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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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245

Literatur

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Formates (36x27 cm) und voran drei bis vier Seiten Text-
angaben enthält. Die letzteren werden von denselben Mit-
arbeitern beigesteuert, denen die einzelnen Vorlagen für
die Reproduktionen zu verdanken sind, ein Verfahren, das
man als besonders geeignet bezeichnen darf, diejenigen
Kollegen, die es ablehnen, einer einzelnen Beobachtung
wegen einen mühsam wohl abgerundeten Aufsatz zu schrei-
ben, zur Mitwirkung heranzuziehen, und für andere, die aus
den verschiedensten Anlässen die Fachliteratur mit einem
»Articoletto« beglücken zu sollen glauben, eine vorzügliche
Gelegenheit zu möglichst knapper und tatsächlicher Be-
richterstattung zu werden.

Unter den Einzelgebieten, für die wir uns von dem
neuen Serienwerk unter solchen Voraussetzungen eine wert-
volle Bereicherung versprechen dürfen, steht natürlich die
Malerei voran, auf die allein zwei Drittel der bisher er-
schienenen Tafeln entfallen; die übrigen bringen Zeich-
nungen und Plastiken. Architektur und Kunstgewerbe
scheinen danach ganz ausscheiden zu sollen, eine Ein-
schränkung, die man nur gutheißen kann. Die Auswahl
der Vorlagen wird ferner dadurch charakterisiert, daß die
wiedergegebenen Kunstwerke sich zumeist im Privatbesitz,
zum Teil auch in öffentlichen Sammlungen und im Kunst-
handel befinden, die einen bisher völlig unbekannt, die
anderen schwer zugänglich oder mangelhaft reproduziert.

So bringen schon die beiden ersten Hefte eine Anzahl
Überraschungen, von denen hier nur einige kurz genannt
seien: Bode publiziert eine interessante Rubensskizze der
Sammlung Koppel (zu einem der Deckengemälde in White-
hall), Friedländer zwei Zeichnungen von einem Antwerpener
Meister (um 1515) im Leipziger Kabinett, Habich ein Soln-
hofener Relief mit Karl V. zu Pferde (bei Baron Robert
Rothschild in Paris), V. v. Loga zwei Porträts Goyas in
amerikanischem Privatbesitz, Binder eine Reihe von Werken
kleinerer Meister aus seiner Sammlung usw. Ein in Ber-
liner Privatbesitz befindlicher van Dyck (Hero und Leander)
wird in klarem Pedigree bis in die Kasseler Galerie verfolgt.

Eine große Zahl weiterer Beiträge rührt von den Her-
ausgebern selbst her; Hadeln bereichert die Oeuvres von
Tizian und Tintoretto und führt ein Schauspielerporträt der
Sammlung Koppel, das dem Berliner Borro außerordentlich
nahe steht, nach einer alten Tradition auf Bernini zurück;
man wäre eigentlich eher neugierig gewesen, zu erfahren,
was Voss, dessen Sacchi-These damit wieder in Frage ge-
stellt werden soll, darüber denkt. Ebenso hätte man gern
gewußt, was der Autor des »Donaustils« dazu sagt, daß
Binder ein allem Anschein nach zunächst in diesen Kreis ge-
höriges Bild kurzerhand auf »Aert Claeszoon van Leiden«
tauft. Voss bringt im übrigen Bilder von L. Costa, G. Ferrari,
L. Carracci, G. M. Crespi, G. B. Tiepolo, Nattier u. a., und
zwei Huber-Zeichnungen, Bernath einen Cranach aus dem
amerikanischen Kunsthandel und einen frühen Franzosen.

Die Ausstattung, die der Verlag der Publikation an-
gedeihen läßt, entspricht den Anstrengungen der Heraus-
geber, das Werk in jedem Sinne nützlich zu gestalten, und
da es zuverlässiges und neues Anschauungsmaterial bietet,
ist ihm eine weite Verbreitung auch über die Fachkreise
hinaus sehr zu wünschen. KUhnei.

Erich Hancke, Max Liebennann, Sein Leben und seine
Werke. Mit 303 Abbildungen. Berlin, Bruno Cassirer. 1914.
Über wenige lebende Künstler ist so viel geschrieben
worden wie über Max Liebermann, und es braucht gewiß
eine innere Rechtfertigung, wenn ohne äußeren Anlaß eine
neue und mehr als 500 Seiten starke Biographie erscheint.
Hanckes Buch, das in der stolzen Nichtachtung seiner
Vorgänger so weit geht, daß er selbst das notwendige
Literaturverzeichnis unterschlägt, stellt seine Aufgabe so

anders als alle, die bisher mehr oder minder gelegentlich
sich mit Liebermanns Kunst beschäftigten, daß das Daseins-
recht seines Buches in vollem Umfange gewährleistet ist.
Er will nicht eine Paraphrase über ein Kapitel moderner
Malerei geben, sondern eine Monographie im strengen
Sinne des Wortes, ein historisch fundiertes Werk.

Es ist nicht leicht, die Biographie eines Lebenden zu
schreiben. Es gehört Takt dazu, den rechten Weg zu
finden, und die meisten begnügen sich, nur im allgemeinen
Wesen und Bedeutung ihrer Helden ins Licht zu rücken
und seinen Wirkungskreis zu umschreiben. Hancke tut
das nicht. Er hält sich eng an sein Thema. Schritt für
Schritt läßt er uns das Schaffen des Künstlers verfolgen,
mit ihm auf Reisen gehen und Enttäuschungen und Erfolge
erleben. Eine aufopfernde Arbeit war nötig, um das Ma-
terial eines solchen Buches vorzubereiten, um so mehr als
Liebermanns eigenes Gedächtnis sich oft trügerisch er-
wies, und sogar nachträglich vorgenommene und irrtüm-
liche Bilderdatierungen richtiggestellt werden mußten. So
ist allein das chronologisch geordnete Verzeichnis der Werke,
das den Beschluß des stattlichen Bandes bildet, als Grund-
lage jeder ferneren Beschäftigung mit Liebermanns Werk
unentbehrlich. Es bedeutet einen entschiedenen Fortschritt
über den vor zwei Jahren erschienenen Band der »Klassiker
der Kunst«, den Pauli bearbeitete, nicht nur der Zahl,
sondern auch der Genauigkeit und Zuverlässigkeit der An-
gaben nach.

Es wurde schon gesagt, daß viel Takt dazu gehört,
einem Lebenden ein literarisches Denkmal zu errichten.
Neuere Autoren haben nicht selten ihre Objektivität gegen-
über dem Helden ihrer Wahl damit beweisen zu sollen
gemeint, daß sie durchaus nicht bedingungslos anerkannten,
und diese Form der Objektivität führte zuweilen so weit,
daß man fragen mußte, warum der Verfasser dann über-
haupt dieses Thema wählte. Es ist dem gegenüber
erfreulich, wie ehrlich Hancke sich als Bewunderer seines
Meisters bekennt. Das braucht nun durchaus nicht so weit
zu gehen, daß vor jedem Werke die Kritik verstummen
muß. Aber selbst dieser getreueste Biograph verfällt zu-
weilen in den Fehler, die eigene Persönlichkeit zu weit in
den Vordergrund zu rücken. Nur eine ganz starke Indi-
vidualität darf es sich erlauben, sich selbst vor ihren Stoff
zu stellen. Im allgemeinen interessiert es die Welt eben-
sowenig, zu erfahren, was Herrn X am besten schmeckt,
wie es ihr gleichgültig ist, zu wissen, was er von Böcklin
oder Giotto denkt. So wäre auch in Hanckes Buch manches
reine Geschmacksurteil sehr wohl entbehrlich. Es heißt
die Pflicht der Ehrlichkeit zu weit treiben, wenn man be-
kennt, daß man dieses oder jenes Werk drei Jahre früher
mehr bewunderte als drei Jahre später. Und wenn es
nicht für die Erkenntnis des Werkes selbst von wesent-
lichem Werte ist, darf und sollte auch verschwiegen bleiben,
ob man der einen oder anderen Fassung eines Themas
die größere Sympathie entgegenbringt.

Hebbel hat einmal gesagt: Biographien sollen keine
Rezensionen sein, darum muß die Liebe sie schreiben.
Wer eine Lebensbeschreibung verfaßt, sollte nicht im
kleinen kritteln, sondern im großen werten. So ist es etwas
anderes, wenn Hancke seine höchste Bewunderung Lieber-
manns »Judengassen« aufspart. Man könnte sogar wünschen,
daß dieses Werturteil, das zugleich eine Einschätzung der
künstlerischen Entwicklung in sich schließt, in der Anlage
des Ganzen fühlbarer würde. Aber das war wohl nicht
möglich, wo der Versuch gemacht wurde, Schritt für Schritt
voranzugehen und auf jeder Stufe sich genau auf das ein-
zustellen, was damals eben entstand. Und diese rein
historisch orientierte Betrachtungsart macht gerade den Wert
des Hanckeschen Werkes aus.
 
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