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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0173

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327

Forschungen

328

fessoren und Mitglieder der Akademie erhielten in ver-
schiedenen Graden die goldene Medaille bene merentibus.
Prinz Johann Georg und Oberbürgermeister Beutler wurden
zu Ehrenmitgliedern, August Gaul in Berlin und Freiherr
von Habermann zu Mitgliedern der Akademie ernannt.
Die Dresdener Maler Ferdinand Dorsch, Paul Rößler und
Otto Fischer, der Bildhauer Oskar Rühm und der Architekt
Oskar Menzel erhielten den Titel Professor. Max Klinger
in Leipzig erhielt das Komturkreuz 2. Klasse des Albrechts-
ordens. — Ein Festkommers am Abend schloß die Feier-
lichkeiten ab. ^

Die Debatte über die Einziehung von Reproduk-
tionen bekannter Kunstwerke im preußischen Ab-
geordnetenhause. Die Angelegenheit der polizeilichen
Beschlagnahme von Postkarten mit Abbildungen berühmter
Kunstwerke hat das preußische Abgeordnetenhaus be-
schäftigt. Der Justizminister gab die anscheinend beruhi-
gende Zusicherung, es sollten nicht die Kunstwerke selbst
getroffen werden, sondern die Feilstellung der Postkarten
in einer Form, die offenbar nicht den Charakter als Kunst-
werk, sondern die dargestellte Nacktheit betont. Dieser
Gesichtspunkt wäre ohne weiteres annehmbar, wenn nicht
die Praxis der Polizei und der Gerichte seit einiger Zeit
weit darüber hinausginge, worauf leider im Abgeordneten-
hause nicht hingewiesen wurde. Die Schwierigkeit liegt
darin, daß sich eine Grenze überhaupt nicht ziehen läßt.
Ist der Verkauf einer Abbildung gestattet, so muß auch
ihre Ausstellung und Feilbietung in jedem Zusammenhang
und jeder Form erlaubt sein. Die notwendige Folge ist
die Einziehung der Reproduktion überhaupt, gleichgültig
ob sie in einem staatlichen Museum oder von einem zwei-
deutigen Händler feilgeboten wird.

Läßt man das subjektive Moment überhaupt gelten,
so gelangt man aber leicht noch weiter. Es ist eine ästhe-
tische Heuchelei, behaupten zu wollen, ein wahres Kunst-
werk könne nicht sinnlich — oder wie es in der Juristen-
sprache heißt: unzüchtig — wirken. Die feine Unter-
scheidung zwischen dem direkten und dem indirekten
Faktor des ästhetischen Genusses hindert nicht die Mög-
lichkeit, daß ein unreifer Beschauer vor der Venus des
Giorgione weniger die Schönheit des Kunstwerkes als den
sinnlichen Reiz, der von dem dargestellten nackten Weibe
ausgeht, empfindet. Gibt man diese Möglichkeit zu, — und
kein Sachverständiger dürfte sie an Gerichtsstelle ernstlich
in Abrede stellen wollen, — so ist die Konsequenz im
Sinne der neuesten Praxis, die der Justizminister mit an-
scheinend einleuchtenden Gründen verteidigte, die Ein-
ziehung dieser aufreizenden Kunstwerke selbst.

Es wäre eine juristische Heuchelei, das leugnen zu
wollen. Und es ist sehr zu befürchten, daß sich die Folgen
bald fühlbar machen werden, obgleich heute noch ver-
sichert wird, die Kunstwerke selbst sollten nicht getroffen
werden. Weil eine Grenze eben nicht zu ziehen ist, ergab
sich bereits die Notwendigkeit, Abbildungen von Kunst-
werken in staatlichem Besitz, die öffentlich ausgestellt sind,
zu konfiszieren. Vor dieser ersten Konsequenz hat man
sich nicht gescheut. Vielleicht schreckt die zweite. Denn
ebenso ließe es sich begründen, wenn ein neuer Savonarola
auf seinem Scheiterhaufen die Nacktheiten in Kunstwerken
aller Zeiten und Völker zu einem riesigen Autodafe zu-
sammentürmte.

Max Pechstein hat im Hause der Vereinigten Werk-
stätten für Kunst und Handwerk in Berlin einen Raum,

der von dem Architekten Gropius gestaltet wurde, mit
Wandgemälden geschmückt. In der Anlage sind sie denen
ähnlich, die vor zwei Jahren in einer Zehlendorfer Villa
entstanden. Wieder sind es freirhythmisch aufgebaute Akt-
kompositionen in idealer Landschaft. Die farbige Behand-
lung in den drei Tönen Ocker, Blau, Grün, zu denen das
Weiß des Malgrundes kommt, ist die gleiche. Auch die
Bildung der Einzelformen des Bodens und der Pflanzen
ist sehr ähnlich. Wasser und Luft sind aber in durchgehend
horizontaler Streifenbildung reiner ornamental behandelt
als in dem früheren Werke. Durch diese Eigentümlichkeit
nähert sich das Ganze nochmals mehr dem Charakter einer
Textilarbeit, und das Hinüberführen der Leinwand über
alle Ecken und Gliederungen der Wand, die prinzipiell ge-
wahrte Rahmenlosigkeit der Flächen betont ebenfalls diese
Eigenart. Der erste Raum war geschlossener, die Teile
glücklicher im Gleichgewicht. Hier kommt das Zwitter-
wesen des gemalten Gobelin mehr zum Bewußtsein. Man
möchte wünschen, daß die Technik einer breiten Webart
die Formengebung des Ganzen vereinheitlicht und den
Zwang der farbigen Beschränkung handwerklich begründet
hätte. Es ist ein Weg zum Wandteppich mehr als zum Fresko.

a.

Henry Holiday hat bei Heinemann in London seine
Lebenserinnerungen unter dem Titel »Reminiscences of
my Life« veröffentlicht. Da dieser Präraffaelit mit einer
großen Anzahl führender Persönlichkeiten seiner Zeit in
Verbindung gestanden hat, so bringt sein Werk mancherlei
interessante Tatsachen ans Licht.

FORSCHUNGEN

Phidiasstudien. In einer längeren fast durchaus
stilistischen Studie »Phidias und Kolotes« in dem eben
erschienenen archäologischen Jahrbuch (ausgegeben am
26. Januar) weist der Straßburger Archäologe E. Frickenhaus
eine, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in das Berliner
Museum gelangte und bereits früher von Kekule als den
Parthenongiebelfiguren (Tauschwestern) nahestehend er-
kannte Gewandstatue, die aus Venedig stammt, als eine
Kopie der Goldelfenbeinstatue der Aphrodite Urania in
Elis des Phidias nach, weil sie — abgesehen von den stil-
kritischen Gründen — auch den Fuß auf eine Schildkröte
setzt, wie Pausanias und Plutarch von der Phidiasischen
Aphrodite Urania erzählen. Möglicherweise könne die
Berliner Kopie sogar in der Zeit oder kurz nach der Zeit
des Originals entstanden sein. — Ferner sieht Frickenhaus
in dem gleichen trefflichen Aufsatz in der Athena Medici
(Ecole des Beaux-Arts in Paris), die Furtwängler in den
Parthenongiebel selbst setzen wollte, eine Kopie der
elischen Athena des Kolotes, des Schülers und Mitarbeiters
des Phidias, der 432 v. Chr. in Olympia mit dem großen
Meister in Verbindung gekommen ist. Außer den natür-
lichen Ähnlichkeiten des Stils von Meister und Schüler
spricht dafür, daß das Original der Athena Medici von
Kolotes stammen soll, weil Kolotes aus Herakleia in Elis
seine sämtlichen Werke, soweit wir sie kennen, für seine
Heimatlandschaft Elis schuf. Dazu kommt die einzige,
außerhalb der Kunstzentren Rom und Athen gefundene
Replik der Athena gerade aus Elis, wohl weil sie ein
Weihgeschenk im Typus des dortigen Kultbildes war. —
Dem gleichen Phidiasschüler und Übernehmer von seines
Meisters letztem Stil schreibt Frickenhaus den Dresdener
Zeus zu. M.

— Zum

— Ver-

Inhalt: Raffaels Zeichnungen. — Filippo Carcano t- — Personalien. — Künstlerwettbewerbe. — Ausstellungen in Berlin, München, Paris.

Bau der neuen Dresdener Gemäldegalerie; Kunstgewerbe-Museum in Königsberg i. Pr.; Londoner Victoria-und Albert-Museum.
mischtes. — Phidiasstudien.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraßella
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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