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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Zeitler, Julius: Ein neues Kunstgewerbe-Museum in Leipzig
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0260

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50i

Nekrologe —

Ausstellungen

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nun brachen sich ähnliche oder verwandte Be-
strebungen so sehr Bahn, daß es notwendig erschien,
die Spezialisierung auf ein Gebiet fallen zu lassen
und das ganze moderne Kunstgewerbe in den Bereich
des Interesses zu ziehen. Es haben sich andere Städte
so sehr der neuen Ideen und Aufgaben angenommen,
daß eine Beschränkung halbe Arbeit wäre; damit
wäre aber nichts getan. Hagen, München, Hamburg,
Köln regen sich gewaltig, mit der ganzen Wucht
seiner Propaganda wirft sich der Werkbund in die
Bewegung, da wäre es gefährlich für eine so wich-
tige Handels- und Industriestadt wie Leipzig, zurück-
zubleiben. Abgesehen von dem schon oben ge-
schilderten allgemeinen Nutzen jener modernen Schau
für die Messe wie für die Stadt, würde es sich auch
darum handeln, mittels dieser Qualitätsschau das
Interesse des Werkbundes der Messe zuzuwenden,
seine Qualitätsprinzipien in einem durchaus fried-
lichen Fortschreiten dem Meßhandel und Meßumsatz
zugute kommen zu lassen. Jene konkurrierenden
Städte beobachten das Zögern Leipzigs, gerade den
Meßhandel hoffen sie anzugreifen, indem sie, wie
München, die Einrichtung einer Qualitätsmesse
aufs eifrigste zu treffen im Begriffe sind. Was die
Fürsorge für die Leipziger Messe selbst anlangt
und vielleicht einige Bedenken um sie, so muß doch
erwogen werden, daß außer der quantitativen Steige-
rung gerade in den letzten Jahren auch eine quali-
tative Intensivierung vor sich ging. Nur Kurzsichtig-
keit kann bestreiten, daß der Qualitätsgedanke in
der Leipziger Messe nicht im Wachsen begriffen
wäre. Die Umfrage, die das Kunstgewerbemuseum
besonders auf Anregung des Meßausschusses der
Handelskammer an Fachleute und interessierte In-
dustrien richtete, bestätigte in überwiegendem Sinne,
daß diese Kreise die Hervorhebung der kunstgewerb-
lichen und kunstindustriellen Qualitätswaren als eine
kulturell und wirtschaftlich wichtige Aufgabe aner-
kennen. Wenn einige Stimmen Bedenken gegen
eventuelle Musternachahmung aussprachen, so muß
dem entgegengehalten werden, daß bei solchen Be-
denken überhaupt keine Ausstellungen, nirgend wo
in der Welt, stattfinden dürften, vor allem nicht in
den Schaufenstern unserer Geschäftsstraßen. Qualität
läßt sich nicht stehlen, nicht rauben, man hat sie
oder hat sie nicht, und es wäre doch eher wünschens-
wert, daß immer mehr Produzenten sie beherzigten,
eingedenk des Grundsatzes, daß mit der besten Ware
allemal das beste Geschäft zu erzielen ist. Gerade
das Ausstellungshaus für modernes Kunstgewerbe
bietet in diesem Sinne zu solchen Befürchtungen gar
keinen Anlaß.

Damit wären die Ziele und Aufgaben des neuen
Kunstgewerbemuseums, wie sie besonders aus Leip-
ziger Boden erwachsen sind, umschrieben, und bei
solchen Aussichten muß der Hoffnung Ausdruck ge-
geben werden, daß sich der Plan dieser neuen Kunst-
stätte in Bälde verwirklichen möge._

NEKROLOGE
Am 25. April starb zu Nizza, 72Jahre alt, der holländische
Bildhauer und Graveur Ferd. Leenhoff. Leenhoff gehört

mit seiner Kunst mehr nach Frankreich, wo er an der
Pariser Akademie unter Mazzara studiert und sich fast ein
halbes Leben aufgehalten hat, als nach Holland. Werke
von ihm finden sich in Paris im Stadthaus und im Museum
von Angers; verschiedene Denkmäler von seiner Hand gibt
es auch in Holland, in Hoorn das Standbild von Coen,
in Amsterdam das von Thorbecke, im Rijksmuseum einen
Perseus, eine Echo, eine Biblis, eine Kopie nach dem
Bildwerk im Bois de Boulogne, ferner das Gipsmodell für
das Standbild der Brüder de Wit. In den Radierungen nach
eigener Erfindung wie der nackten Frau, auf der ein Amor
reitet und ähnlichen Sujets verrät sich der Bildhauer,
der an schön modellierten klassischen Formen Gefallen
findet; in den Radierungen nach Werken anderer Künstler
zeigte er ein feines Anpassungsvermögen, wie in einem
Interieur mit einer Bauernfamilie bei der Mahlzeit nach
Israels; es gibt auch eine Radierung von ihm nach Leibis
berühmten Dorfpolitikern aus der Sammlung Arnhold in
Berlin. — Leenhoff war auch eine Zeitlang Professor für
Bildhauerkunst an der Amsterdamer Akademie. m.D.h.

AUSSTELLUNGEN
Berlin. Die Mitglieder des Kaiser Friedrich-Museums-
Vereins veranstalten in der Königl. Akademie der Künste
eine Ausstellung ihrer neuen Erwerbungen. Die sieben
Säle geben ein erfreuliches Bild der zielbewußten Sammel-
tätigkeit, die sich unter Bodes Führung in Berlin entfaltet.
Begreiflicherweise überwiegt die niederländische Kunst.
Rembrandt und Rubens stehen voran. Zwei kleine Säle
gehören den Primitiven. Die Madonna des Gerard David
der Sammlung von Pannwitz ist hier die Perle. Den einen
der zwei Räume füllt eine Auswahl der besten Stücke aus
James Simons reicher Sammlung deutscher Holzbildwerke.
Das Kabinett gegenüber gehört beinahe ganz der Samm-
lung von Niederländern des Herrn Markus Kappel. Als
Schlußstück im Hauptsaale hängt der große Rubens, den
Leopold Koppel sein eigen nennt. Von Italienern ist Guardi
besonders reich und gut vertreten. Den großen Eingangs-
raum schmückt die prachtvolle Folge von Gobelins nach
Zeichnungen des Barent van Orley aus dem Besitz des
Grafen Tiele-Winckler. Die »Zeitschrift für bildende Kunst«
wird in ihrem nächsten Heft einen illustrierten Aufsatz
über die wichtige und interessante Ausstellung bringen.

Die Ausstellung der Royal Academy in London.

Es bedurfte wahrlich einer Sensation wie des Attentates
der Wahlrechts-Megäre auf Sargents meisterhaftes Bildnis
des amerikanischen Novellisten Henry James um der un-
sagbar langweiligen Royal-Academy-Ausstellung etwas
Interesse zu verleihen. Das Bild ward am Eröffnungstage
zerstört; aber der leere Raum an der Ehren wand des
Hauptsaales reizt sicherlich die Neugier des Academy-
Publikums mehr als das vernichtete Meisterwerk. Daß die
Suffragetten-Untat es unmöglich macht, Sargents Gemälde
mit Derwent Woods Marmorbüste desselben Autors zu
vergleichen, ist ungemein bedauerlich, da das gemeißelte
Bildnis ebenso hoch über allen anderen plastischen Werken
der Ausstellung steht, als Sargents Gemälde über allen an-
deren gemalten Bildnissen. Der Vergleich war insofern
interessant, als jeder der beiden Künstler seine Aufassung,
dem Material anzupassen wußte. Sargent gab seinem
genialen Modelle einen außerordentlich lebhaften Aus-
druck, einen absolut charakteristischen Moment hielt er
fest. Die Lippen sind halb zum Sprechen geöffnet, die
Augen durchdringend und fragend. In der Ausführung
ist keine verblüffende Bravour; doch jeder Pinselstrich
ist formgebend und in sich selbst bedeutend. Die Be-
obachtung ist ungemein fein. In Derwent Woods Büste
findet man nicht diese Intimität des Ausdrucks. Der
 
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