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Sammlungen
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Scherwänden geeignete Lichtverhältnisse. Auch das Brust-
bild einer Frau mit geflochtenem Haar und der wunder-
volle Kopf eines alten Bischofs verdienen hier Erwähnung
neben den Bildnissen eines bejahrten Paares, dem Thomas
Parr und zwei Apostelköpfen von van Dyck. Mit etwas
weniger günstigen Plätzen müssen sich Oillis Coninxloos
Midasurteil, Jan Fyts Hund mit einem Zwerg und Joachim
Beukelaars Vier Evangelisten begnügen. Das letzte Bild
gibt im Verein mit Valckenburchs Turmbau zu Babel, zwei
Köpfen von Frans Floris, Saverys Arche Noah, einem feinen
Scorel (David und Goliath) und einigen Landschaften
Mompers und Jan Breughels einen Begriff von der kräfti-
gen, gelegentlich etwas bunten Farbigkeit des niederländi-
schen Seicento, soweit das mit dem Bilderbestand einer
Galerie darstellbar ist, welche mehr auf Kabinettstücke der
Landschafter als auf die monumentale Malerei der Roma-
nisten eingestellt ist. Zurzeit sind der östliche Pavillon
und die anstoßenden vier Nebensäle, welche die primitiven
deutschen und niederländischen Gemälde aufnehmen sollen,
im Umbau begriffen.
Unter den Neuerwerbungen des Kupferstichkabi-
netts nimmt die stattliche Reihe von etwa 80 Drucken
neuerer Radierungen und Lithographien Max Liebermanns
neben zwei Entwürfen für die Wandmalereien im Schlosse
Klink in Mecklenburg den ersten Platz ein. Max Slevogts
Iliasillustrationen, vier Probedrucke von Hans Meid, einige
Radierungen Corinths bezeichnen die neuere Produktion
der Berliner Graphik. Daneben vervollständigen mehrere
Arbeiten Kalckreuths, Grethes, Greiners und Oldes die
wohlgefüllten Mappen dieser Künstler. Ein Aquarell des
talentvollen Dresdener Landschafters Richard Dreher und
eine Zeichnung Th.Th. Heines wurden vom Museumsverein
anläßlich der Aquarellausstellung des letzten Sommers ge-
schenkt. Ferner verdankt das Kabinett dem Verein zwei
ganz hervorragende Steindrucke Eugene Delacroix' (Königs-
tiger und Löwe), den Raucfier und den Krevettenfischer
von Jozef Israels, »Die beiden Kühe« von Millet, das
größere Bildnis Troubetzkoys und die sonnigen »Drei
Grazien« von Anders Zorn, endlich einige frühe Arbeiten
Whistlers. Unter den Franzosen des 19. Jahrhunderts
galt dem großen Honore Daumier gesteigerte Aufmerk-
samkeit. Zu seinen frühen Arbeiten für das Witz-
blatt »La Caricature« (1833—35), die das Kabinett schon
besaß, wurde eine Reihe von köstlichen Bildnissen be-
kannter Politiker aus dem Jahre 1833 erworben, wie sie
der neuerdings angekaufte »Ventre legislatif« (1834) zu-
sammenfaßt. Die dem Charivari entnommenen größeren
Folgen »Panorama comique« und »Varietes drolatiques«
(1839—43) geben vorzügliche Proben der Mannigfaltigkeit
und Beobachtungsgabe Daumiers in der ersten Blüte seiner
Kunst. Seinen späteren Stil verkörpern die unendlich variierte
Reihe der »Bons bourgeois« (1846—49) und die »Voyage
en Chine«. Für die letzte, nicht so unmittelbar ansprechende
Phase seiner Kunst sind die karikierten Bildnisse der
»Representants representes« (1849—50) bezeichnend, die
teilweise in Probedrucken vertreten sind.
Von Adolph von Menzel und Adolf Oberländer konnten
zahlreiche Probedrucke für die Holzschnittillustrationen
zu Kuglers »Friedrich der Große« und für die Zeitschrift
»Daheim« erworben werden.
Besonderes Interesse verdient die Vierteljahrsaus-
stellung »Tanz und Tänzerin«, die in 192 Einzelnummern
gegliedert, einen anschaulichen Beitrag zur Geschichte der
Tanzkunst ..in den letzten fünf Jahrhunderten bietet. Ein
reich illustrierter Katalog mit von Max Lehrs verfaßtem Text
führt in die Anordnung der Tanzdarstellungen ein. Von
den grotesken Moreskentänzen Meckenems und seiner Zeit-
genossen bis zum modernen Phantasietanz Ludwig von Hof-
manns und Opplers Pawlowa sind alle Tanzmoden im
Bild vertreten. Reich an Zahl wie an künstlerischem Ge-
halt ist die Gruppe moderner Franzosen von Gavarni bis
Degas, Forain, Lautrec, Steinlen und dem von Pariser
Kunst angeregten Schweden Zorn. Lr.
Neuerwerbungen der Großh. Kunsthalle in
Karlsruhe 1913. Aus der Jugendperiode des Badi-
schen Landschafters und Schülers von J. W. Schirmer Emil
Lugo, gestorben in München 1907, wurden eine Anzahl her-
vorragender Studien, sowie drei Gemälde und zwei Tusch-
zeichnungen aus seiner Blütezeit erworben, letztere ein Legat
des verstorbenen Herrn Albert Wedekind in Hannover.
Der in Karlsruhe geborene, in München tätige Freund Hans
Thomas Albert Lang, schenkte sechs Gemälde, zumeist
oberitalienische, großzügig stilisierte Landschaften und das
lebensvolle Porträt seines Freundes, des vorhin genannten
Emil Lugo. Von Hans Thoma selbst wurde eine stimmungs-
volle »Oberrheinlandschaft«, ein prächtiges feines Werk
seiner jetzigen, abgeklärten Spätzeit, erworben. Er selbst
widmete der Galerie eine frische, farbige »Alpenlandschaft«
seines künstlerischen Gesinnungsgenossen Edmund Steppes-
München. Von der diesjährigen Baden-Badener deutschen
Kunstausstellung kam das bekannte, koloristisch bedeutsame
Bild von Prof. Hugo Vogel-Berlin »Italienische Mutter mit
Kind« und eine hübsche »Sommerlandschaft« bei Lauter-
bach-Oberhessen von Prof. Engelhorn in Baden-Baden,
dem Stifter des von Oberbaurat Billing erbauten dortigen
Kunstausstellungsgebäudes.
Eine ganz hervorragende Acquisition bedeutet die mo-
numentale »Totenklage« des hier lebenden Thomaschülers
Hans Bühler, von dem auch das große Fresko in der Aula
des neuen Freiburger Universitätsbaus herrührt, ein sowohl
stilistisch als auch in koloristischer Hinsicht bedeutsames
Werk. Auch der dem Genannten geistesverwandte, nun
in Stuttgart tätige H. Altherr aus Basel, ist durch ein
intim aufgefaßtes Bildnis des verstorbenen hiesigen Bild-
hauers Prof. Dietsche, recht gut vertreten, ebenso der Alt-
meister Prof. Ferdinand Keller mit einer geistvollen Skizze
»der große Kurfürst vor der Schlacht bei Fehrbellin« und
der Thomaschüler Hans Schroedter mit einem brillant ge-
malten »Tierstück«. — Von älteren Meistern der Karlsruher
Schule nennen wir den sorgfältig ausgeführten »Kopf eines
Alten« aus der Jugendzeit Anselm Feuerbachs und ein
lebensvolles charakteristisches »Selbstbildnis« des bekannten
verstorbenen posthumen »Rubensschülers« Hans Canon,
aus seiner Karlsruher Frühzeit (1860—69).
Die Erwerbungen auf dem Gebiete der altdeutschen
Schulen bestehen aus einem großen, namentlich in kolo-
ristischer Hinsicht prächtigen Flügelaltar von Hans Schüh-
lein von Ulm, tätig 1450—1505, dem bekannten Schüler
von Roger van der Weyden; bestehend aus vier Szenen
aus dem »Marienleben«, gestiftet laut Inschrift imjahrel489
für das Zisterzienserinnenkloster Lichtental bei Baden-Baden
von der Äbtissin desselben, der Markgräfin Margarete von
Baden; einer kleinen »Madonna mit Kind«, laut Inschrift
von dem bisher unbekannten Jörg Floser 1510, der der
»oberschwäbischen Schule« unter starkem Einfluß von Hans
Memling angehört — aus Kloster Zwiefalten bei Ulm stam-
mend; schließlich ein großer Altarschrein aus der zerstörten
Benediktinerabteikirche in St. Georgen im Schwarzwald mit
fünf polychromen Holz-Schnitzfiguren und zwei zugehörigen
Altarflügeln mit der Geburt Christi und den Hl. Michael und
Sebastian; die plastischen Teile Oberschwäbische (Ulmer)
Schule aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, die
Malereien Schule des, gleichfalls' in Oberschwaben 1520
bis 1540 tätigen sog. Meisters von Meßkirch, der stark
unter Dürers und Holbeins Einfluß steht. /(—
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Scherwänden geeignete Lichtverhältnisse. Auch das Brust-
bild einer Frau mit geflochtenem Haar und der wunder-
volle Kopf eines alten Bischofs verdienen hier Erwähnung
neben den Bildnissen eines bejahrten Paares, dem Thomas
Parr und zwei Apostelköpfen von van Dyck. Mit etwas
weniger günstigen Plätzen müssen sich Oillis Coninxloos
Midasurteil, Jan Fyts Hund mit einem Zwerg und Joachim
Beukelaars Vier Evangelisten begnügen. Das letzte Bild
gibt im Verein mit Valckenburchs Turmbau zu Babel, zwei
Köpfen von Frans Floris, Saverys Arche Noah, einem feinen
Scorel (David und Goliath) und einigen Landschaften
Mompers und Jan Breughels einen Begriff von der kräfti-
gen, gelegentlich etwas bunten Farbigkeit des niederländi-
schen Seicento, soweit das mit dem Bilderbestand einer
Galerie darstellbar ist, welche mehr auf Kabinettstücke der
Landschafter als auf die monumentale Malerei der Roma-
nisten eingestellt ist. Zurzeit sind der östliche Pavillon
und die anstoßenden vier Nebensäle, welche die primitiven
deutschen und niederländischen Gemälde aufnehmen sollen,
im Umbau begriffen.
Unter den Neuerwerbungen des Kupferstichkabi-
netts nimmt die stattliche Reihe von etwa 80 Drucken
neuerer Radierungen und Lithographien Max Liebermanns
neben zwei Entwürfen für die Wandmalereien im Schlosse
Klink in Mecklenburg den ersten Platz ein. Max Slevogts
Iliasillustrationen, vier Probedrucke von Hans Meid, einige
Radierungen Corinths bezeichnen die neuere Produktion
der Berliner Graphik. Daneben vervollständigen mehrere
Arbeiten Kalckreuths, Grethes, Greiners und Oldes die
wohlgefüllten Mappen dieser Künstler. Ein Aquarell des
talentvollen Dresdener Landschafters Richard Dreher und
eine Zeichnung Th.Th. Heines wurden vom Museumsverein
anläßlich der Aquarellausstellung des letzten Sommers ge-
schenkt. Ferner verdankt das Kabinett dem Verein zwei
ganz hervorragende Steindrucke Eugene Delacroix' (Königs-
tiger und Löwe), den Raucfier und den Krevettenfischer
von Jozef Israels, »Die beiden Kühe« von Millet, das
größere Bildnis Troubetzkoys und die sonnigen »Drei
Grazien« von Anders Zorn, endlich einige frühe Arbeiten
Whistlers. Unter den Franzosen des 19. Jahrhunderts
galt dem großen Honore Daumier gesteigerte Aufmerk-
samkeit. Zu seinen frühen Arbeiten für das Witz-
blatt »La Caricature« (1833—35), die das Kabinett schon
besaß, wurde eine Reihe von köstlichen Bildnissen be-
kannter Politiker aus dem Jahre 1833 erworben, wie sie
der neuerdings angekaufte »Ventre legislatif« (1834) zu-
sammenfaßt. Die dem Charivari entnommenen größeren
Folgen »Panorama comique« und »Varietes drolatiques«
(1839—43) geben vorzügliche Proben der Mannigfaltigkeit
und Beobachtungsgabe Daumiers in der ersten Blüte seiner
Kunst. Seinen späteren Stil verkörpern die unendlich variierte
Reihe der »Bons bourgeois« (1846—49) und die »Voyage
en Chine«. Für die letzte, nicht so unmittelbar ansprechende
Phase seiner Kunst sind die karikierten Bildnisse der
»Representants representes« (1849—50) bezeichnend, die
teilweise in Probedrucken vertreten sind.
Von Adolph von Menzel und Adolf Oberländer konnten
zahlreiche Probedrucke für die Holzschnittillustrationen
zu Kuglers »Friedrich der Große« und für die Zeitschrift
»Daheim« erworben werden.
Besonderes Interesse verdient die Vierteljahrsaus-
stellung »Tanz und Tänzerin«, die in 192 Einzelnummern
gegliedert, einen anschaulichen Beitrag zur Geschichte der
Tanzkunst ..in den letzten fünf Jahrhunderten bietet. Ein
reich illustrierter Katalog mit von Max Lehrs verfaßtem Text
führt in die Anordnung der Tanzdarstellungen ein. Von
den grotesken Moreskentänzen Meckenems und seiner Zeit-
genossen bis zum modernen Phantasietanz Ludwig von Hof-
manns und Opplers Pawlowa sind alle Tanzmoden im
Bild vertreten. Reich an Zahl wie an künstlerischem Ge-
halt ist die Gruppe moderner Franzosen von Gavarni bis
Degas, Forain, Lautrec, Steinlen und dem von Pariser
Kunst angeregten Schweden Zorn. Lr.
Neuerwerbungen der Großh. Kunsthalle in
Karlsruhe 1913. Aus der Jugendperiode des Badi-
schen Landschafters und Schülers von J. W. Schirmer Emil
Lugo, gestorben in München 1907, wurden eine Anzahl her-
vorragender Studien, sowie drei Gemälde und zwei Tusch-
zeichnungen aus seiner Blütezeit erworben, letztere ein Legat
des verstorbenen Herrn Albert Wedekind in Hannover.
Der in Karlsruhe geborene, in München tätige Freund Hans
Thomas Albert Lang, schenkte sechs Gemälde, zumeist
oberitalienische, großzügig stilisierte Landschaften und das
lebensvolle Porträt seines Freundes, des vorhin genannten
Emil Lugo. Von Hans Thoma selbst wurde eine stimmungs-
volle »Oberrheinlandschaft«, ein prächtiges feines Werk
seiner jetzigen, abgeklärten Spätzeit, erworben. Er selbst
widmete der Galerie eine frische, farbige »Alpenlandschaft«
seines künstlerischen Gesinnungsgenossen Edmund Steppes-
München. Von der diesjährigen Baden-Badener deutschen
Kunstausstellung kam das bekannte, koloristisch bedeutsame
Bild von Prof. Hugo Vogel-Berlin »Italienische Mutter mit
Kind« und eine hübsche »Sommerlandschaft« bei Lauter-
bach-Oberhessen von Prof. Engelhorn in Baden-Baden,
dem Stifter des von Oberbaurat Billing erbauten dortigen
Kunstausstellungsgebäudes.
Eine ganz hervorragende Acquisition bedeutet die mo-
numentale »Totenklage« des hier lebenden Thomaschülers
Hans Bühler, von dem auch das große Fresko in der Aula
des neuen Freiburger Universitätsbaus herrührt, ein sowohl
stilistisch als auch in koloristischer Hinsicht bedeutsames
Werk. Auch der dem Genannten geistesverwandte, nun
in Stuttgart tätige H. Altherr aus Basel, ist durch ein
intim aufgefaßtes Bildnis des verstorbenen hiesigen Bild-
hauers Prof. Dietsche, recht gut vertreten, ebenso der Alt-
meister Prof. Ferdinand Keller mit einer geistvollen Skizze
»der große Kurfürst vor der Schlacht bei Fehrbellin« und
der Thomaschüler Hans Schroedter mit einem brillant ge-
malten »Tierstück«. — Von älteren Meistern der Karlsruher
Schule nennen wir den sorgfältig ausgeführten »Kopf eines
Alten« aus der Jugendzeit Anselm Feuerbachs und ein
lebensvolles charakteristisches »Selbstbildnis« des bekannten
verstorbenen posthumen »Rubensschülers« Hans Canon,
aus seiner Karlsruher Frühzeit (1860—69).
Die Erwerbungen auf dem Gebiete der altdeutschen
Schulen bestehen aus einem großen, namentlich in kolo-
ristischer Hinsicht prächtigen Flügelaltar von Hans Schüh-
lein von Ulm, tätig 1450—1505, dem bekannten Schüler
von Roger van der Weyden; bestehend aus vier Szenen
aus dem »Marienleben«, gestiftet laut Inschrift imjahrel489
für das Zisterzienserinnenkloster Lichtental bei Baden-Baden
von der Äbtissin desselben, der Markgräfin Margarete von
Baden; einer kleinen »Madonna mit Kind«, laut Inschrift
von dem bisher unbekannten Jörg Floser 1510, der der
»oberschwäbischen Schule« unter starkem Einfluß von Hans
Memling angehört — aus Kloster Zwiefalten bei Ulm stam-
mend; schließlich ein großer Altarschrein aus der zerstörten
Benediktinerabteikirche in St. Georgen im Schwarzwald mit
fünf polychromen Holz-Schnitzfiguren und zwei zugehörigen
Altarflügeln mit der Geburt Christi und den Hl. Michael und
Sebastian; die plastischen Teile Oberschwäbische (Ulmer)
Schule aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, die
Malereien Schule des, gleichfalls' in Oberschwaben 1520
bis 1540 tätigen sog. Meisters von Meßkirch, der stark
unter Dürers und Holbeins Einfluß steht. /(—