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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Wertzuwachs von Kunstwerken
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KUNSTCHRONIK

jgjNeue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 24. 6. März 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
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WERTZUWACHS VON KUNSTWERKEN
Der unerhört hohe Preis, der auf einer Pariser
Versteigerung des vergangenen Jahres für einen Degas
bezahlt wurde, hat die alte Bewegung aufs neue in
Fluß gebracht, die eine Beteiligung der Künstler an
dem Wertzuwachs ihrer Werke durchsetzen will. Und
es scheint, daß es nun auch zu positiven Resultaten
kommen soll. Aus Paris kommt die Nachricht, daß
der Kammerausschuß für die schönen Künste einen
Antrag annahm, nach dem bei öffentlichen Versteige-
rungen von Kunstwerken der Künstler oder seine
Erben während 50 Jahren nach seinem Tode einen
bestimmten Prozentsatz von dem Erträgnis erhalten
sollen.

Die Ungerechtigkeit des Gesetzes liegt auf der
Hand. Warum soll nur die öffentliche Versteigerung
getroffen werden, und warum nicht jeder Verkauf
überhaupt? Und in der Antwort auf diese Frage liegt
zugleich das Bedenken gegen die Möglichkeit einer
Erfüllung der gewiß idealen Forderung überhaupt.
Der Besitzwechsel entzieht sich der Kontrolle, soweit
er nicht in öffentlicher Versteigerung vor sich geht. Der
normale Kunsthandel ließe sich vielleicht noch fassen.
Auf ihn kann es aber sehr viel weniger abgesehen
sein als auf die Tätigkeit des Marchand-amateur und
vor allem auf die Verdienste des Sammlers. Denn
der notwendig raschere Umsatz des Kunsthandels läßt
es gewöhnlich nicht zu so auffallenden Preissteigerungen
kommen, wie sie sich bei jähre- und oft jahrzehnte-
langem Sammelbesitz ergeben können.

Keinem Künstler kann man es verdenken, wenn
er dem Sammler den Verdienst neidet, der seiner Ar-
beit zukommen sollte. Aber man vergißt das Risiko
des Käufers, und man denkt nicht daran, daß in 99
von 100 Fällen dieser der Leidtragende ist. Eine
Statistik über das jährlich für Werke lebender Künstler
verausgabte Kapital und die Wertschwankungen im
Verlaufe einiger Jahrzehnte würde ein erstaunliches
Resultat ergeben, und die Wertsteigerungen, von denen
die Öffentlichkeit erfährt, würden trotz ihrer oft im
Einzelfall beträchtlichen Höhe bei weitem nicht die
Wertminderungen aufwiegen, die ihnen entgegenstehen.
Das ist nationalökonomisch sehr wohl begreiflich.
Die Arbeit des Künstlers wird entlohnt wie jede
andere auch, und sein Werk wird verbraucht wie alle
Erzeugnisse menschlicher Betätigung. Nur wenigen
Dingen kann eine Lebensdauer über ihre eigene Zeit
hinaus beschieden sein, und nur für diese wenigen
kommt eine bleibende Wertsteigerung in Frage.

So wäre es nur eine billige Gegenforderung der
Sammler, daß die Künstler nicht an dem Wertzuwachs
allein, sondern an jeder Wertveränderung überhaupt
beteiligt sein sollten. Sie müßten Verluste zu tragen

helfen, wie sie am Verdienst ihren Anteil erhalten.
Und dem französischen Gesetz im besonderen könnte
dann gerade seine Ausdehnung auf einen Zeitraum
von 50 Jahren nach dem Tode verhängnisvoll werden,
da nur die wahren Meisterwerke die Reaktion, die
ihrer Zeit notwendig folgen muß, zu überwinden ver-
mögen.

Von der Ungerechtigkeit eines Gesetzes, wie es
jetzt in Frankreich vorbereitet wird, braucht man
eigentlich nicht zu reden. Sie ist zu offenkundig.
Aber auch schwere Gefahren liegen nahe. Es ist
verhältnismäßig belanglos, daß wahrscheinlich die
höheren Werte moderner Kunst aus den Versteige-
rungen verschwinden werden, wenn der freihändige
Verkauf nicht betroffen werden soll. Es liegt aber
sehr nahe, das Gesetz bald auf jeden Verkauf über-
haupt auszudehnen, und wenn es anderwärts Nach-
ahmung findet, von vornherein trotz der leicht ersicht-
lichen Schwierigkeiten alle Verkäufe von Kunstwerken
einzubeziehen. Dann ist eine Abwanderung der
Sammler zu befürchten.

Die Künstler werden vielleicht einwenden, daß sie
auf Kunstsammler, die an Geldeswert denken, gern
Verzicht leisten. Aber die Psychologie des Sammeins
ist nicht ein so einfaches Kapitel, und die Lust am
Sammeln moderner Kunst sollte man nicht durch
gesetzliche Einschränkungen noch trüben, da sie ohne-
dies durch die höhere Sicherheit der Werte alter Kunst
ständig bedroht wird. Die Sammler werden sich nicht
leicht an den Gedanken gewöhnen, daß ihr Besitz
ihnen nicht ganz und ohne Einschränkung gehört.
Und nicht wenige werden es vorziehen, alte Kunst-
werke zu kaufen, an deren Wertzuwachs nicht ein
entfernter Verwandter des Künstlers beteiligt ist.

Die Einbuße, die die Künstler so erleiden, kann
leicht die geringen Vorteile der Wertzuwachsbeteiligung
ausgleichen. Es kommt aber noch eines hinzu. Ge-
rade die Sammler sind häufig der erste Anlaß der
hohen Preissteigerungen. Der Kunsthandel braucht
ständigen Umsatz. Nur der Sammler, der nicht die
Absicht hat, zu verkaufen, kann die überraschenden
Preise erzielen, weil überhaupt erst das unerwartet hohe
Gebot seinen Besitz lockert. Und allein von diesen
Zufallspreisen hängen oft die jähen Wertsteigerungen ab,
von denen der Künstler, wenn er noch am Leben ist und
produziert, selbst ja am meisten Vorteil hat. Es wäre
Torheit, auf diese Chance zu verzichten zugunsten
einer geringen Beteiligung an einzelnen Verkäufen.
Und bei Lichte besehen wird so das Gesetz zu einer
Witwen- und Waisenversorgung und zum Schutze
schwacher Künstler, deren beste Leistungen in der
Vergangenheit liegen.

Das sollte man reiflich überlegen, sollte vor allem
 
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