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Literatur
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feierlichen Akt wurde die erste Kunstausstellung in den
neuen Räumen am Domkloster eröffnet.
Der Vereinigung, die für das Kölnische Kunstleben
unter oft sehr schwierigen Verhältnissen Bedeutendes ge-
leistet hat, waren die Räume im Erdgeschosse des Wallraf-
Richartz-Museums längst zu eng geworden. In der Flucht
nicht einmal günstig belichteter Kabinette schienen manchem
wertvollen Kunstwerke, zumal solchen von großen Propor-
tionen, gleichsam die Hände gebunden; man war oft über-
rascht, wie schlaff und eingeengt dort erschien, was anderswo
den Raum ausgefüllt oder gesprengt hatte. Diese Räume nun,
die jetzt zu musealen Zwecken abgeändert werden, waren
dem Kunstverein gekündigt worden: der äußere Anlaß zu der
Neuordnung seiner Verhältnisse. Daß die künstlerische
Leitung Herrn Paul Cassirer in Berlin übergeben wurde, ist
hier schon mitgeteilt worden. Es darf gleich gesagt werden,
daß ein gewisses Mißtrauen, mit dem diese Nachricht in
Köln aufgenommen wurde, durch seine erste Ausstellung
keine Nahrung gefunden hat. Es ist weder allzu stark
»berlinert« worden, noch hatte man — exempla docebant —
Köln als Stapelplatz von »Ladenhütern« eingeschätzt.
Ca'ssirer hielt eine sehr interessante Eröffnungsrede.
Er verwahrte sich gegen den Vorwurf, daß die Kunst
Kölnischer Künstler zu gering auf dieser ersten Aus-
stellung vertreten sei. »Der größte Maler Kölns im
19. Jahrhundert hat seine Künstlerlaufbahn nicht in seiner
Heimat gehabt, wie die Maler des 14. und 15. Jahrhunderts.
Er suchte in fremden Städten Kunst zu lernen und Kunst
auszuüben. Erst nach seinem Tode erwarb Köln Leibi
wieder als Bürger zurück. Es ist ein kühnes Unterfangen,
den Traum zu träumen, daß hier wieder in der Zukunft
eine so große eingeborene Kunst entsteht, und daß, wenn
wieder ein so großer Maler in Köln geboren wird, wie
Leibi, er es nicht mehr nötig haben wird, ein Münchener
zu werden, sondern ein Kölner bleiben kann. In dem
Streben nach diesem wohl unerreichbaren Ideale sehen wir
die Aufgabe, die uns gestellt ist. Wenn uns im Anfange der
Vorwurf gemacht werden sollte, wir lieben nicht genug die
Kölner Kunst und die Kölnischen Künstler unserer Zeit, so
antworten wir, wir lieben die Kölner Künstler der Zukunft.«
Die neuen Räume, obschon leider ein Oberlichtsaal
entbehrt wird, sind sehr glücklich angeordnet und mit einer
diskreten Eleganz eingerichtet, die in Köln nicht alltäglich
ist. Vielleicht das Schönste, was sie bieten, ist der über-
raschende Ausblick auf den Dom und das farbige, bewegte
Treiben auf dem Domplatze. Die zahlreichen Fremden,
die Köln besuchen, werden diesen Ausblick wohl bald
mit einem Baedeker-Sternchen auszeichnen. Das soll jedoch
keine Herabsetzung der hier gebotenen Kunstschätze be-
deuten: wenn Manet, Gericault, van Oogh,Trübner, Lieber-
mann, Feuerbach und H. von Marees mit erlesenen Werken
vertreten sind, darf schon eine gewisse, den Genuß vor-
bereitende Gesamtstimmung vorausgesetzt werden. Die
Bilder, Skulpturen und Schwarzweißblätter lebender rheini-
scher Künstler sollen wohl mehr ein Programm andeuten;
sie stehen nicht alle auf gleicher künstlerischer Höhe, am
ehesten weiß sich Heinrich Nauen in Brüggen mit einem
kühnen Jünglingsporträt und zwei großen Stilleben durch-
zusetzen. Nicht unerwähnt bleibe, daß der sehr verdiente
erste Vorsitzende des Vereins, Kommerzienrat Dr. Richard
von Schnitzler, am Eröffnungstage das schönste der aus-
gestellten Bilder Liebermanns, eine Reiterin darstellend
(die Tochter des Künstlers), erwarb und dem Wallraf-
Richartz-Museum zum Geschenk machte.
LITERATUR
Marcel Dieulafoy, Geschichte der Kunst in Spanien und
Portugal. Deutsch von Frau A. E. Brinckmann-Mathee.
Verlag Julius Hoffmann, Stuttgart 1913.
Um die Bedeutung des vorliegenden Werkes richtig
zu würdigen, sei bemerkt, daß Dieulafoy der einzige
war, der den Mut hatte, diese schwierige Aufgabe
zu übernehmen. Seit mehr denn 100 Jahren ist kein
größeres zusammenfassendes Buch über das gesamte Ge-
biet der spanischen Kunst erschienen. Es galt also nicht
nur sehr viel Detailliteratur durchzuarbeiten, sondern einige
noch immer sehr vernachlässigte Gebiete nach allen Rich-
tungen hin zu durchforschen. Was uns Dieulafoy nun
gegeben hat, ist weniger ein Handbuch der spanischen
Kunst, als vielmehr in erster Linie ein außerordentlich
wichtiges Werk über die Grundlagen der spanischen
Architektur. Dieulafoy, der treffliche Kenner persisischer
Kunst, weist in überzeugender Weise an ausgezeichnet
gewählten Beispielen die engen Zusammenhänge der
spanischen Architektur, vor allem der frühchristlichen mit
persisch-mohammedanischen nach. In diesen Ausführungen
liegt der Hauptwert des Buches. Die Plastik ist schon
viel weniger gut als die Architektur und das Kunstgewerbe
weggekommen. Es fehlen hier nicht nur einige wichtige
Meister und ihre Werke wie Vasco de Ia Zarza, sondern
es machen sich schon hier Ungenauigkeiten in der Angabe
von Jahreszahlen etwas störend bemerkbar. Noch be-
denklicher steht es um die Würdigung der spanischen
Malerei. Hier finden sich nicht nur falsche Jahreszahlen,
sondern auch falsche Zuschreibungen. Ich greife nur einiges
heraus. Das in Abb. 399 wiedergegebene Gemälde stammt
weder von Alfonso de Baena, noch stellt es das Medins-
martyrium dar, sondern gibt die Auffindung des Körpers
des hl. Anton Abad von der Hand des Pablo Vergos
wieder. Das in farbiger Abbildung reproduzierte Damen-
porträt ist schon längst aus der Liste der Arbeiten Panto-
jas gestrichen. Vielleicht stammt es überhaupt nicht von
einem spanischen Meister. Die Verkündigung von Zur-
baran (Abb. 526) befindet sich schon seit geraumer Zeit
im Museum zu Grenoble. Der Vertrag der beiden Fer-
randos für die Gemälde des Hochaltars der Valencianer
Kathedrale (S. 245) wurde nicht 1502, sondern erst 1507
geschlossen, Greco ist nicht 1625 in Madrid, sondern 1614
in Toledo gestorben usw. Was die kurzen zusammen-
fassenden Bemerkungen des Autors (S. 280ff) über das
Verhältnis zwischen Greco und Velazquez und über die
Beziehungen zwischen Sevilla und Venedig anlangt, so
sei hiermit ausdrücklich festgestellt, daß diese Passagen
wortwörtlich einem vom Rezensenten vor zwei Jahren in
Madrid gehaltenen, in der »Espana moderna« abgedruckten
Vortrag entnommen sind. Wohl ist diese Conference im
Literaturverzeichnis des Dieulafoyschen Buches erwähnt,
auch ist diese Übernahme im Grunde für den Rezensenten
ja nur schmeichelhaft. Da aber die betreffenden Stellen
ohne Anführungszeichen wiedergegeben sind, wird man
diese kurze Erklärung zur Vermeidung jedes Mißverständ-
nisses wohl begreiflich finden.
Die sehr zahlreichen Abbildungen werden den meisten
Lesern viel Neues und Interessantes bringen. Ein be-
sonderes Lob möchten wir der Übersetzung spenden. Es
wird wohl ein leichtes sein, in einer weiteren Auflage des
Werkes wenigstens die Jahreszahlen genauer anzugeben
und damit das Buch noch nützlicher zu gestalten.
August L. Mayer.
Inhalt: Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz. — Julius Adam f. — Personalien. — Prinzregent Luitpold-Denkmal in München; Ooethe-
Gedächtnismonument für Chicago. — Ausstellungen in Berlin, Straßburg, Amsterdam, Warschau. — Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf. —
Berliner kunstgeschichtl. Oesellschaft; Kölnischer Kunstverein.— Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., Leipzig
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feierlichen Akt wurde die erste Kunstausstellung in den
neuen Räumen am Domkloster eröffnet.
Der Vereinigung, die für das Kölnische Kunstleben
unter oft sehr schwierigen Verhältnissen Bedeutendes ge-
leistet hat, waren die Räume im Erdgeschosse des Wallraf-
Richartz-Museums längst zu eng geworden. In der Flucht
nicht einmal günstig belichteter Kabinette schienen manchem
wertvollen Kunstwerke, zumal solchen von großen Propor-
tionen, gleichsam die Hände gebunden; man war oft über-
rascht, wie schlaff und eingeengt dort erschien, was anderswo
den Raum ausgefüllt oder gesprengt hatte. Diese Räume nun,
die jetzt zu musealen Zwecken abgeändert werden, waren
dem Kunstverein gekündigt worden: der äußere Anlaß zu der
Neuordnung seiner Verhältnisse. Daß die künstlerische
Leitung Herrn Paul Cassirer in Berlin übergeben wurde, ist
hier schon mitgeteilt worden. Es darf gleich gesagt werden,
daß ein gewisses Mißtrauen, mit dem diese Nachricht in
Köln aufgenommen wurde, durch seine erste Ausstellung
keine Nahrung gefunden hat. Es ist weder allzu stark
»berlinert« worden, noch hatte man — exempla docebant —
Köln als Stapelplatz von »Ladenhütern« eingeschätzt.
Ca'ssirer hielt eine sehr interessante Eröffnungsrede.
Er verwahrte sich gegen den Vorwurf, daß die Kunst
Kölnischer Künstler zu gering auf dieser ersten Aus-
stellung vertreten sei. »Der größte Maler Kölns im
19. Jahrhundert hat seine Künstlerlaufbahn nicht in seiner
Heimat gehabt, wie die Maler des 14. und 15. Jahrhunderts.
Er suchte in fremden Städten Kunst zu lernen und Kunst
auszuüben. Erst nach seinem Tode erwarb Köln Leibi
wieder als Bürger zurück. Es ist ein kühnes Unterfangen,
den Traum zu träumen, daß hier wieder in der Zukunft
eine so große eingeborene Kunst entsteht, und daß, wenn
wieder ein so großer Maler in Köln geboren wird, wie
Leibi, er es nicht mehr nötig haben wird, ein Münchener
zu werden, sondern ein Kölner bleiben kann. In dem
Streben nach diesem wohl unerreichbaren Ideale sehen wir
die Aufgabe, die uns gestellt ist. Wenn uns im Anfange der
Vorwurf gemacht werden sollte, wir lieben nicht genug die
Kölner Kunst und die Kölnischen Künstler unserer Zeit, so
antworten wir, wir lieben die Kölner Künstler der Zukunft.«
Die neuen Räume, obschon leider ein Oberlichtsaal
entbehrt wird, sind sehr glücklich angeordnet und mit einer
diskreten Eleganz eingerichtet, die in Köln nicht alltäglich
ist. Vielleicht das Schönste, was sie bieten, ist der über-
raschende Ausblick auf den Dom und das farbige, bewegte
Treiben auf dem Domplatze. Die zahlreichen Fremden,
die Köln besuchen, werden diesen Ausblick wohl bald
mit einem Baedeker-Sternchen auszeichnen. Das soll jedoch
keine Herabsetzung der hier gebotenen Kunstschätze be-
deuten: wenn Manet, Gericault, van Oogh,Trübner, Lieber-
mann, Feuerbach und H. von Marees mit erlesenen Werken
vertreten sind, darf schon eine gewisse, den Genuß vor-
bereitende Gesamtstimmung vorausgesetzt werden. Die
Bilder, Skulpturen und Schwarzweißblätter lebender rheini-
scher Künstler sollen wohl mehr ein Programm andeuten;
sie stehen nicht alle auf gleicher künstlerischer Höhe, am
ehesten weiß sich Heinrich Nauen in Brüggen mit einem
kühnen Jünglingsporträt und zwei großen Stilleben durch-
zusetzen. Nicht unerwähnt bleibe, daß der sehr verdiente
erste Vorsitzende des Vereins, Kommerzienrat Dr. Richard
von Schnitzler, am Eröffnungstage das schönste der aus-
gestellten Bilder Liebermanns, eine Reiterin darstellend
(die Tochter des Künstlers), erwarb und dem Wallraf-
Richartz-Museum zum Geschenk machte.
LITERATUR
Marcel Dieulafoy, Geschichte der Kunst in Spanien und
Portugal. Deutsch von Frau A. E. Brinckmann-Mathee.
Verlag Julius Hoffmann, Stuttgart 1913.
Um die Bedeutung des vorliegenden Werkes richtig
zu würdigen, sei bemerkt, daß Dieulafoy der einzige
war, der den Mut hatte, diese schwierige Aufgabe
zu übernehmen. Seit mehr denn 100 Jahren ist kein
größeres zusammenfassendes Buch über das gesamte Ge-
biet der spanischen Kunst erschienen. Es galt also nicht
nur sehr viel Detailliteratur durchzuarbeiten, sondern einige
noch immer sehr vernachlässigte Gebiete nach allen Rich-
tungen hin zu durchforschen. Was uns Dieulafoy nun
gegeben hat, ist weniger ein Handbuch der spanischen
Kunst, als vielmehr in erster Linie ein außerordentlich
wichtiges Werk über die Grundlagen der spanischen
Architektur. Dieulafoy, der treffliche Kenner persisischer
Kunst, weist in überzeugender Weise an ausgezeichnet
gewählten Beispielen die engen Zusammenhänge der
spanischen Architektur, vor allem der frühchristlichen mit
persisch-mohammedanischen nach. In diesen Ausführungen
liegt der Hauptwert des Buches. Die Plastik ist schon
viel weniger gut als die Architektur und das Kunstgewerbe
weggekommen. Es fehlen hier nicht nur einige wichtige
Meister und ihre Werke wie Vasco de Ia Zarza, sondern
es machen sich schon hier Ungenauigkeiten in der Angabe
von Jahreszahlen etwas störend bemerkbar. Noch be-
denklicher steht es um die Würdigung der spanischen
Malerei. Hier finden sich nicht nur falsche Jahreszahlen,
sondern auch falsche Zuschreibungen. Ich greife nur einiges
heraus. Das in Abb. 399 wiedergegebene Gemälde stammt
weder von Alfonso de Baena, noch stellt es das Medins-
martyrium dar, sondern gibt die Auffindung des Körpers
des hl. Anton Abad von der Hand des Pablo Vergos
wieder. Das in farbiger Abbildung reproduzierte Damen-
porträt ist schon längst aus der Liste der Arbeiten Panto-
jas gestrichen. Vielleicht stammt es überhaupt nicht von
einem spanischen Meister. Die Verkündigung von Zur-
baran (Abb. 526) befindet sich schon seit geraumer Zeit
im Museum zu Grenoble. Der Vertrag der beiden Fer-
randos für die Gemälde des Hochaltars der Valencianer
Kathedrale (S. 245) wurde nicht 1502, sondern erst 1507
geschlossen, Greco ist nicht 1625 in Madrid, sondern 1614
in Toledo gestorben usw. Was die kurzen zusammen-
fassenden Bemerkungen des Autors (S. 280ff) über das
Verhältnis zwischen Greco und Velazquez und über die
Beziehungen zwischen Sevilla und Venedig anlangt, so
sei hiermit ausdrücklich festgestellt, daß diese Passagen
wortwörtlich einem vom Rezensenten vor zwei Jahren in
Madrid gehaltenen, in der »Espana moderna« abgedruckten
Vortrag entnommen sind. Wohl ist diese Conference im
Literaturverzeichnis des Dieulafoyschen Buches erwähnt,
auch ist diese Übernahme im Grunde für den Rezensenten
ja nur schmeichelhaft. Da aber die betreffenden Stellen
ohne Anführungszeichen wiedergegeben sind, wird man
diese kurze Erklärung zur Vermeidung jedes Mißverständ-
nisses wohl begreiflich finden.
Die sehr zahlreichen Abbildungen werden den meisten
Lesern viel Neues und Interessantes bringen. Ein be-
sonderes Lob möchten wir der Übersetzung spenden. Es
wird wohl ein leichtes sein, in einer weiteren Auflage des
Werkes wenigstens die Jahreszahlen genauer anzugeben
und damit das Buch noch nützlicher zu gestalten.
August L. Mayer.
Inhalt: Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz. — Julius Adam f. — Personalien. — Prinzregent Luitpold-Denkmal in München; Ooethe-
Gedächtnismonument für Chicago. — Ausstellungen in Berlin, Straßburg, Amsterdam, Warschau. — Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf. —
Berliner kunstgeschichtl. Oesellschaft; Kölnischer Kunstverein.— Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., Leipzig