Jahren der Eroberung Britanniens die Legio XIV Gemina
ihr Lager hatte. In der Flavierzeit wurde es eine Land-
stadt mit Zivilbasilika, Bädern und rechtwinkligem italieni-
schen Straßenplan, wie ihn Silchester und Caerwent auch
haben (s. Haverfield »Ancient Town Plannig«); Wroxeter
war als Ersatz des keltischen Oppidum am Berge Wrekin
gegründet. In der späteren Kaiserzeit umschlossen die
Mauern eine Stadtfläche von 70 Hektaren, mehr als die
Hälfte des Raumes, den das alte römische London mit
133 Hektaren umschloß. — Im Jahre 1913 wurden, wie jetzt
in der Sitzung der Society of Antiquaries mitgeteilt wurde,
zwei Gebäude aufgedeckt, von denen das eine ein Tempel,
das andere ein großes Wohnhaus war. Das letztere war
fast 40 m an der Front lang und lief von der Straßenlinie
über 65 m zurück, ohne daß man bis jetzt bis an das Ende
gekommen ist. Der Tempel, mit ca. 30 auf 17 m, bestand
aus einer Plattform, die eine Cella trug, welche hinten an
einen umzäunten Raum mit gepflastertem Hof anstieß; der
Eingang von der Hauptstraße führte in eine Säulenhalle
mit sechs Säulen. Gemäß den Funden von ausgearbeiteten
Architekturfragmenten muß das Gebäude kunstvoll ausge-
führt gewesen sein. Man fand auch Teile von mehreren
lebensgroßen Statuen, ferner einen Pferdekopf und einen
kleinen weiblichen Kopf aus Stein; auch Fragmente einer
Bronzestatue wurden gefunden. Obwohl Teile von zwei
Altären an das Licht kamen, ließ doch keine Inschrift irgend-
wie erkennen, wem der Tempel gewidmet war. Der Typus
des Tempels ist der in römischen Städten außerhalb Italiens
übliche, wie sie auch sonst auf dem Kontinent und in Nord-
afrika gefunden wurden. Das Gebäude wird um die Mitte
des 2. Jahrhunderts n. Chr. gebaut worden sein und kam
am Ende des 3. Jahrhunderts außer Gebrauch. Unter den
Kleinfunden waren Spangen, Nadeln, Ornamente; besonders
bemerkenswert war eine Amethystgemme mit der Darstel-
lung einer Venus, ein kleiner Cameo mit Medusenhaupt und
ein feingeschnitzter Messergriff in Form eines kauernden
Tigers. Zahlreiche samische (der übliche falsche, in Eng-
land gebräuchliche Ausdruck für Terrasigilata) Töpfereien
wurden gefunden, die auf das 1. Jahrhundert n. Chr. zu-
rückgehen. Die Töpfermarken sind ungefähr 200 an der
Zahl, die meisten der großen kontinentalen (rheinische,
gallische, italienische) Fabriken sind dabei repräsentiert.
476 Münzen, von der republikanischen Periode bis in das
4. Jahrhundert reichend, wurden 1913 gefunden, nachdem
eine fast ebenso große Zahl schon 1912 ans Licht
 
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