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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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2Ö1

Forschungen

262

goldene Kalb), die andere sieht in ihm einfach eine zeit-
lose Charakterfigur mit heftiger Gebärde, der die Gesetzes-
tafeln nur als Attribut dienen. Wölfflin, der sich früher
zur ersten Deutung bekannt hat, deren wichtigster Wort-
führer Justi war, hält heute die zweite, auch von Thode
vertretene Interpretation für die richtige und erläutert an
verschiedenen Beispielen, daß der Renaissance das Heraus-
greifen eines historischen Momentes vollkommen fernlag,
wie auch die Davidfiguren des Quattrocento als zeitlose
Figuren zu verstehen seien, denen der Kopf Goliaths nur
als Attribut beigegeben ist. Bei Michelangelos bekanntem
David mochte vielleicht der verhauene Block zur Weg-
lassung des Kopfes gezwungen haben; bei einem anderen
David des Meisters, den Vasari erwähnt, war der Kopf
vorhanden. Der Redner weist ferner auf die als zeitlos
gedachten, von Pfeilen durchbohrten Sebastiansfiguren hin.
Im Gegensatz hierzu finden sich in der Barockzeit Dar-
stellungen, die den historischen Moment fassen, wie bei
dem David Berninis in der Villa Borghese, dem hl. Longin
des gleichen Meisters oder der Cäcilia des Stefano Maderna.
Auch bei den Herzögen der Medicigrabmäler bezeichnet
Wölfflin eine Deutung, die einen bestimmten Moment an-
nimmt (Justi) als nicht dem Geiste der Zeit entsprechend.
Das gleiche gilt für Justis Deutung der Sibyllen und Pro-
pheten. Herr Hommel legt einen kleinen, einem sechs-
eckigen Siegelzylinder ähnlichen Gegenstand mit nicht klar
zu deutenden Darstellungen vor und stellt die Frage, ob
einem der Anwesenden etwas Analoges bekannt sei.

Herr Wolters legt einen aus Landsberg a. L. als
vermutlich antik eingesandten Kopf vor, der in der Nähe
von Altenberg gefunden worden war. Man kommt zum
Schluß, daß es sich um kein antikes Werk, sondern um
einen Stuckkopf des späten Barock handelt, der — nach
Meinung Sr. K. Hoheit des Kronprinzen Rupprecht von
Bayern — vielleicht von den Stuckdekorationen des Schlosses
Altenberg stammt.

FORSCHUNGEN
Zur Chronologie der Gemälde des Velazquez.

Unter dem Titel »Zur Zeitbestimmung einiger Werke des
Velazquez« veröffentlicht Val. von Loga im neuesten Heft
des »Jahrbuchs der Königl. Preußischen Kunstsammlungen«
einen Aufsatz, worin der Verfasser nicht nur die bisherige
Chronologie der Gemälde des Velazquez zum Teil heftig
zu erschüttern sucht, sondern auch einige in den letzten
Jahren neu aufgetauchte Arbeiten des Meisters bespricht
und schließlich selbst das Oeuvre des Malers um einige
neue Stücke »bereichert«. Wir können es uns nicht ver-
sagen, zu diesen interessanten und teilweise nicht unwich-
tigen Notizen Logas einige Worte hinzuzufügen.

Man hätte gewünscht, der Autor hätte seine, wie er
selbst fühlt, zum Teil recht kühnen Behauptungen etwas
ausführlicher begründet. Wir müssen gestehen, daß wir
diesen kurzen Ausführungen Logas nur zum kleinsten Teil
beipflichten können. Dankenswert bleibt es aber im höch-
sten Maße, daß Loga einige noch immer nicht geklärte
Fälle frisch wieder aufgegriffen hat.

Das Bodegon bei Fischer in New York, angeblich von
J. Boehler-München in Mailand erworben, stammt aus Eng-
land und befand sich längere Zeit in ungarischem Besitz.
Es galt früher nie als Velazquez. Nach wiederholter, ein-
gehender Prüfung sind wir schon vor einigen Jahren zum
Resultat gekommen, daß bei diesem Stück von Velazquez
nicht die Rede sein kann. Die alte Frau ist durchaus
nicht mit der Cookschen »Köchin« und der Figur des
National Gallery-Bildes identisch. Das Ganze ist viel zu flau
und süßlich für Velazquez.

Das mit einem Monogramm und der Jahreszahl 1620

bezeichnete Porträt des venerable Fray Bernardino Suarez
de Rivera ist eine so mäßige, um nicht zu sagen rohe
Arbeit, daß kein Spanier bisher es wagte, das Bild für ein
unzweifelhaftes Werk des Velazquez zu erklären.

Das Gongorraporträt des Prado ist wohl nur eine alte
Kopie, zwei weitere, ebenso gute befinden sich in spa-
nischem Privatbesitz (in Madrid und Cördoba), das Ori-
ginal scheint nach wie vor verschollen.

Logas Vermutung über den Autor der »Verkündigung
an die Hirten« im Besitz von Mr. Spielmann in London
halten wir für wenig glücklich. Das Bild gehört wohl
zweifelsohne der andalusischen Schule an und ist minde-
stens 30 Jahre früher entstanden als das von Loga heran-
gezogene und noch immer fälschlich dem Villacis zuge-
schriebene Gemälde des Josef Antolinez im Budapester
Museum »Die hl. Rosalie vor der Madonna«.

Daß die Grisaille des Rubens und der Stich des Pontius
mit dem Porträt des Conde Duque Olivares früher und auf
ganz andere Weise entstanden sind, als Loga angibt, haben
wir in unseren »Kleinen Velazquezstudien« ausführlich
dargetan. — Das Bildnis des »Don Carlos mit dem Hand-
schuh« im Prado als Porträt des Königs selbst zu be-
zeichnen, dürfte wohl auf allgemeinen Widerstand stoßen.
— Ob das Bild mit dem Portier Ochoa bei dem Marques
de Casa Torres das sehr verdorbene Original oder
eine Kopie ist, ist heute kaum mehr mit Bestimmtheit
zu sagen.

Das Damenbildnis im Kaiser-Friedrich-Museum zu
Berlin hält Loga ebenso wie das Admiralsporträt in der
Londoner National Gallery für Velazquez. Gegen die Aus-
führungen der beiden Beruete, die diese Bilder wohl mit
Recht dem Mazo zuweisen, weiß Loga keine triftigen
Gegengründe ins Feld zu führen.

Dagegen ist Loga ganz im Recht damit, daß die auf
dem Berliner Bild Dargestellte nicht die Gattin des Ve-
lazquez, sondern höchst wahrscheinlich die Gräfin Olivarez
ist, der der Titel einer Gräfin von Miranda zustand. Im
Londoner Kunsthandel befindet sich zurzeit ein Bild, das
die gleiche Persönlichkeit in fast gleicher Stellung in
grünem Kostüm und etwas jünger darstellt. Wer der
Autor jenes Bildes ist, läßt sich schwer sagen, vielleicht
darf man den Namen des Bartolome Gonzalez nennen.

Die Behauptung, daß die beiden Philosophen »Äsop«
und »Menipp« schon 1629 entstanden, und nur die Köpfe
später übermalt worden seien, dürfte wohl auf ebenso
starke Zweifel stoßen wie die Behauptung, die Skizzen aus
der Villa Medici seien erst 1650, nicht schon 1630 ent-
standen. Wie Loga das auf so ganz andere Dinge ab-
gestellte, vor allem ausgeführte Bild der »Schmiede des
Vulkan« als Stütze für seine Behauptung heranziehen kann,
bleibt uns unerfindlich.

Daß der »Christus an der Martersäule« sicher nicht
erst Ende der dreißiger Jahre entstanden ist, sondern zum
mindesten bereits anfangs dieses Dezenniums, ist sehr
richtig beobachtet.

Ebenso teilen „wir Logas Ansicht, daß das große Reiter-
bildnis des Conde Duque im Prado vor 1633 entstanden
ist (vergl. auch Kapitel II unserer Kleinen Velazquezstudien).
Dagegen halten wir die Datierung der »Eremiten«: um 1634
für äußerst gewagt. Logas kurze Begründung steht auf
recht schwachen Füßen. Die Spätwerke des Velazquez
»fast monochrom« zu nennen, geht doch nicht an, das paßt
weder auf den »Merkur und Argus« noch vollends auf die
»Hilanderas«.

Dem großen Aufsatz Tormos über den Salon de Reynos
hat Loga, trotzdem er ihn eingangs zitiert, offenbar nicht
in allen seinen Teilen volle Aufmerksamkeit geschenkt,
oder er hat eine Stelle mißverstanden, sonst hätte er nicht
 
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