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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 ^ Nr. 41. 21. August 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

===== Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 42, erscheint Mitte September ====-

NEKROLOGE

Am 28. Juli starb zu Aibling in Oberbayern der Maler
Johann Sperl im Alter von 74 Jahren. (Er war am
3. November 1840 in Buch bei Nürnberg geboren.) Sperl
lebte im Bewußtsein der meisten fast nur als der Schatten
seines größeren Freundes Leibi, dessen Bauerndasein er
in Polling, Schondorf, Berbling, Kutterling und Aibling
geteilt hat. Den meisten fällt, wenn man von Sperl spricht,
wohl irgendeine Anekdote der Freundschaft ein, etwa
jene Geschichte, die davon erzählt, wie Leibi sich die
treue Neigung Sperls erwarb, indem er ihn einmal körper-
lich verteidigte. Die Einschätzung, die dabei für den
Künstler Sperl übrig bleibt, ist im großen ganzen sicher
zu bescheiden. Der innige Naturalismus Sperls ist in der
Kunstgeschichte eine Erscheinung für sich. Es ist nicht
damit getan, daß man die Abhängigkeit der Sperlschen
Mikroskopie von Leibi einfach konstatiert. Sperl war mehr
als die Tradition, die das Urteil über sein Talent bestimmt.
Es wird sich eines Tages lohnen, das Eigene, im Grund
wirklich Selbständige (wiewohl Begrenzte) der Anschauung
Sperls in einem besonderen kleinen Buch darzustellen. Dies
Buch würde weit mehr, als man denkt, ein besonderes
Werk und eine eigene Persönlichkeit enthüllen. h.

PERSONALIEN

Die Änderung in der obersten Leitung der bay-
rischen Galerien. Als vor drei Jahren Hugo von
Tschudi starb, schuf das bayrische Kultusministerium einen
wunderlichen Kompromiß. Es schuf einen Kompromiß,
der im Prinzip gesehen unmöglich war — gleichsam ein
Rückfall in das System der Kollegialregierungen des acht-
zehnten Jahrhunderts. Lediglich die Konzilianz und die
Verständigkeit der beiden mit der Führung der Pinakothek-
geschäfte betrauten Personen machte diesen im Prinzip
unsympathischen Kompromiß zu einer praktischen Mög-
lichkeit. Man berief an die Spitze der Pinakotheken einen
Mann, der durch Arbeit unter Tschudi und durch enge
persönliche Fühlung mit ihm mit den vortrefflichen Ver-
waltungs- und Sammlungsgrundsätzen dieses genialen
Strategen des Galerienwesens vertraut war und als bevor-
zugter Schüler Tschudis die Traditionen des Verstorbenen
am ehesten zu hüten berufen schien: Heinz Braune. Da
Braune aber ein junger Mann — ein Dreißiger — war,
gab das Ministerium ihm einen Mentor an die Seite, den
Maler Toni Stadler. Die Lösung war, wie gesagt, als
Prinzip eine Spitzfindigkeit; da aber die beiden Männer
künstlerisch eines Sinnes waren und Stadler zumal die
auch den neueren Dingen der Kunst zugekehrte Liberalität
Braunes teilte, gestaltete sich ihre gemeinsame Wirksamkeit
erfreulich. Die eigentliche Direktionsarbeit wurde dabei
von Braune geleistet. Daß er würdig gewesen wäre, an
Tschudis Stelle zu treten, zeigte sich alsbald. Tschudi
hatte die alte Pinakothek organisiert, indem er ihre Be-
stände erstaunlich vermehrte, die Bespannungen sehr ge-
schickt erneuerte und die Bilder in den veränderten Sälen
neu hängte. Was Tschudi für die alte Pinakothek getan
hatte, versuchte Braune für die neue. In der Tat machte

er — wie ja im vorigen Herbst hier in einem besonderen
Aufsatz auseinandergesetzt wurde — aus einer durch jahr-
zehntelange kümmerlichste Galeriepolitik verwahrlosten
Provinzsammlung, wie die neue Pinakothek es war, in
kürzester Zeit durch Veränderung der Räume, Ausscheidung
etlicher Hunderte minderwertiger Bilder und verblüffende
Vermehrung des Galeriematerials um entscheidende neue
Bestände ein modernes internationales Museum ersten
Ranges. Braune ging, soweit die Öffentlichkeit davon er-
fuhr, dabei sehr selbständig zu Werke —■ eine Tatsache,
die den Verdruß bureaukratischer Instanzen erregt zu haben
scheint. Nun las man in den Zeitungen des Juli, der
Leiter der modernen Galerie in Wien, Dornhöffer, sei als
Nachfolger Tschudis an die Spitze der bayrischen Galerien
berufen. Diese Nachricht erweckte in sehr weiten Kreisen
des kunstliebenden Publikums insofern ein peinliches Ge-
fühl, als man erwartet hatte, Braune werde, nachdem er
immerhin einen trotz Mängeln sehr stattlichen Beweis orga-
nisatorischer Initiative und weitschauenden künstlerischen
Urteils erbracht hatte, in die volle Kompetenz Tschudis ein-
gesetzt werden,sobald Stadler zurücktrete. Gewiß: juristisch-
formell war Braunes Stellung ein Provisorium. Aber tat-
sächlich war sie längst mehr. Man pochte auf das Pro-
visorium und suchte für die Leitung einen anderen Mann.
Es ist bedauerlich, daß dies unter Umständen geschah, die
diese Änderung als eine Zurücksetzung Braunes erscheinen
lassen. Andererseits darf dies alles die Beobachter dieser
Dinge nicht hindern, die Persönlichkeit des neuen General-
direktors mit freundlichsten Gesinnungen zu begrüßen. Dorn-
höffer ist ohne Zweifel eine Kraft, der man die Leitung der
Pinakotheken gern anvertraut weiß. Im ganzen dürfte
seine Praxis reservierter sein als die Braunes. Aber auch
sie wird nach aller Voraussicht eine tüchtige Praxis sein.
Im übrigen wird man im Interesse der Sache erhoffen, daß
sich eine gedeihliche Zusammenarbeit der beiden Herren,
Dornhöffers und Braunes, ergeben möge. Und man wird
zumal hoffen, daß Professor Braune seine Mitarbeit den
Pinakotheken nicht entziehen möge. Man kann nicht
zweifeln, daß von den Beteiligten alle persönlichen Ge-
sichtspunkte ausgeschieden und daß von ihnen die sach-
lichen Interessen der Galerien aufs Beste gepflegt sein
werden. h.

AUSSTELLUNGEN

Der Kunstsalon Gurlitt in Berlin veranstaltet eine
Ausstellung von Werken des Malers Henri Matisse. Es
ist in kurzer Folge die dritte Ausstellung der Art, und diese
Beharrlichkeit verdient besonderen Dank, da es sich noch
darum handelt, in Berlin zu zeigen, daß dieser Künstler,
der unter den Jüngeren in Paris ohne Frage der stärkste
ist, ernsthafte Beachtung verdient. Man darf nicht ver-
gessen, daß Matisse nun bald ein Fünfziger ist, daß er
nicht mehr zu den allzu jugendlichen Draufgängern zählt,
sondern eine ansehnliche Leistung aufzuweisen hat, die
von einem ungewöhnlichen Kunstverstande Zeugnis ablegt.
Das Problematische an seinen Werken tritt mehr und mehr
zurück, je öfter man ihnen begegnet. Es bleibt der unmittel-
bare Genuß an den reifen Schöpfungen des Erben einer
 
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