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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Uhde-Bernays, Hermann: Albert von Keller
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0252

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485

Nekrologe — Personalien — Ausstellungen

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selten die nächste Generation, und ihre Taten werden
Registraturblätter der Kulturgeschichte. Aber ergibt
sich bei der Nachprüfung derer nach uns, denen wir
nicht ungern dazu das Recht vererben, statt Ver-
dammung Freispruch, ist wirklich das Werk eines
Meisters aus dem siegreichen Ringen des Genius mit
den lebendigen Mächten seinerzeit entstanden, scheint
es also nur nach zwei Richtungen die Arme zu reichen,
während es in Wirklichkeit doppelte Kräfte betätigte,
dann hat es zunächst Anwartschaft auf den Dank der
Nachwelt. Ob Albert von Keller wohl zu den Wenigen
gehören wird, die trotz dem Beifall der Mitwelt auf
diesem Wege zur Unsterblichkeit gelangen? Das steht
dahin und ist am heutigen Tage zu untersuchen
auch nicht unsere Sache. Mancher Befürchtung, die
sich entgegen drängt, steht wiederum manche Zustim-
mung gegenüber, und um gerecht zu wägen, über-
sehen wir doch wohl noch nicht unbefangen genug
die jüngste Vergangenheit, die wir miterlebt haben, wie
wir auch das kommende Jahrzehnt gerne subjektiv
vorausprophezeien. Schon die Pflicht, einen solchen
Gedanken auszusprechen, bekundet Albert von Kellers
Bedeutung für die deutsche Kunst der Gegenwart.
Schwerer als sonst macht es uns der Meister, der mit
jugendlicher Gebärde, Lebenskünstler trotz allem wi-
derfahrenen Leid, Lebensprüfer trotz aller genossenen
Lust, allem erreichten Erfolg, die Schwelle des neuen
Jahrzehntes überschreitet — vielleicht noch entgegen
einer neuen Höhe beruhigten Schaffens in künst-
lerischer Klarheit seines Willens.

NEKROLOGE
Mit Professor Richard Berthold, Lehrer der Holz-
schneidekunst ander Akademie für Buchgewerbe und Graphik
in Leipzig, ist einer der trefflichsten und angesehensten
Holzschneider Deutschlands hingegangen. Richard Berthold
verdient besonders an dieser Stelle ein herzliches Gedenken,
weil er in den achtziger und neunziger Jahren einen großen
Teilder Illustrations-Holzschnitte nach alten Meistern, welche
die kunsthistorischen Aufsätze der »Zeitschrift für bildende
Künste begleiteten, geschnitten hat. — Als dann später die
mechanischen Vervielfältigungsarten den reproduzierenden
Holzschnitt zum Aussterben brachten, wandte sich auch
Berthold moderneren Aufgaben zu und hat in seiner akade-
mischen Lehrtätigkeit in der Stille fruchtbar und anregend
gewirkt. Er ist sechzig Jahre alt geworden: am 7. Mai
1854 war er in Leipzig geboren und verstarb am 27. April
daselbst.

PERSONALIEN

* Für den Dresdner Maler Georg LUhrig spricht sich
eine Petition aus, die kürzlich den Dresdner Stadtverordneten
zuging. Sie lautet:

Der künstlerische Erfolg der in jeder Beziehung starken
und hervorragenden Fresken von Professor Georg
Lührig im Treppenhause des Königlichen Mini-
steriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts
erregt allgemein den dringenden Wunsch, noch weitere
Werke seiner Hand an ähnlicher Stelle zu sehen. Unter-
zeichnete hegen die sichere Zuversicht, daß ein derartiger
Auftrag seitens der Herren Stadtverordneten das Entstehen
von Werken zeitigen wird, welche sowohl für die Kunst
überhaupt, als insbesondere für unser Sachsen von dauern-
der Bedeutung sein werden. Wie die Kunstgeschichte zur

Genüge beweist, hat, wo die Persönlichkeit des Künstlers
nicht die Eigenschaft besitzt, sich praktisch durchzusetzen,
die Kunst oft schon schwere Verluste erlitten; dies be-
weisen zum Beispiel in neuerlicher Zeit die klaffenden
Lücken im Lebenswerke eines Hans von Marees. Unter-
zeichnete wenden sich daher an die Herren Stadtver-
ordneten mit der ehrerbietigen wie dringenden Bitte, der
so bedeutenden Künstlerpersönlichkeit Professor
G. Lührigs durch einen monumentalen Auftrag Gelegenheit
zu geben, sich anderweit erfolgreich zu betätigen.

Unterzeichnet ist dieses Gesuch von nicht weniger als
sechsundsiebzig Dresdner Künstlern, von denen die große
Mehrzahl der Kunstgenossenschaft angehört; jedoch sind dar-
unter auch gegen fünfzehn Namen von Künstlern der Dresdner
Künstlervereinigung, also Gegnern der Kunstgenossenschaft,
darunter Gotthardt Kuehl, Robert Diez, Robert Sterl, Ferdinand
Dorsch u. a. Diese Eingabe ist ein glänzender Beweis der
allgemeinen großen Wertschätzung, deren sich Georg
Lührig unter seinen Kunstgenossen erfreut. Die genannten
Fresken sind eine ganz hervorragende Kunstleistung, und
wenn Lührig bisher nicht mehr zur Geltung gekommen ist,
so liegt das nur daran, daß er keiner der herrschenden
Schulen angehört, sondern ein Mann eigener Kraft und
Persönlichkeit ist. Die Stellung, die er gegenwärtig inne
hat — er ist Lehrer der Anatomie in der Mädchenabteilung
der Königlichen Kunstgewerbeschule — entspricht seiner
Bedeutung in keiner Weise. ^

AUSSTELLUNGEN

Aus den Berliner Kunstsalons. Die großen Worte,
mit denen in den letzten Jahren die jungen Talente von
begeisterten Freunden begrüßt wurden, und die hohen
Ansprüche, mit denen sie selbst nicht selten auftraten,
mußten sehr bald im gegenteiligen Sinne wirken. So
viele Genies hatte noch keine Zeit erzeugt. Und man darf
zufrieden sein, wenn auf die Dauer eine Reihe tüchtiger
Talente bleiben. Mehr gab es auch vor 15 Jahren nicht.
Nur das bleibt zu hoffen, daß wie damals allmählich sich
deutlicher die Führer aus der großen Schar der mittleren
Begabungen abheben werden. Heute ist das Bild noch
einigermaßen chaotisch. Aber die haben Unrecht, die die
neue Bewegung bereits negieren, weil der Strom nun,
nachdem er durchgebrochen ist, breiter fließt. Das Ge-
schehene ist nicht mehr rückgängig zu machen. Eine
andere Generation hat sich Platz geschaffen. Ihr gehört
das Feld, und wir müssen nun ihrer Taten harren. Be-
trachtet man Alexander Kanoldt unter dem Gesichtswinkel
der Publikation, die von der Neuen Künstlervereinigung in
München veranstaltet wurde, so erlebt man vor seinen
harmlosen Städtebildern allerdings eine arge Enttäuschung.
Sieht man aber von den hochtrabenden Worten ab, mit
denen dort »das neue Bild« verkündet wurde, so bleibt ein
liebenswürdiges Talent, in seiner Art nicht stärker als eine
der mittleren Begabungen der älteren Generation, in seinem
Stile aber zeitgemäßer, indem hier Cezannes Anschauungs-
form auf dem Wege, den Derain beschritten hat, fort-
geführt wird. Auch über die Bilder von Schmidt-Rottluff
wird man sich nicht aufregen dürfen, nachdem die Stil-
formel einmal zugegeben ist. Man wird sogar auf dem
Grunde der angeblich wüsten und rohen Formgebung ein
allzusehr im Dekorativen befangenes Talent spüren. Ehrlich
künstlerisches Wollen unterscheidet ihn jedenfalls von den
geschmäcklerisch aufgeputzten, eklektischen Paraphrasen,
die der rasch berühmt gewordene Weinzheimer zeigt. Neben
diesen Künstlern, die man nebeneinander in Gurlitts Kunst-
salon sieht, steht diesmal eine Kollektion von Bildern
Karl Hofers bei Paul Cassirer als besser fundierter Besitz.
 
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