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Ausstellungen
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Figuren. Ein Stück französischer Biedermeierzeit führt er
uns vor, aber wer denkt an den Gegenstand, wenn er
diese Fülle und Feinheit der farbigen Valeurs in so har-
monischer Vereinigung vor dem Repoussoir des einfachen
grauen Hintergrundes sieht? Wieder ganz anders, aber
nicht minder großartig, tritt uns Corot sodann in der Frauen-
figur auf schwarzem Grunde entgegen, die in der Kraft der
leuchtenden Farben ihrer Gewandung — weißes Hemd
mit blauer Schleife, schwarzes Mieder, erdbeerfarbenes
Kopftuch — so körperlich vor uns steht und auch als
Charakterbild rassiger Kraft und stolzer Energie uns im-
poniert. Wie weit ist diese Wirkung mit starken Farb-
massen entfernt von der zarten Weichheit des Tons in
Corots Landschaften! Ungemein fein in der Abtönung des
weißen Gewandes und seelenvoll im Ausdruck ist dann
die junge Griechin aus Dresdner Privatbesitz, und nicht
minder fein im Ton ist die Frauenfigur auf schwarzem
Grunde aus der Sammlung Schmitz.
Es folgt weiter Honore Daumier (1810—79), der
zugleich einer der schärfsten zeichnenden Karikaturisten
und einer der größten Maler Frankreichs war. Die ganze
Kraft seiner gewaltigen Ausdruckskunst, die eindringliche
Sprache seines Helldunkels und die Stilisierung mit Flächen
und Massen offenbart sich in dem berühmten Bilde »Im
Wagen dritter Klasse« (aus der Sammlung Rothermundt in
Dresden), ähnlich in den beiden Atelierszenen »Der Maler«
Auguste Renoir: Liebespaar im Walde
(Ausstellung französischer Malerei des 19. Jahrh. in der Oalerie Arnold in Dresden)
und »Der Bildhauer« und in der flott hingeworfenen »Sere-
nade«. Wie er das innere Wesen des gemeinen Menschen-
tums mit pessimistischem Scharfblick erfaßte und im Aus-
druck steigerte, ersieht man vor allem in der langen Reihe
von Lithographien, die in guten Abdrucken vorliegen. Seine
Kunst des Stilisierens in der Malerei wird deutlich in den
beiden Badeszenen, deren eine die Studie nach der Natur
ist, während die andere, weit überragende, im Atelier ent-
standen ist.
Istjean Francois Millet, der große soziale Schilderer
der Bauern im Zusammenhang mit der Scholle, mit einem
einzigen, wenn auch guten Gemälde »Hund mit Katze« nur
mangelhaft vertreten, so tritt uns Gustave Courbet (1819
—77) um so großartiger entgegen. - Außer dem berühm-
ten Gemälde »der Steinklopfer« aus der Dresdner Galerie
finden wir in der Ausstellung vor allem drei prachtvolle
Landschaften aus der Sammlung Hugo Schmeil in Dresden.
Es lebt eine Einheit der Empfindung, eine feste, große
Haltung, eine Frische des zarten Grüns in diesen Land-
schaften, wie sie zur Zeit der Entstehung dieser Bilder
ganz ungewohnt war, und das ist um so bewunderns-
würdiger, weil sie noch heute an der Stärke der Wirkung
nichts eingebüßt haben. Nicht minder stark in geschlossener
Wirkung ihres Aufbaus wirken die beiden Blumenstilleben
aus den Sammlungen Schütte und Biermann in Bremen.
In allen diesen großartigen und reifen Leistungen einer
zusammenfassenden malerischen Kunst, zu denen noch
einige kleinere kommen, erscheint uns der demokratische
Revolutionär, als den sich Courbet so gern bezeichnete, als
einer der großen Altmeister der Kunst, dessen Bilder sich
den großen Werken aller Zeiten anreihen.
Neben Courbet, den letzten alten Meister, tritt
Edouard Manet (1832—83), der Mann des neuen Pro-
gramms, der die Malerei im Verein mit seinen Genossen
zum Freilicht und zum Impressionismus führte. Er ist mit
nicht weniger als 13 Bildern vertreten. Da ist der Junge
mit Hund (aus der Sammlung Reber in Barmen), der noch
an Manets frühe Abhängigkeit von Velazquez erinnert, da
das solid und reif gemalte Melonenstilleben, das Max Lieber-
mann sein eigen nennt, da das keck hingestellte Selbst-
bildnis in ganzer Figur (aus Dresdner Privatbesitz) —
Bilder, die alle noch nicht das neue Programm zeigen. Es
folgt das Bildnis des Kunstkritikers Albert Wolff, der so
wenig Verständnis für die ihm ungewohnte Malweise
Manets an den Tag legte, daß dieser ihn aus dem Atelier
wies und das Bildnis unvollendet stehen ließ. Die weitere
Entwicklung Manets zeigen dann die Landschaften, be-
sonders das farbenstarke Bild der bewegten Seine bei
Argenteuil (aus der Sammlung Behrens in Hamburg) und
die farbig wie zeichnerisch so knapp gefaßten beiden See-
stücke. Noch weiter führen uns: das bekannte figuren-
reiche Spiegelbild der Bar in den Folies Bergere, ein
Stück Wirklichkeitsmalerei von fast erschreckender Wahr-
heit, das reizvolle feine Bild der Modistin (aus der Samm-
lung G. Schmitz in Berlin),^die im Schmucke ihres schwarzen
Spitzentuchs, ihres blonden Haars und ihrer zarten Gesichts-
farbe so wirkungsvoll vor dem Hintergrunde der geblümten
grauen Tapete steht — ein Fest feinsten Farbensinns. Dazu
kommen endlich die mit wenigen Mitteln so sicher und
lebenswarm modellierten Akte der beiden badenden Frauen,
die zu den Meisterwerken stilisierenderFreilichtmalerei zählen.
An Manet schließen sich seine Mitkämpfer für den
Impressionismus an, zuerst Claude Monet. Sieben Bilder
sind von ihm vorhanden, z. B. die Dünen bei Dieppe, die
in farbigem Licht erstrahlende Aussicht auf die Alpen vom
Cap d'Antibes, der Dogenpalast — Zeugnisse, wie Monet
überall seine Motive holte, um sie uns in seiner neuen
Malweise im leuchtenden Licht und in klarer Farbigkeit als
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Figuren. Ein Stück französischer Biedermeierzeit führt er
uns vor, aber wer denkt an den Gegenstand, wenn er
diese Fülle und Feinheit der farbigen Valeurs in so har-
monischer Vereinigung vor dem Repoussoir des einfachen
grauen Hintergrundes sieht? Wieder ganz anders, aber
nicht minder großartig, tritt uns Corot sodann in der Frauen-
figur auf schwarzem Grunde entgegen, die in der Kraft der
leuchtenden Farben ihrer Gewandung — weißes Hemd
mit blauer Schleife, schwarzes Mieder, erdbeerfarbenes
Kopftuch — so körperlich vor uns steht und auch als
Charakterbild rassiger Kraft und stolzer Energie uns im-
poniert. Wie weit ist diese Wirkung mit starken Farb-
massen entfernt von der zarten Weichheit des Tons in
Corots Landschaften! Ungemein fein in der Abtönung des
weißen Gewandes und seelenvoll im Ausdruck ist dann
die junge Griechin aus Dresdner Privatbesitz, und nicht
minder fein im Ton ist die Frauenfigur auf schwarzem
Grunde aus der Sammlung Schmitz.
Es folgt weiter Honore Daumier (1810—79), der
zugleich einer der schärfsten zeichnenden Karikaturisten
und einer der größten Maler Frankreichs war. Die ganze
Kraft seiner gewaltigen Ausdruckskunst, die eindringliche
Sprache seines Helldunkels und die Stilisierung mit Flächen
und Massen offenbart sich in dem berühmten Bilde »Im
Wagen dritter Klasse« (aus der Sammlung Rothermundt in
Dresden), ähnlich in den beiden Atelierszenen »Der Maler«
Auguste Renoir: Liebespaar im Walde
(Ausstellung französischer Malerei des 19. Jahrh. in der Oalerie Arnold in Dresden)
und »Der Bildhauer« und in der flott hingeworfenen »Sere-
nade«. Wie er das innere Wesen des gemeinen Menschen-
tums mit pessimistischem Scharfblick erfaßte und im Aus-
druck steigerte, ersieht man vor allem in der langen Reihe
von Lithographien, die in guten Abdrucken vorliegen. Seine
Kunst des Stilisierens in der Malerei wird deutlich in den
beiden Badeszenen, deren eine die Studie nach der Natur
ist, während die andere, weit überragende, im Atelier ent-
standen ist.
Istjean Francois Millet, der große soziale Schilderer
der Bauern im Zusammenhang mit der Scholle, mit einem
einzigen, wenn auch guten Gemälde »Hund mit Katze« nur
mangelhaft vertreten, so tritt uns Gustave Courbet (1819
—77) um so großartiger entgegen. - Außer dem berühm-
ten Gemälde »der Steinklopfer« aus der Dresdner Galerie
finden wir in der Ausstellung vor allem drei prachtvolle
Landschaften aus der Sammlung Hugo Schmeil in Dresden.
Es lebt eine Einheit der Empfindung, eine feste, große
Haltung, eine Frische des zarten Grüns in diesen Land-
schaften, wie sie zur Zeit der Entstehung dieser Bilder
ganz ungewohnt war, und das ist um so bewunderns-
würdiger, weil sie noch heute an der Stärke der Wirkung
nichts eingebüßt haben. Nicht minder stark in geschlossener
Wirkung ihres Aufbaus wirken die beiden Blumenstilleben
aus den Sammlungen Schütte und Biermann in Bremen.
In allen diesen großartigen und reifen Leistungen einer
zusammenfassenden malerischen Kunst, zu denen noch
einige kleinere kommen, erscheint uns der demokratische
Revolutionär, als den sich Courbet so gern bezeichnete, als
einer der großen Altmeister der Kunst, dessen Bilder sich
den großen Werken aller Zeiten anreihen.
Neben Courbet, den letzten alten Meister, tritt
Edouard Manet (1832—83), der Mann des neuen Pro-
gramms, der die Malerei im Verein mit seinen Genossen
zum Freilicht und zum Impressionismus führte. Er ist mit
nicht weniger als 13 Bildern vertreten. Da ist der Junge
mit Hund (aus der Sammlung Reber in Barmen), der noch
an Manets frühe Abhängigkeit von Velazquez erinnert, da
das solid und reif gemalte Melonenstilleben, das Max Lieber-
mann sein eigen nennt, da das keck hingestellte Selbst-
bildnis in ganzer Figur (aus Dresdner Privatbesitz) —
Bilder, die alle noch nicht das neue Programm zeigen. Es
folgt das Bildnis des Kunstkritikers Albert Wolff, der so
wenig Verständnis für die ihm ungewohnte Malweise
Manets an den Tag legte, daß dieser ihn aus dem Atelier
wies und das Bildnis unvollendet stehen ließ. Die weitere
Entwicklung Manets zeigen dann die Landschaften, be-
sonders das farbenstarke Bild der bewegten Seine bei
Argenteuil (aus der Sammlung Behrens in Hamburg) und
die farbig wie zeichnerisch so knapp gefaßten beiden See-
stücke. Noch weiter führen uns: das bekannte figuren-
reiche Spiegelbild der Bar in den Folies Bergere, ein
Stück Wirklichkeitsmalerei von fast erschreckender Wahr-
heit, das reizvolle feine Bild der Modistin (aus der Samm-
lung G. Schmitz in Berlin),^die im Schmucke ihres schwarzen
Spitzentuchs, ihres blonden Haars und ihrer zarten Gesichts-
farbe so wirkungsvoll vor dem Hintergrunde der geblümten
grauen Tapete steht — ein Fest feinsten Farbensinns. Dazu
kommen endlich die mit wenigen Mitteln so sicher und
lebenswarm modellierten Akte der beiden badenden Frauen,
die zu den Meisterwerken stilisierenderFreilichtmalerei zählen.
An Manet schließen sich seine Mitkämpfer für den
Impressionismus an, zuerst Claude Monet. Sieben Bilder
sind von ihm vorhanden, z. B. die Dünen bei Dieppe, die
in farbigem Licht erstrahlende Aussicht auf die Alpen vom
Cap d'Antibes, der Dogenpalast — Zeugnisse, wie Monet
überall seine Motive holte, um sie uns in seiner neuen
Malweise im leuchtenden Licht und in klarer Farbigkeit als