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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Biehl, Walther: Die Galerie der Domkuppel zu Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0262

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 35. 22. Mai 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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DIE GALERIE DER DOMKUPPEL ZU FLORENZ

Die Galerie am Äußeren der Domkuppel, die von
Baccio d'Agnolo in den Jahren 1509—15 begonnen wurde,
aber dann unvollendet blieb, — angeblich weil Michelangelo
das böse Spottwort vom »Grillenkäfig* darauf prägte, —
soll jetzt nach vierhundertjähriger Pause doch noch zu
Ende geführt werden.

Am 23. April ist das »Comitato Esecutivo per la Costru-
zione della Facciata del Duomo« zusammengetreten, um
sich über die Einleitung der neuen Arbeit zu beraten. Zu-
nächst wurde ein Programmentwurf für einen internatio-
nalen Wettbewerb begutachtet, der von Giuseppe Castel-
lucci, dem Architekten der Dombauhütte, und von Agenore
Socini, dem Soprintendente ai Monumenti di Firenze, unter
dem Vorsitz des Fürsten Tommaso Corsini ausgearbeitet
worden ist. Es wurde beschlossen, dieses Programm zu-
sammen mit einem historischen Bericht Giovanni Poggis,
des Direktors der Uffizien, bis Ende Mai der »Deputazione
promotrice« zu unterbreiten.

Diese Nachricht wird auch in Deutschland großes
Interesse erwecken. —

Der klaffende Riß zwischen Tambur und Kuppel, der
ein vermittelndes Glied gebieterisch heischt, hat in seiner
nackten Häßlichkeit wohl noch jeden Besucher von Florenz
melancholische Betrachtungen darüber anstellen lassen,
welches Unheil das beißende Wort aus dem Munde eines
großen Mannes stiften kann.

Das Galeriefragment an der Süd-Ostseite des Oktogons
verdiente diese vernichtende Kritik gewiß nicht. Es ist eine
tüchtige Arbeit der reifen Hochrenaissance, — ein wenig
kühl, allgemein und unpersönlich, aber im Ganzen doch
den Linien Brunelleschis treffend angepaßt. Der Entwurf
geht auf ein Modell zurück, das von Cronaca, Giuliano da
San Gallo und Baccio d'Agnolo gemeinsam hergestellt
worden war. Unter der Bedingung, daß ein älteres Modell
Antonio Manettis noch Berücksichtigung fände, wurde die
Ausführung am 8. November 1507 beschlossen und von
1509 ab unter der Leitung Baccios in Angriff genommen.
Im Jahre 1515 wurde die Arbeit abgebrochen, — wie
Vasari in der Biographie Baccios berichtet: auf Betreiben
Michelangelos, der selbst ein neues Modell entworfen habe.
»Die Sache wurde lange von vielen Künstlern und kundigen
Bürgern vor dem Kardinal Giulio de' Medici verhandelt;
und schließlich wurde weder das eine, noch das andere
Modell ausgeführt.« Studien zu dem Modell Michelangelos
suchten Geymüller und Thode unter den Zeichnungen der
Casa Buonarroti nachzuweisen (vgl. Thode, Verzeichnis der
Zeichnungen Michelangelos Nr. 78 und 117). Frey hat da-
gegen polemisiert. (Die Handzeichnungen Michelangelos,
1911, p. 84/85.) Nach ihm gehört die (psychologisch fein
begründete) Anekdote Vasaris ins Reich der Künstlerfabel.
Das Galeriefragment Baccios hätte nach Cambis Chronik
von Florenz schon am Enthüllungstage (Johannistag 1515)
niemand befriedigt und die Sistierung der Arbeit sei be-
schlossene Sache gewesen, ehe Michelangelo aus Rom
zurückkehrte. Frey möchte — wenig befriedigender Weise!
— die erwähnten Zeichnungen auf den Bau der Sagrestia
nuova von S. Lorenzo beziehen, für dessen kleine Ver-
hältnisse die ins Große gehenden Entwürfe nicht passen

wollen und mit dem die charakteristischen Kragsteine
Brunelleschis, die auf der einen Zeichnung deutlich ver-
merkt sind, nichts zu tun haben. Immerhin bedarf die
Frage nach dem »Modell« Michelangelos noch der Nach-
prüfung.

Unentschieden ist auch noch die Zuweisung der in der
Domopera vorhandenen Modelle an bestimmte Meister.

Unter Nr. 136—143 werden acht Modelle aufbewahrt
die bei der Konkurrenz vom 8. November 1507 einliefen.
Wir wissen aber weder, ob dies wirklich alle eingelaufenen
Modelle sind, noch läßt sich mit Sicherheit das gemeinsame
Modell Cronacas, San Gallos und Baccios darunter fest-
stellen. Weiter existiert unter Nr. 144 noch ein älteres
Modell, das — ohne sichere Begründung — als dasjenige
Antonio Manettis gilt. Man sieht, die Künstler, die sich
über die gegebenen Bedingungen der Aufgabe Klarheit
verschaffen wollen, werden ein Stück Arbeit leisten müssen
an Stilkritik und historischer Konjektur. Schließlich wird
der künstlerische Takt der Auswahl auch hier wieder die
letzte Instanz bleiben.

Erwähnt sei noch der fleißige Versuch des Ingenieurs
Arnaldo Ginevri, der bereits 1903 ein neues Projekt für
den Ausbau der Galerie aufstellte. Er veröffentlichte seine
Studien in der Rassegna d'Arte (Bd. III, p. 20ff.) unter
dem Titel: II Fregio della Cupola di Santa Maria del Fiore,
— ohne rechten Widerhall für seine Vorschläge zu finden.
Wohl nicht ohne Grund. Denn wenn es auch sein Ver-
dienst bleibt, zuerst wieder in der Öffentlichkeit Interesse
für die Kuppelgalerie erweckt zu haben, so muß doch ge-
sagt werden, daß sein Entwurf, der eine endlose Reihung
kleiner, auf Konsolen ruhender Säulchen unter geradem
Gebälk vorsieht, jeglicher Überzeugungskraft entbehrt. Die
»Kleinlichkeit des Motivs«, die man — kaum mit Recht! —
der Galerie Baccios vorwirft, macht den Entwurf Ginevris
unmöglich. Die Galerie Baccios erscheint daneben als eine
Monumentallösung.

Werden moderne Künstler überhaupt imstande sein,
etwas Besseres zu finden? Der Abstand von Brunelleschi
ist heute größer denn je. Und Baccio kam dem Meister
der Kuppel in seinem Empfinden doch noch recht nahe.
Die Erfahrungen, die bei den Fassaden des Doms und von
S. Croce gemacht wurden, lassen modernen Galerieent-
würfen skeptisch entgegensehen. Man kommt immer wie-
der auf die Fragestellung zurück: Wenn die Galerie über-
haupt ausgebaut werden soll, warum dann nicht nach dem
Modell Baccios? Die Fortführung des schon begonnenen
Werkes, das die Probe von Jahrhunderten bestand, wäre
doch die einfachste Lösung! Der Schatten Michelangelos
sollte heute nicht mehr dagegen beschworen werden. Auch
Michelangelo hat geirrt — besonders in Beurteilung fremder
Leistungen! Man möchte von der destruktiven Kritik Freys
in diesem Falle das Gute erhoffen, daß sie die Florentiner
zur Revision eines zum Dogma erhobenen Verdikts bringe.

Da es aber doch wohl zur Ausschreibung der Welt-
konkurrenz kommen wird, so seien hier die Anweisungen
Brunelleschis wiedergegeben, die er in seinem Bauprogramm
vom April 1420 niederlegte:

»Faciasi 1° andito di fuori sopra gli occhi, che sia di
sotto imbeccatellato, con parapetti straforati e d'altezza di
 
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