und die ersten, kräftigen Lichter schießen durch schlcmke
dürre Sträuche, über jngendlich dahinstürmende Bäche, oder
in der Herbstesstille, da die roten Blätter sallen auf die
feuchte, schaudernde Erde. Kaum Einer oermag die Melan-
cholie des dcutschen Herbstes so zu verdichten, kaum Einer so
das Schweigen der Erde! An den Wassern liebt Carl
Theodor Meyer-Basel zu schwärmen: Verschwiegene
Weiher, Stromschnellen am Wehr, graue Binnenseen — nnd
immcr der Horizont so fern. Die charakteristischen, aufgelösten
Luftwellen nasser Landstriche. Alles in Tan und weißlichen
Dnnst gesenkt und alles so herzhaft und ursprünglich. An den
Ufern ist's wild nnd unwegsam; hohes Riedgras, wirres Ge-
büsch, knorrige Baumstämme, — hier und dort ein windschiefes
Fischerhaus. Jm Äther ein verlorener Vogel. Ein schneller,
treffender Blick für echte Motive, eine sichere, breite Hand
zeigen sich überall .... Diesen Persönlichkeiten verwandt,
wuchs in der Stille ein neues, starkes Talent heranf: Georg
Flad. Stets dichterisch gestimmt und von himmelblauer
Heiterkeit. Mit kräftigem Schritt geht er dnrch die Natur, und
Schwermut trübt nicht sein zugreifendes süddentsches Element.
Er hat die Helle stndirt, den flimmernden Zanber des Sommer-
sonnenlichtes, wie es das satte Grün der Wiesen anflöst und
die festen, harten Dinge menschlicher Kultur nmwogt nnd um-
streift. Ein sanftes Hügelland, in dem ein schlichtes Dorf so
behaglich untertancht, — ein üppiges Feld, von ernsten Bänmen
nnterbrochen, — das sind so seine Lieblingsplätze.
Eine reiche Fülle des Könnens thut sich hier anf, und
doch nur die besonderen Erscheinungen kann man in der Be-
trachtung festhalten. Aber nennen will ich noch: den lebhaften
Walther Leistikow, den tüchtigen Weißhaupt, der
sich so merkwürdig entwickelt, den redlichen Lndwig Dill,
Len behaglichen Peter Paul Müller, den schottisch an-
geregten Fritz Baer nnd seine ungewöhnlich begabte Gattin,
Carola Baer-Mathes. Ei, ei, Herr Baer, wie kann man
so hübsche, sreie, moderne Sachen malen und dabei dnrch
flache antisezessionistische Artikelchen die Geschäste seiner natür-
lichen Gegner betreiben? Schlimme Sitten das, den eigenen
Schulmeister zu prügeln! Oder wohnen zwei Seelen —?
Jn vollendeter Freiheit schafft Gotthardt Kuehl. Für
ihn giebt es keine künstlerischen Prädilektionen, — er hält alles,
was seine guten, scharsen Augen fassen. Er ist der größte Virtuose
unter den Deutschen: Nicht jene Virtuosität, meine ich, die mit
tadellos arbeitender Gewandtheit von Bild zu Bild sich ab-
schreibt — sondern jene geistreiche, schöpferische Sicherheit,
die alles trisft, was sie will, die immer ihre selbstbestimmten
Wirknngen beherrscht, die immer neu und immer gleich-
wertig ist. Da sind starke Jmpulse und blühend-gesundes
Temperament. Jn schnellen Studien thut Knehl dem
Künstlertriebe Genüge, der seinen schaffenden Anteil begehrt
an der Natur. Seine Arbeiten sind sehr gesucht, vornehmlich
von Künstlern, — sranzösischen Meistern. Dieser breitschultrige,
derb-gemütliche Lübecker ist in Paris berühmter als in Deutsch-
land, wo ihn bis vor knrzem nur Auserwählte kannten
und fast Niemand — kauste. Da er vom Auslande so gut
empfohlen war, (wie ost muß man diese beschämende That-
sache seststellen!) begannen auch meine Dentschen ihm nach und
nach die Ehre ihres Jnteresses zu schenken. Nun hat er ziem-
lich sicheren Boden in München. Besonders, wenn man ihn
braucht, weiß man ihn zu finden. Jmmer znr Frühlingszeit,
wenn die internationale Werbetrommel gerührt werden soll.
Ohne Gotthardt Kuehls persönliche Vermittlerdienste würde,
glaub ich, kein Pariser Bild herübergeschickt werden ....
Ein niederdeutscher Zng geht durch seine lebenssreudige Kunst.
Ein Volkstümliches. Der Bauernschlag der Heimat, Schiffers-
lente, der fleißige Handwerker, die crscheincn ost nnd eigen-
artig. Weiße Hanben, Holzschnhe und Theerjacken. Weiße
Stuben mit wenigem ungefügem Gerät, — der Brodem
schweißiger Arbeit — dazn die helle, liebe Sonne, die sich
zwischen den schlichten vier Wänden fängt. Kuehl malt die
seinsten Jnterieurs, die man finden kann. Oder auch dic
Kirche nnd ihre sonderbare Atmosphäre, — den Chor, wo die
Waisenmädchen sitzen, in den roten, uniformen Gewändern,
züchtig und andachtsvoll, und ihren heiligen Sang mit ganzcr
Kehle singen: „Ein feste Bnrg ist unser Gott". Und über
ihnen schwellen Lichtmassen — wie der stille Segen des Herr-
gotts. Die Kirchenzier dentet anf Spätrenaissance, — ein
schimmerndcr Verfall. So sah sie schon der Urahn, denn das
Volk ist konservativ und beharrlich: Jm gleichen Betstnhl
wandeln die Geschlechter. Die schnörkelige Madonna und die
große flammende Sonne des Altars überdauern sie alle. Kuehls
Schildereien sind goldklar und echt. Er sieht, was er hergiebt,
und sieht es mit eigenen Sinnen nnd Gesühlen.
Iulius Llias.
» Dte m. internationale Aciuarell-Nusstellnnpi
ZU Dresden war nicht ganz so reich beschickt, wie die beiden
ersten, aber sie bot des Sehenswerten doch so viel, daß sie
eine weit regere Beachtnng auch im übrigen Deutschland ver-
dient hätte, als sie gefunden hat. Denn die Dresdner Aquarelü
Ansstellungen — sie sühren dcn Namen übrigens nur dcr
Kürze halber, da mit Ausnahme der reinen Oelmalerei alle
Techniken der Maler- und Zeichnerkunst in ihnen vertreten sind,
die anf einer Ausstellung überhanpt vertreten werden können
— sie wären schon sehr beachtenswert, weil sie über die Ent-
wicklung der betreffenden Techniken einfach und anschanlich
unterrichten. Auch der Laie wird in dieser Beziehung, soweit
es sich überhanpt um sarbige Bilder handelt, zwei Hanpt-
strömungen unterscheiden können. Die eine, die srüher die
Richtung der gesamten Aquarellmalerei bestiminte und des
nnverkümmerten Beifalls des vielberufenen „Aesthetikers der
alten Schule" auch heute noch allein genießt, erstrebt nicht
eine möglichst große Annäherung des Bildeindrucks an den
Natureindruck, sondern sie sucht der Technik entsprechend das
Bild zn stilisiren, sie erstrebt eigentümliche Wirkungen, eigen-
tümliche Reize, welche die Herstellungsweise des Kunstwerks
sosort erkennen und sich nur durch eben die Technik erzielen
lassen, die benntzt wird. Kein Beschauer also wird z. B. vor
einem Aquarell dieser Richtung darüber in Zweifel sein, daß
er ein Aquarell vor sich hat: es ist verzichtet worden auf An-
nüherung an die Jllusion, eigenartige Schönheiten treten dasür
hervor. Auders bei den Bildern der zweiten Reihe, deren
Vertretern es, wie denen der modernen Oelmalerei, vor allem
daran liegt, so nahe wie möglich dem Eindrnck zu kommen, daß
ein wirkliches Stück Welt gesehen werde. Für diese Männer
sind es rein praktische Gründe, die sie dann und wann zu den
Wasserfarben oder den bunten Kreiden greisen lassen, statt zu
den Oeltnben - ihr Ziel ist genau dasselbe hier, wie wenn
sie in Oel malen: Festbannung der Naturerscheinuugen auf
möglichst überzeugeude Weise. Jene ersteren wählen das
Aquarell besonderer Wirkungen, die letzteren wählen es
seiner besonderer Mittel wegen. Es gilt sür ihre Bilder,
was hier gelegentlich der ersten Dresdner Aquarellausstellung
vor fünf Jahren geschrieben ist: sie sind gar nicht mehr
Aquarelle oder Pastelle in dem Sinne, den man srüher mit
diesen Wörtern verband. „Jhr künstlerischer Wert ist der
nämliche, wie der des Oelgemäldes: ob der Maler den Wert
so oder so erzeugt hat, bleibt seiue Sache." Bedenken, ob
solche Bilder den Charakter der Aquarell- oder Pastellsarbe
erkennen ließen, zcugten vou einer falscheu Fragestelluug, wie
dürre Sträuche, über jngendlich dahinstürmende Bäche, oder
in der Herbstesstille, da die roten Blätter sallen auf die
feuchte, schaudernde Erde. Kaum Einer oermag die Melan-
cholie des dcutschen Herbstes so zu verdichten, kaum Einer so
das Schweigen der Erde! An den Wassern liebt Carl
Theodor Meyer-Basel zu schwärmen: Verschwiegene
Weiher, Stromschnellen am Wehr, graue Binnenseen — nnd
immcr der Horizont so fern. Die charakteristischen, aufgelösten
Luftwellen nasser Landstriche. Alles in Tan und weißlichen
Dnnst gesenkt und alles so herzhaft und ursprünglich. An den
Ufern ist's wild nnd unwegsam; hohes Riedgras, wirres Ge-
büsch, knorrige Baumstämme, — hier und dort ein windschiefes
Fischerhaus. Jm Äther ein verlorener Vogel. Ein schneller,
treffender Blick für echte Motive, eine sichere, breite Hand
zeigen sich überall .... Diesen Persönlichkeiten verwandt,
wuchs in der Stille ein neues, starkes Talent heranf: Georg
Flad. Stets dichterisch gestimmt und von himmelblauer
Heiterkeit. Mit kräftigem Schritt geht er dnrch die Natur, und
Schwermut trübt nicht sein zugreifendes süddentsches Element.
Er hat die Helle stndirt, den flimmernden Zanber des Sommer-
sonnenlichtes, wie es das satte Grün der Wiesen anflöst und
die festen, harten Dinge menschlicher Kultur nmwogt nnd um-
streift. Ein sanftes Hügelland, in dem ein schlichtes Dorf so
behaglich untertancht, — ein üppiges Feld, von ernsten Bänmen
nnterbrochen, — das sind so seine Lieblingsplätze.
Eine reiche Fülle des Könnens thut sich hier anf, und
doch nur die besonderen Erscheinungen kann man in der Be-
trachtung festhalten. Aber nennen will ich noch: den lebhaften
Walther Leistikow, den tüchtigen Weißhaupt, der
sich so merkwürdig entwickelt, den redlichen Lndwig Dill,
Len behaglichen Peter Paul Müller, den schottisch an-
geregten Fritz Baer nnd seine ungewöhnlich begabte Gattin,
Carola Baer-Mathes. Ei, ei, Herr Baer, wie kann man
so hübsche, sreie, moderne Sachen malen und dabei dnrch
flache antisezessionistische Artikelchen die Geschäste seiner natür-
lichen Gegner betreiben? Schlimme Sitten das, den eigenen
Schulmeister zu prügeln! Oder wohnen zwei Seelen —?
Jn vollendeter Freiheit schafft Gotthardt Kuehl. Für
ihn giebt es keine künstlerischen Prädilektionen, — er hält alles,
was seine guten, scharsen Augen fassen. Er ist der größte Virtuose
unter den Deutschen: Nicht jene Virtuosität, meine ich, die mit
tadellos arbeitender Gewandtheit von Bild zu Bild sich ab-
schreibt — sondern jene geistreiche, schöpferische Sicherheit,
die alles trisft, was sie will, die immer ihre selbstbestimmten
Wirknngen beherrscht, die immer neu und immer gleich-
wertig ist. Da sind starke Jmpulse und blühend-gesundes
Temperament. Jn schnellen Studien thut Knehl dem
Künstlertriebe Genüge, der seinen schaffenden Anteil begehrt
an der Natur. Seine Arbeiten sind sehr gesucht, vornehmlich
von Künstlern, — sranzösischen Meistern. Dieser breitschultrige,
derb-gemütliche Lübecker ist in Paris berühmter als in Deutsch-
land, wo ihn bis vor knrzem nur Auserwählte kannten
und fast Niemand — kauste. Da er vom Auslande so gut
empfohlen war, (wie ost muß man diese beschämende That-
sache seststellen!) begannen auch meine Dentschen ihm nach und
nach die Ehre ihres Jnteresses zu schenken. Nun hat er ziem-
lich sicheren Boden in München. Besonders, wenn man ihn
braucht, weiß man ihn zu finden. Jmmer znr Frühlingszeit,
wenn die internationale Werbetrommel gerührt werden soll.
Ohne Gotthardt Kuehls persönliche Vermittlerdienste würde,
glaub ich, kein Pariser Bild herübergeschickt werden ....
Ein niederdeutscher Zng geht durch seine lebenssreudige Kunst.
Ein Volkstümliches. Der Bauernschlag der Heimat, Schiffers-
lente, der fleißige Handwerker, die crscheincn ost nnd eigen-
artig. Weiße Hanben, Holzschnhe und Theerjacken. Weiße
Stuben mit wenigem ungefügem Gerät, — der Brodem
schweißiger Arbeit — dazn die helle, liebe Sonne, die sich
zwischen den schlichten vier Wänden fängt. Kuehl malt die
seinsten Jnterieurs, die man finden kann. Oder auch dic
Kirche nnd ihre sonderbare Atmosphäre, — den Chor, wo die
Waisenmädchen sitzen, in den roten, uniformen Gewändern,
züchtig und andachtsvoll, und ihren heiligen Sang mit ganzcr
Kehle singen: „Ein feste Bnrg ist unser Gott". Und über
ihnen schwellen Lichtmassen — wie der stille Segen des Herr-
gotts. Die Kirchenzier dentet anf Spätrenaissance, — ein
schimmerndcr Verfall. So sah sie schon der Urahn, denn das
Volk ist konservativ und beharrlich: Jm gleichen Betstnhl
wandeln die Geschlechter. Die schnörkelige Madonna und die
große flammende Sonne des Altars überdauern sie alle. Kuehls
Schildereien sind goldklar und echt. Er sieht, was er hergiebt,
und sieht es mit eigenen Sinnen nnd Gesühlen.
Iulius Llias.
» Dte m. internationale Aciuarell-Nusstellnnpi
ZU Dresden war nicht ganz so reich beschickt, wie die beiden
ersten, aber sie bot des Sehenswerten doch so viel, daß sie
eine weit regere Beachtnng auch im übrigen Deutschland ver-
dient hätte, als sie gefunden hat. Denn die Dresdner Aquarelü
Ansstellungen — sie sühren dcn Namen übrigens nur dcr
Kürze halber, da mit Ausnahme der reinen Oelmalerei alle
Techniken der Maler- und Zeichnerkunst in ihnen vertreten sind,
die anf einer Ausstellung überhanpt vertreten werden können
— sie wären schon sehr beachtenswert, weil sie über die Ent-
wicklung der betreffenden Techniken einfach und anschanlich
unterrichten. Auch der Laie wird in dieser Beziehung, soweit
es sich überhanpt um sarbige Bilder handelt, zwei Hanpt-
strömungen unterscheiden können. Die eine, die srüher die
Richtung der gesamten Aquarellmalerei bestiminte und des
nnverkümmerten Beifalls des vielberufenen „Aesthetikers der
alten Schule" auch heute noch allein genießt, erstrebt nicht
eine möglichst große Annäherung des Bildeindrucks an den
Natureindruck, sondern sie sucht der Technik entsprechend das
Bild zn stilisiren, sie erstrebt eigentümliche Wirkungen, eigen-
tümliche Reize, welche die Herstellungsweise des Kunstwerks
sosort erkennen und sich nur durch eben die Technik erzielen
lassen, die benntzt wird. Kein Beschauer also wird z. B. vor
einem Aquarell dieser Richtung darüber in Zweifel sein, daß
er ein Aquarell vor sich hat: es ist verzichtet worden auf An-
nüherung an die Jllusion, eigenartige Schönheiten treten dasür
hervor. Auders bei den Bildern der zweiten Reihe, deren
Vertretern es, wie denen der modernen Oelmalerei, vor allem
daran liegt, so nahe wie möglich dem Eindrnck zu kommen, daß
ein wirkliches Stück Welt gesehen werde. Für diese Männer
sind es rein praktische Gründe, die sie dann und wann zu den
Wasserfarben oder den bunten Kreiden greisen lassen, statt zu
den Oeltnben - ihr Ziel ist genau dasselbe hier, wie wenn
sie in Oel malen: Festbannung der Naturerscheinuugen auf
möglichst überzeugeude Weise. Jene ersteren wählen das
Aquarell besonderer Wirkungen, die letzteren wählen es
seiner besonderer Mittel wegen. Es gilt sür ihre Bilder,
was hier gelegentlich der ersten Dresdner Aquarellausstellung
vor fünf Jahren geschrieben ist: sie sind gar nicht mehr
Aquarelle oder Pastelle in dem Sinne, den man srüher mit
diesen Wörtern verband. „Jhr künstlerischer Wert ist der
nämliche, wie der des Oelgemäldes: ob der Maler den Wert
so oder so erzeugt hat, bleibt seiue Sache." Bedenken, ob
solche Bilder den Charakter der Aquarell- oder Pastellsarbe
erkennen ließen, zcugten vou einer falscheu Fragestelluug, wie