, und als Tertianer schrieben wir uns in die Stammbücher:
Es lebt in der Stimme des Liedes
Ein treues mitfühlendes Herz,
Jm Liede verschönt sich die Freude,
Jm Liede verklärt sich der Schmerz.
Heutzutage wird im Arbeiterstande die Pflege des Ge-
sanges eifrig betrieben. Der Genuß von Jnstrumentalmusik
beschränkt sich meistens auf Tanz- und Acilitärmusik. Und
wie leicht wäre es doch, durch öfsentliche unentgeltliche
> Konzerte den Ruhetag der Arbeiter mit einer ernsten und
würdigen Feier zu veredeln! Jn Jtalien spielen wenigstens
die Militärkapellen regelmäßig auf den öfsentlichen Plätzen.
Die Nknsik ist auch die letzte Kunst gewesen, welche die
protestantische Kirche znr Erbauung und Erziehung sestge-
halten hat. Das Kirchenlied ist heute noch für Unzählige
die einzige künstlerische Erinnerung aus ihrer Jngend. Jn
katholifchen Ländern herrscht neuerdings ein eifriges Be-
mühen, die bildenden Künste wieder in den Dienst der
Religion zu stellen. Aber die christliche Kirche hat nicht
mehr die Macht, die Geister zu binden und zn lösen, und
wenn sie wirklich noch einen Schatz von Gedanken hütet,
der die Armen an Geist beglücken kann, so hat sie doch
die Kraft verloren, ihn in lebensvollen Gestalten auszu-
prägen Es ist ein dürftiges blutloses Wefen in diesen
modernen Heiligenbildern mit ihren füßlichen Farben und
sentimentalen Mienen. Und ein Hohn auf jede Kunst sind
die Ausgeburten der neuesten Kültnsform, die Christus-
und Marienbilder, die das blntige Herz in ihrem Leibe
im Strahlenkranze zeigen. (Schluß folgt.)
-X- Ikunst und Scbule. Als eine Ergänzung zu den
Langeschen Ausführnngen über die Knnst im Gymnasium geben
wir folgenden Bericht von der 3. Jahresversammlung des
sächsischen Gymnasiallehrervereins, die in diesem Jahre in
Dresden stattfand. Jn der ersten Hauptversammlung fprach
Prof. vr. Wilisch aus Zittau über die Verwertung antiker
Kunstdenkmäler im Unterrichte. Er knüpfte dabei an die
Literatur an, die feit der ersten Schrift von Leonhard Stark
über „Kunst und Schule" (Jena z8H8) zu einer stattlichen An-
zahl von Beiträgen angewachien ist, und besprach zunächst kurz
den Jnhalt der einzelnen Abhandlungen, von denen manche
bekannte Namen (E. Gerhard, H. v. Brunn, A. Conze) an der
Spitze tragen. Die Versasser suchen teils die Fordernng des
Kunstunterrichts philosophisch zu begründen, teils geben sie
Winke über die beste Art der Ausführung im Einzelnen. Dabei
stellt sich heraus, daß in einigen Punkten so ziemlich alle über-
einstimmen: in dem Verlangen, die Künst überhaupt der Schule
nahe zu bringen, in der Beschränkung aus antike Plastik und
Architektur (das thun doch nicht alle, vgl. den Leitaussatz von
Paul Schumann im 2. Stück des H. Jahrgangs), in der For-
derung, die Schüler nicht sowohl mit kunstgeschichtlichen Kennt-
nissen anzusüllen, als zum verständigen Betrachten von Kunst-
werken anzuleiten und zu besähigen, das Gesehene in einfachen
Worten treu wiederzugeben. Gefpalten haben sich die
Meinungen hauptsächlich in einer Frage: die einen wünschen
diesen Künstunterricht nur im Anschlusse an andere Fächer,
wie die klassischen Sprachen, das Deutsche, das Zeichnen, sogar
die Geometrie; andere halten besondere Künststunden sür besser.
Der Vortragende schließt sich unter der Voraussetzung, Laß die
Zahl solcher Stunden eine müßige bleibt, den letzteren an, um
ansgedehntere Abschweisungen im eigentlichen Fachunterricht
zu vermeiden und weil beim Anschluß an den sonstigen Unter-
richt eine Vorsührung alter Knnstwerke in der naturgemäßen
historischen Folge kaum erreichbar scheint. Schließlich wurden
die vorhandenen bildlichen Hilfsmittel durchgegangen und als
das zur Zeit praktischste eine Verbindung großer Photographien
mit kunsthistorischen Bilderbogen oder Bilderheften, die in den
Händen der Schüler sind, empsohlen.
An der Besprechung des Vortrags beteiligte sich ganz
besonders Prof. vr. Treu, der Direktor der königlichen Samm-
lungen der Bildwerke zu Dresden. Er machte zunächst darauf
aufmerkfam, daß verschiedene von den Wandtafeln von v. d.
Launiß schlecht gezeichnet und manierirt aufgefaßt, deshalb für
den Unterricht entschieden zu verwerfen seien. Ebenso be-
zeichnete er die Bilderatlanten zu Homer und Ovid von Engel-
mann als durchaus ungenügend. Er sprach sich serner mit
aller Entschiedenheit dafür aus, daß die häßlichen archaischen
Bildwerke aus der Schule verbannt und hier nur Werke aus
der Blütezeit verwendet würden. Man solle sich auf eine ganz
geringe Auswahl ausgezeichneter Werke in den besten Nach-
bildungen — besonders großen Photographien — beschränken.
Diese Auswahl aber dürfe sich nicht anf die antike Künst
beschränken, auch die besten Werke der neneren Zeit müßten
dem Schüler gezeigt werden — z. B. von Michelangelo, Peter
Vischer, Rietschel u. a. Gerade durch die Gegenüberstellung
werde erst das Verständnis für die verschiedenen Auffassungen
und Empfindungsweisen geweckt. Dann aber gelte es, dem
Vorurteil entgegenzuarbeiten, als sei die antike Kunst die einzige
und mustergiltige Künst, nach der man sich im Schaffen und
im Urteil zn richten habe. Vielmehr müsse dem Schüler die
Freude gerade an der modernen Kunst eingepflanzt werden
und das Verständnis dafür, daß jede Zeit gemäß ihren An-
schauungen und Bedürsnissen ihre eigene Kunst habe. Wolle
man aber mit der Geschichte gehen, so müsse der Weg rück-
wärts genommen werden. Schließlich empfahl Prof. Treu,
den Bildern, die in den Gymnasien längere oder kürzere Zeit
ausgestellt würden, möglichst eingehende Erklärungen beizu-
schreiben.
Prof. Wilisch betonte dem gegenüber auch den kultur-
geschichtlichen Wert der Bildwerke, die ein Abbild der Wand-
lungen der Kultur seien; er bezweifelte auch die Möglichkeit,
daß sich immer die geeigneten Kräfte finden würden, um die
Einführnng in die neuere Knnst zu übernehmen.
Rektor Pros. Stürenburg sprach für zusammenhängende
Einsührung in die Künst. Pros. Müller aus Chemnitz empsahl,
die Schulspaziergänge zu Besuchen des herrlichen Albertinums
in Dresden zu benutzen, und sprach sich ebenfalls warm dafür
aus, daß im Schüler die Freude und Teilnahme an der
modernen Kunst geweckt werde. Die Abstimmung ergab, daß
die von etwa t?o Gymnasiallehrern besuchte Versammlung sich
erfreulicherweise einstimmig dasür entschied, die alte und die
neuere Kunst in den Kreis des Gymnasiums zu ziehen, und
zwar nicht bloß im Anschluß an den übrigen Unterricht, sondern
in besonderen Stunden.
Dte künstleriscbe Lrziebung der Augend. 3. Die Universität. — IKundscbau. Allgemeines.
Reines Deutschtum in der Künst. — Dichtung. Schöne Literatur XIX. — Theater. Die guten
Manieren und das Theater. — Musik. Die Entwicklung des deutschen Walzers. — Bildende Künste. Über Kunst und
Armut. Künst.und Schule.
Es lebt in der Stimme des Liedes
Ein treues mitfühlendes Herz,
Jm Liede verschönt sich die Freude,
Jm Liede verklärt sich der Schmerz.
Heutzutage wird im Arbeiterstande die Pflege des Ge-
sanges eifrig betrieben. Der Genuß von Jnstrumentalmusik
beschränkt sich meistens auf Tanz- und Acilitärmusik. Und
wie leicht wäre es doch, durch öfsentliche unentgeltliche
> Konzerte den Ruhetag der Arbeiter mit einer ernsten und
würdigen Feier zu veredeln! Jn Jtalien spielen wenigstens
die Militärkapellen regelmäßig auf den öfsentlichen Plätzen.
Die Nknsik ist auch die letzte Kunst gewesen, welche die
protestantische Kirche znr Erbauung und Erziehung sestge-
halten hat. Das Kirchenlied ist heute noch für Unzählige
die einzige künstlerische Erinnerung aus ihrer Jngend. Jn
katholifchen Ländern herrscht neuerdings ein eifriges Be-
mühen, die bildenden Künste wieder in den Dienst der
Religion zu stellen. Aber die christliche Kirche hat nicht
mehr die Macht, die Geister zu binden und zn lösen, und
wenn sie wirklich noch einen Schatz von Gedanken hütet,
der die Armen an Geist beglücken kann, so hat sie doch
die Kraft verloren, ihn in lebensvollen Gestalten auszu-
prägen Es ist ein dürftiges blutloses Wefen in diesen
modernen Heiligenbildern mit ihren füßlichen Farben und
sentimentalen Mienen. Und ein Hohn auf jede Kunst sind
die Ausgeburten der neuesten Kültnsform, die Christus-
und Marienbilder, die das blntige Herz in ihrem Leibe
im Strahlenkranze zeigen. (Schluß folgt.)
-X- Ikunst und Scbule. Als eine Ergänzung zu den
Langeschen Ausführnngen über die Knnst im Gymnasium geben
wir folgenden Bericht von der 3. Jahresversammlung des
sächsischen Gymnasiallehrervereins, die in diesem Jahre in
Dresden stattfand. Jn der ersten Hauptversammlung fprach
Prof. vr. Wilisch aus Zittau über die Verwertung antiker
Kunstdenkmäler im Unterrichte. Er knüpfte dabei an die
Literatur an, die feit der ersten Schrift von Leonhard Stark
über „Kunst und Schule" (Jena z8H8) zu einer stattlichen An-
zahl von Beiträgen angewachien ist, und besprach zunächst kurz
den Jnhalt der einzelnen Abhandlungen, von denen manche
bekannte Namen (E. Gerhard, H. v. Brunn, A. Conze) an der
Spitze tragen. Die Versasser suchen teils die Fordernng des
Kunstunterrichts philosophisch zu begründen, teils geben sie
Winke über die beste Art der Ausführung im Einzelnen. Dabei
stellt sich heraus, daß in einigen Punkten so ziemlich alle über-
einstimmen: in dem Verlangen, die Künst überhaupt der Schule
nahe zu bringen, in der Beschränkung aus antike Plastik und
Architektur (das thun doch nicht alle, vgl. den Leitaussatz von
Paul Schumann im 2. Stück des H. Jahrgangs), in der For-
derung, die Schüler nicht sowohl mit kunstgeschichtlichen Kennt-
nissen anzusüllen, als zum verständigen Betrachten von Kunst-
werken anzuleiten und zu besähigen, das Gesehene in einfachen
Worten treu wiederzugeben. Gefpalten haben sich die
Meinungen hauptsächlich in einer Frage: die einen wünschen
diesen Künstunterricht nur im Anschlusse an andere Fächer,
wie die klassischen Sprachen, das Deutsche, das Zeichnen, sogar
die Geometrie; andere halten besondere Künststunden sür besser.
Der Vortragende schließt sich unter der Voraussetzung, Laß die
Zahl solcher Stunden eine müßige bleibt, den letzteren an, um
ansgedehntere Abschweisungen im eigentlichen Fachunterricht
zu vermeiden und weil beim Anschluß an den sonstigen Unter-
richt eine Vorsührung alter Knnstwerke in der naturgemäßen
historischen Folge kaum erreichbar scheint. Schließlich wurden
die vorhandenen bildlichen Hilfsmittel durchgegangen und als
das zur Zeit praktischste eine Verbindung großer Photographien
mit kunsthistorischen Bilderbogen oder Bilderheften, die in den
Händen der Schüler sind, empsohlen.
An der Besprechung des Vortrags beteiligte sich ganz
besonders Prof. vr. Treu, der Direktor der königlichen Samm-
lungen der Bildwerke zu Dresden. Er machte zunächst darauf
aufmerkfam, daß verschiedene von den Wandtafeln von v. d.
Launiß schlecht gezeichnet und manierirt aufgefaßt, deshalb für
den Unterricht entschieden zu verwerfen seien. Ebenso be-
zeichnete er die Bilderatlanten zu Homer und Ovid von Engel-
mann als durchaus ungenügend. Er sprach sich serner mit
aller Entschiedenheit dafür aus, daß die häßlichen archaischen
Bildwerke aus der Schule verbannt und hier nur Werke aus
der Blütezeit verwendet würden. Man solle sich auf eine ganz
geringe Auswahl ausgezeichneter Werke in den besten Nach-
bildungen — besonders großen Photographien — beschränken.
Diese Auswahl aber dürfe sich nicht anf die antike Künst
beschränken, auch die besten Werke der neneren Zeit müßten
dem Schüler gezeigt werden — z. B. von Michelangelo, Peter
Vischer, Rietschel u. a. Gerade durch die Gegenüberstellung
werde erst das Verständnis für die verschiedenen Auffassungen
und Empfindungsweisen geweckt. Dann aber gelte es, dem
Vorurteil entgegenzuarbeiten, als sei die antike Kunst die einzige
und mustergiltige Künst, nach der man sich im Schaffen und
im Urteil zn richten habe. Vielmehr müsse dem Schüler die
Freude gerade an der modernen Kunst eingepflanzt werden
und das Verständnis dafür, daß jede Zeit gemäß ihren An-
schauungen und Bedürsnissen ihre eigene Kunst habe. Wolle
man aber mit der Geschichte gehen, so müsse der Weg rück-
wärts genommen werden. Schließlich empfahl Prof. Treu,
den Bildern, die in den Gymnasien längere oder kürzere Zeit
ausgestellt würden, möglichst eingehende Erklärungen beizu-
schreiben.
Prof. Wilisch betonte dem gegenüber auch den kultur-
geschichtlichen Wert der Bildwerke, die ein Abbild der Wand-
lungen der Kultur seien; er bezweifelte auch die Möglichkeit,
daß sich immer die geeigneten Kräfte finden würden, um die
Einführnng in die neuere Knnst zu übernehmen.
Rektor Pros. Stürenburg sprach für zusammenhängende
Einsührung in die Künst. Pros. Müller aus Chemnitz empsahl,
die Schulspaziergänge zu Besuchen des herrlichen Albertinums
in Dresden zu benutzen, und sprach sich ebenfalls warm dafür
aus, daß im Schüler die Freude und Teilnahme an der
modernen Kunst geweckt werde. Die Abstimmung ergab, daß
die von etwa t?o Gymnasiallehrern besuchte Versammlung sich
erfreulicherweise einstimmig dasür entschied, die alte und die
neuere Kunst in den Kreis des Gymnasiums zu ziehen, und
zwar nicht bloß im Anschluß an den übrigen Unterricht, sondern
in besonderen Stunden.
Dte künstleriscbe Lrziebung der Augend. 3. Die Universität. — IKundscbau. Allgemeines.
Reines Deutschtum in der Künst. — Dichtung. Schöne Literatur XIX. — Theater. Die guten
Manieren und das Theater. — Musik. Die Entwicklung des deutschen Walzers. — Bildende Künste. Über Kunst und
Armut. Künst.und Schule.