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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Baldass, Ludwig: Die Umhängung der Gemäldegalerie des allerhöchsten Kaiserhauses in Wien: Rubens und van Dyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0302

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 40. 31. Juli 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 41, erscheint Mitte August

DIE UMHÄNGUNG DER GEMÄLDEGALERIE DES
ALLERHÖCHSTEN KAISERHAUSES IN WIEN.
Rubens und van Dyck.
Die im Mai dieses Jahres dem Publikum neu er-
öffneten Säle XIII, XIV und XV samt dem Kabinett XIV
enthalten vielleicht die größten Schätze, die die reiche
kaiserliche Sammlung neben der Serie von Werken
des Bauernbrueghel besitzt. Es sind hier in neuer
Gruppierung die Meisterwerke von Rubens und van
Dyck samt einigen Werken der Schule auf die Wände
verteilt worden. Es ist allbekannt, wie wenig das
so übermäßig prunkvolle Schwesterhaus am Burgring
modernen d. i. sinngemäßen Museumszwecken ent-
spricht. Alle die so oft besprochenen Mängel, wie
die überhohen, schlecht proportionierten und durch
die seitlich eingesetzten Türen unschön gegliederten
Oberlichtsäle, der z. B. für die Meisterwerke van Dyck-
scher Porträtkunst so übermäßig empfindliche Mangel
an mittleren Sälen, die verhältnismäßig kleinen Kabi-
nette mit den ganz unsinnig konkav gebuchteten
Seitenwänden, die schweren aus schwarzem Kunststein
ausgeführten Sockel, die auf kleine und farbenzarte
Bilder förmlich einen Druck von unten ausüben, er-
schwerten auch hier eine Hängung, deren Bestrebung
es war, jedem einzelnen Kunstwerk den ihm nach
künstlerischem Wert und historischem Interesse ge-
bührenden und seinem Lichtbedürfnis entsprechenden
Platz in harmonischer Umgebung anzuweisen. Es
ist bei der Hängung jeder, selbst der günstigst ge-
bauten Galerie, die doppelte Aufgabe zu lösen, ein
dekorativ wohlgefälliges Gebilde hervorzubringen
durch eine ausgleichende Aufteilung der Massen und
eine Auslese der im Ton harmonierenden Gemälde
für jede Wand und womöglich für jeden Raum und
andrerseits durch eine Vereinigung von Werken der-
selben Schule, desselben Meisters und vor allem des-
selben Stils sowie durch eine chronologisch ethno-
graphisch angeordnete Folge der Säle dem Kunst-
historiker das Studium zu erleichtern. Die alte, bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts übliche Art der Aufstellung,
wie wir sie heute noch in den französischen Museen
— das abschreckendste Beispiel ist wohl die Galerie
von Montpellier — schmerzhaft empfinden müssen,
zerhieb diesen Knoten, anstatt ihn zu lösen, indem
sie durch völliges Bepflastern der Wände die archi-
tektonisch dekorative Wirkung der einzelnen Bild-
formate aufzuheben bestrebt war und sich kunsthistorisch
dadurch half, daß sie z. B. einen Raum ganz mit vlämisch-
holländischen Stilleben füllte oder auf einer Wand
nur Bildnisse eines Künstlers vereinte, ohne dem Auge
durch Trennung der Bildsujets Ruhepunkte zu ge-
währen. Wie unglücklich eine nicht von einem

kunsthistorisch einheitlichen Gedankengang geleitete
Aufstellung einer Galerie bei Anwendung aller modernen
und modernsten Hängungsprinzipien1) wirken kann,
beweist die in einzelnen Teilen so gänzlich mißlungene
NeuhängungderNational-Gallery inLondon. Um
Platz zu gewinnen, hat man die Deutschen, die Nieder-
länder des 15. und 16. Jahrhunderts und einen Teil
der Oberitaliener des Quattrocento in die ein wenig
kellerartig wirkenden Räume des Erdgeschosses unter-
gebracht und dabei leider auch nicht immer den
besten Bildern das beste Licht gegeben, sondern z. B.
das sehr schöne große männliche Bildnis aus der
Reifezeit Gossaerts an einem Eckpfeiler zwischen zwei
Lichtquellen sehr ungünstig placiert. Nun scheint
man doch empfunden zu haben, daß diese Art der
Unterbringung im Untergeschoß eine etwas degra-
dierende ist, und so hat man die Bildnisse des van
Eyck und Petrus Christus von den übrigen Altnieder-
ländern ganz losgerissen, hat im Hauptstock in ein
verborgenes Seitenlichtkabinett, das schwächere Hol-
länder des 17. Jahrhunderts aufzunehmen bestimmt
wurde, eine Scherwand genau parallel zum Fenster
errichtet — man stelle sich vor, was das bei beglasten
Bildern durch die nicht zu vermeidende Spiegelung
für eine Erschwerung der Betrachtung ergibt •— und
hier die schönste Perle der Sammlung, das Vermäh-
lungsbild des Arnolfini und die anderen Porträts von
Jan van Eyck deponiert. Aber ebenso vergeblich wie
nach den Bildern Eycks sucht man nach der großen
Epiphanie Gossaerts und im deutschen Saal nach
Holbein. Die Gesandten findet man dann endlich
in den englischen Sälen, in einem Raum mit Hogarth.
Von diesem englischen Saal aus gelangt man in einen
kleinen Oberlichtraum, in ein Sackzimmer, das man
leicht übersieht und schwer wieder findet. Hier
hängen die Meisterwerke Tizians, Tintorettos Georg,
Holbeins dänische Prinzessin, die großen Porträts
von Moretto und Moroni, Gossaerts Anbetung, der
Doge Bellinis und des Rubens Chapeau de poil in
holdester Eintracht beisammen, alle ganz losgelöst von
den übrigen Venezianern, Flamen, Deutschen usw.
Die alte unsinnige Idee einer die Meisterwerke aller
Schulen zusammenpfropfenden Tribuna scheint hier
wieder aufgewacht zu sein. Dabei ist es nicht einmal
klar, ob wirklich eine Tribuna beabsichtigt ist, denn
unter diese Meisterwerke mischen sich andere von

1) Zu ihren Unarten rechne ich, wenn in modernen
Ausstellungen und auch vereinzelt in Museen, z. B. gerade
bei den Primitiven der National-Gallery, der uralte Unfug
wieder Mode wird, Bilder so lief aufzuhängen, daß der
Beschauer sich zum mindesten niederknien muß, um das
Gemälde in Augenhöhe besichtigen zu können.
 
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