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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Kronig, J. O.: Zwei Selbstbildnisse von Samuel van Hoogstraten
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0039

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Nekrologe

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im Spiegel beobachtet. Auch das Kostümliche weist
auf Selbstporträts. Im Liechtenstein-Porträt muß die
goldene Kette ihm Vornehmheit verleihen, während im
anderen der eigentümliche lilagraue Rock ihn male-
rischer erscheinen lassen soll. Beides verrät den Nach-
folger Rembrandts, dessen Atelier er noch vor kurzem
mit so großem Erfolg besuchte.

Zum Schluß vergleiche man die beiden Jünglings-
bilder mit dem Bildnis Hoogstratens in seinem be-
kannten Buch über die Malerei (Inleydinge tot de
hooge School der Schilderkonst). Man wird in dem
älteren Mann noch dieselben Gesichtszüge wieder-
erkennen, j, o. KRÖN IQ.

NEKROLOGE

Hans v. Bartels f. Am 5. Oktober starb in München
der Maler Hans v. Bartels. Es ist eine unliebenswürdige
Pflicht, einen Künstler im Augenblick seines Todes abzu-
lehnen. Sie ist zweimal undankbar, wenn es sich um
einen Künstler handeil, der sich gewisse — allerdings
sehr knapp bemessene — Verdienste um die Malerei er-
warb und wenn man das Bewußtsein haben muß, mit
einem fast bedingungslosen Widerspruch unzählige red-
liche Sympathien zu kränken. Aber hier hilft nichts. Wenn
irgendwo und just in unserer tausend- und abertausend-
mal unbedenklich malenden Zeit nur die allergrößten
Maßstäbe gelten dürfen, dann da, wo die Kunst in Frage
steht. Bartels war ein sehr erfolgreicher Maler. Seine
Bilder wurden von offiziellen Persönlichkeiten gekauft,
denen die Motive seiner Darstellungen — Schiffe, See-
wasser und so fort — und der trainierte Vortrag kostbar
erschienen. Seine Bilder kamen sogar in die Museen; die
neue Pinakothek besitzt ein Aquarell von ihm, wiewohl
kaum eine Malerei im Grunde so wenig galeriefähig ist
wie die seine. Ich weiß nicht, wie Bartels seine Kunst
selber empfunden hat. Vielleicht machte er sich selber
gegenüber gar keine Prälensionen, wenn die Leute meinten,
seine Malereien seien eine außerordentliche Sache Er
könnte einer jener Aristokraten gewesen sein, denen die
Malerei eine faire Beschäftigung ist, die sich ihrer Grenzen
bewußt sind und die gar nicht den Anspruch erheben, für
Künstler in dem vollen Sinn des Wortes genommen zu
werden, weil sie schließlich gesellig zu kultiviert, zu adlig-
konservativ sind, um einen alles übrige ausschließenden
Beruf zu haben. Es ist nicht ohne symbolische Bedeutung,
daß Bartels das Aquarell liebte. Man kann sagen, was
man will: es ist die Technik der Amateure, und es wird
niemand imstande sein, sich Courbet oder Manet oder
auch nur Monet und Sisley oder etwa Israels und Lieber-
mann und andere Maler bedeutender Marinen als dezidierte
Aquarellisten vorzustellen. Vielleicht geht man weniger
gegen Bartels selbst als wider sein Publikum an, wenn
man seine künstlerische Bedeutung bezweifelt. Es ist nicht
gewiß. Aber der Gedanke wäre beruhigend.

Bartels wurde am 25. Dezember 1856 in Hamburg
als Sohn eines ehemaligen russischen Beamten aus In-
ländischem Geschlecht geboren. Er dilettierte früh. Den
ersten Unterricht gab ihm der Hamburger Marinemaler
Rudolf Hardorff. 1876 kam Bartels nach Düsseldorf: in
die Stadt der Traditionen der beiden Achenbach. Sein
direkter Lehrer war der harmlose Adolf Schweizer. Viel-
leicht hatte Bartels Hoffnungen auf einen großen Stil im
Sinn, als er nach Italien ging. Aber die Ausbeute der
vier italienischen Fahrten, die er zwischen 1879 und 1884
unternahm, erhob sich nicht über das Niveau des belang-
losesten landschaftlichen Genres. 1885 fixierte sich Bartels

in München. Er gedachte, sich von dort aus Italien an-
zueignen ; aber die Domäne seiner Interessen wurde zu-
sehends mehr die Wasserkante. Schon in den siebziger
Jahren hatte er aquarelliert; das Aquarell wurde seit der
Mitte der achtziger Jahre seine Vorzugstechnik. Seit
1890 malte er viel in Holland ; seit den neunziger Jahren
hat er auch die Küste von Cornwallis — ihrer starken
und weißen Brandung wegen — aufgesucht.

Die Verdienste des Künstlers liegen wesentlich auf
technischem Gebiet. Er hat zur materiellen Durchbildung
der Möglichkeiten des Aquarells viel beigetragen. Das
Wesentliche seiner Technik bestand darin, daß er die
Lasurmanier der alten englischen Aquarellüberlieferung —
das Malen mit ganz durchsichtigen Wasserfarben — mit
der Deckmanier, der Gouachetechnik verband; er wandte
in einem und demselben Bild beide Techniken je nach
ihrem Verhältnis zur Natur des darzustellenden Gegen-
standes an. Das gemischte Verfahren war allerdings nicht
neu: Menzel hatte die Kombination bereits versucht.

Es gibt Fälle, wo sich das Technische unmittelbar aus
der Größe einer Anschauung ergibt; dann erst wird es
bedeutend. In anderen Fällen wird das Technische ledig-
lich als ein materieller Reiz entwickelt; dann kann es
irgendwie interessant sein, aber es wird niemals an die
Bedeutung geistiger Dinge grenzen. Ich rede hier nicht
von der allen Unkünstlern so teuern Gedankenkunst, son-
dern von einer Kunst, die aus einer spirituellen Sinnlichkeit
hervorgeht — von der Kunst, die im Grunde allein den
hohen Namen der Kunst verdient. Mit dieser Kunst hat
die Malerei, die Bartels hervorbrachte, nichts zü tun. Er
nutzte die impressionistische Fleckentechnik zur Erzielung
einer naturalistischen Illusion aus. Er hat nie gewußt, daß
der impressionistische Fleck eine ideale Bedeutung, eine
ideale Schönheit in sich selber trägt, daß er, wo er wirk-
lich zum geistig angeschauten Formphänomen erhoben
wird, ein höchster formaler Wert ist, der die Geltung
eines geistigen Zwecks, nicht eines materiellen Mittels be-
ansprucht. Bartels war mit einem Wort artistisch, aber
nicht künstlerisch. Es ist noch nicht alles, wenn man
Atmosphären herausbringt. Er ist nie über die brillante
Reportage hinausgekommen; das impressionistische Mittel
pflegte er, bildete er in seiner Weise durch, weil er damit
ausgezeichnete Momentaufnahmen machen konnte. Ich
kenne nur eine einzige Arbeit von Bartels, die mehr ist
als höchst treffsichere Berichterstattung: das ist eine Öl-
studie von 1893, die eine Ebbe bei Katwijk darstellt. Da
ist etwas vom sublimen Geist Liebermanns zu spüren.
Zweifellos hat Bartels mehr derlei gemalt. Aber das Durch-
schnittsbild seiner Malerei wird damit leider schwerlich
verändert. Es existieren Dinge von ihm, die so schlimm
sind wie eine routinierte Künstlerpostkarte. Etwas Fataleres
als das Aquarell vom Friedhof von San Miniato in Florenz
läßt sich schwer denken. Griff Bartels zu höheren An-
sprüchen aus, so kam gemeinhin figürliche Genremalerei
zu Tage. Auch das Erotische, das bei den Darstellungen
junger Holländerinnen zuweilen mitkommt, ist genremäßig
konventionell. Man muß beklagen, daß Bartels nicht auf
der Linie blieb, die ihn dem Kunstgeist Liebermanns oder
Monets hätte näherbringen müssen. Die Aquarelltechnik
hätte dann künstlerisch fruchtbar werden können, wo sie
jetzt nur artistisch respektabel ist. Man kann Aquarellist
und wirklich ein großer Künstler sein. Menzel gibt Bei-
spiele. Nur große Dinge geben ein richtiges Verhältnis
zu sekundären Talenten wie Bartels eines war. Will man
sich die Frage mit einem Schlage klar machen, so braucht
man nur eine Marine von Bartels in Gedanken neben eine
Welle von Courbet zu halten. Damit ist die Sache er-
ledigt. Und nicht nur die besondere Sache, sondern auch
 
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