folgenden Szene sehen wir Anita traurig zwischen ihren
Freundinnen. Dolores, die verlassene Gattin des Pedro, er-
scheint und Rositas früherer Liebhaber Joss, ein Matrose,
dem nun gekündigt wird, weil Anita, um ihre Schande zu
verbergen, den Pedro heiraten will. Der aber wird von zwei
Seiten, von seiner verlassenen Frau und von Joss, der in ihm
einen berüchtigten Messerhelden erkennt, bloßgestellt. Er erhält
den verdienten Lohn — Anita sticht ihn nieder. Also, wie
überall bemerkt worden ist: eine genaue Umkehrung der
Cavalleria-Handlung.
x Gegen Tbeater- und /lbustk--Nusstellungen.
(Schluß.)
Mit Fug und Recht läßt sich allerdings behausiten,
daß der relative moralische Erfolg der Wiener Ausstellung
ein mehr Lefriedigender gewesen wäre, wenn nicht das an-
maßende Psuschertum der Dilcttanten, sondern die Fach-
kunde in den wichtigeren Fragen das entscheidende Wort
zu sprechen gehabt hätte. Um der Ehre der Wissenschaft
halber hätte der österreichische Staat, nachdem das Pro-
tektorat über das Unternehmen einmal von hoher Stelle
übernommen und angesehene Beamte in die Ausschüsse ein
getreten waren, einen tüchtigen Grifs in den Beutel thun
müssen, anstatt die Deckung der Ausgaben den zweiselhaften
Finanzkünsten skrupelfreier Liebhaber anheimzustellen. Um
der Ehre der Wissenschaft halber hätte man von der un-
sinnigen Überhudelung Abstand nehmen, die Vorbereitungen
in aller Ruhe vor sich gehen und so in etlichen Jahren
wenigstens ausreifen lassen sollen, was überhaupt ausreifen
konnte. Um der Ehre der Wissenschaft halber war dem
Vorschlag des vortrefflichen Glossy, die Ausstellung in den
Räumen des Belvedere abzuhalten, znzustimmen, anstatt
daß in dem Jahrmarktsbau der Rotnnde Schiller und
Beethoven mit k. und k. Schminkefabrikanten und Damen-
schneidern unter ungleichen Gewinnaussichten einem Wett-
kampf um die Gunst zerstreuungslustiger Gaffer ausgesetzt
wurden. Um der Ehre der Wissenschaft halber hätte man
alle partikularistischen Eifersüchteleien zu unterdrücken und
zu den verdienten Freunden nnd Schülern Spittas als
maßgebenden Vorstand der musikhistorischen Abteilung den
verdienteren Meister zu berufen die Pflicht gehabt. Um
der Ehre der Wissenschaft halber hätte man den Mut auf-
bringen müssen, an dem — die Generalbedenken gegen
jede solche Ausstellung einmal bei Seite gesetzt — einzig
richtigen Prinzip der durchgängigen Aufreihung nach strengen
historischen Grundsätzen sestzuhalten, die widerstrebenden,
auf Befriedigung ihrer persönlichen Eitelkeit bedachten
Separatisten mitsamt ihrem Gepäck nach Hause zu schicken,
aus unwürdige Liebedienereien, wie die Einrichtung von
Schaukästen für Komponisten sürstlicher und adeliger Häuser
oder die Hanswurstereien des Rothschild-Salons schlechter-
dings nicht einzugehen, die Ansprüche eingebildeter Duodez-
Dramatiker und eitler Komödianten schneidig abzufertigen,
auf allen „bildnerischen Schmuck", der küustlerisch wertlos
und für die Wissenschaft unbrauchbar, mit Dank sür den
guten Willen der Einsender zu verzichten, endlich und vor-
nehmlichst: die Pietät gegen die Heroen der Dichtung und
Musik im Auge zu behalten. Solche grobe Taktlosigkeiten,
wie Beethovens Hörrohr oder das „Marbacher" Schiller-
zimmer dem blöden Grinsen der Unmündigen, die vielleicht
unmittelbar darauf die Fertigkeiten der Bauchtänzerin im
benachbarten Schattenspiel-Theater bestaunten, Tag um Tag
preiszugeben oder Johannes Brahms in die Nähe eines
Hrn. Millöcker und seiner höchstgeschürzten Gassenmuse zu
-
^ bringen, werfen böse Flecken auf die hochgerühmte Kultur-
gesittung des 19. Jahrhunderts.
Wohlverstanden: rnit schwerem Herzen mußten die vor-
tresslichen Gelehrten, deren Arbeitskraft auszunutzen man
um ihrer Unentbehrlichkeit halber sich gestattete, sich mit
dieser Summe von folgenschweren Jrrtümern und unent-
schuldbaren Mißgriffen absinden. Sie mußten es, wie
ihnen ja überhaupt keine Wahl blieb, der an sie ergangenen
Aufforderung, die Ausstellung mit vorzubereiten, Folge zu
leisten oder nicht. Denn sie standen fast alle in staatlichem
Amt und Brot — und die Beziehungen der Fürstin
Metternich reichen weit. Mag vielleicht ein Ängstlicher
unter ihnen auf diese Ausführungen hin es immerhin in
Zukunft mit feierlicher Erklärung verneinen: so bleibt es
doch außer allem Zweifel, daß die in allen Abteilungen
thätigen vorzüglichen Gelehrten, etwa von wenigen auch
als Autoritäten nur mäßig geachteten Strebern abgesehen,
gegen ihre bessere Überzeugung, sich völlig klar über das
Widersinnige des Prinzips einer Musik- und Theater-
ausstellung überhaupt, ihre besten Kräfte anzuspannen sich
genötigt sahen. Soll sich dergleichen noch einmal wieder-
holen? Hoffentlich zum miudesten weder in Deutsch-
Oesterrcich noch in Deutschland. Daß trotz alledem noch
einige so ausgezeichnete, in manchem Betracht ganz un-
übertreffliche Teilleistungen ermöglicht werden konnten, wie
sie Glossy und seine literarischen Freunde in der ersten
Hälste der Ausstellung der Stadt Wien, wie sie Sandberger
in der Übersicht über die Epoche Orlando di Lassos,
Trautmann in der über die Oper am bairischen Hofe, wie
sie Fleischer in der k. preußischen Jnstrumentensammlung,
wie sie Berwin und Hirschfeld in allen wichtigen Ab-
teilungen der italienischen Räume durch ziemlich klare An-
ordnung und zweckvolle, höchst fachtüchtige Katalogisirung
boten, giebt der Leistungsfähigkeit wie der Selbstlosigkeit
des deutschen Gelehrten das glänzendste Zeugnis.* Hut
ab vor diesen Männern, die dem Dünkel und Unverstand
Zoll für Zoll den Boden abzutrotzen wußten! Jndessen
diese in der Stille errungenen und in der Öffentlichkeit
bisher, wie es scheint, nicht Legriffenen, geschweige denn
nach Gebühr anerkannten Siege vermögen das Ungeheuer-
liche nicht wettzumachen, daß Männer der Wissenschaft
von Namen und Ruf gerade gut genug dazu sein mußten,
die Launen unwissender Dilettanten befriedigen zu helfen.
Schien man doch, wie aus dem ganzen Benehmen der
leitenden Ausstellungskreise gegen die Schar der opfer-
willigen Männer und ihre Lerechtigten Ansprüche vor,
während und nach dem letzten Sommer zur Genüge her-
vorging, an den betrefsenden Stellen gar keine Ahnung
davon zu habeu, welche Ehre es in fich begreift, die deutsche
Wissenschaft als Gast bei sich zu sehen! Welch klägliches
Schauspiel, als dienstwillige Preßmameluken mit höhnischen
Bemerkungen dem Publikum zu insinuiren versuchten, die
überhohen Ansprüche der wissenschaftlichen Mitarbeiter seien
an dem materiellen Desizit der Ausstellung schuld — just
da die großcn Herren des Vergnügungskomitees auch mit
den Nachtfesten, welche die zu den Heiligtümern der Klassiker
führende Allee zum bevorzugten Tummelplatz von Strizi
und Dirnen gemacht hatten, den gähnenden Rachen des
* Auch die Abteilung für Notenstich und -Druck (in
historischer Entwickelung) und ebenso die Zettel- und Portrait-
Sammlung der Wiener Jntendanz hoben sich aus den über-
zahlreichen, durch Überladung, Lücken, Geschmacklosigkeiten und
Kindereien geschädigten deutschen und ausländischen Gruppen
! wohlthuend heraus.
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Freundinnen. Dolores, die verlassene Gattin des Pedro, er-
scheint und Rositas früherer Liebhaber Joss, ein Matrose,
dem nun gekündigt wird, weil Anita, um ihre Schande zu
verbergen, den Pedro heiraten will. Der aber wird von zwei
Seiten, von seiner verlassenen Frau und von Joss, der in ihm
einen berüchtigten Messerhelden erkennt, bloßgestellt. Er erhält
den verdienten Lohn — Anita sticht ihn nieder. Also, wie
überall bemerkt worden ist: eine genaue Umkehrung der
Cavalleria-Handlung.
x Gegen Tbeater- und /lbustk--Nusstellungen.
(Schluß.)
Mit Fug und Recht läßt sich allerdings behausiten,
daß der relative moralische Erfolg der Wiener Ausstellung
ein mehr Lefriedigender gewesen wäre, wenn nicht das an-
maßende Psuschertum der Dilcttanten, sondern die Fach-
kunde in den wichtigeren Fragen das entscheidende Wort
zu sprechen gehabt hätte. Um der Ehre der Wissenschaft
halber hätte der österreichische Staat, nachdem das Pro-
tektorat über das Unternehmen einmal von hoher Stelle
übernommen und angesehene Beamte in die Ausschüsse ein
getreten waren, einen tüchtigen Grifs in den Beutel thun
müssen, anstatt die Deckung der Ausgaben den zweiselhaften
Finanzkünsten skrupelfreier Liebhaber anheimzustellen. Um
der Ehre der Wissenschaft halber hätte man von der un-
sinnigen Überhudelung Abstand nehmen, die Vorbereitungen
in aller Ruhe vor sich gehen und so in etlichen Jahren
wenigstens ausreifen lassen sollen, was überhaupt ausreifen
konnte. Um der Ehre der Wissenschaft halber war dem
Vorschlag des vortrefflichen Glossy, die Ausstellung in den
Räumen des Belvedere abzuhalten, znzustimmen, anstatt
daß in dem Jahrmarktsbau der Rotnnde Schiller und
Beethoven mit k. und k. Schminkefabrikanten und Damen-
schneidern unter ungleichen Gewinnaussichten einem Wett-
kampf um die Gunst zerstreuungslustiger Gaffer ausgesetzt
wurden. Um der Ehre der Wissenschaft halber hätte man
alle partikularistischen Eifersüchteleien zu unterdrücken und
zu den verdienten Freunden nnd Schülern Spittas als
maßgebenden Vorstand der musikhistorischen Abteilung den
verdienteren Meister zu berufen die Pflicht gehabt. Um
der Ehre der Wissenschaft halber hätte man den Mut auf-
bringen müssen, an dem — die Generalbedenken gegen
jede solche Ausstellung einmal bei Seite gesetzt — einzig
richtigen Prinzip der durchgängigen Aufreihung nach strengen
historischen Grundsätzen sestzuhalten, die widerstrebenden,
auf Befriedigung ihrer persönlichen Eitelkeit bedachten
Separatisten mitsamt ihrem Gepäck nach Hause zu schicken,
aus unwürdige Liebedienereien, wie die Einrichtung von
Schaukästen für Komponisten sürstlicher und adeliger Häuser
oder die Hanswurstereien des Rothschild-Salons schlechter-
dings nicht einzugehen, die Ansprüche eingebildeter Duodez-
Dramatiker und eitler Komödianten schneidig abzufertigen,
auf allen „bildnerischen Schmuck", der küustlerisch wertlos
und für die Wissenschaft unbrauchbar, mit Dank sür den
guten Willen der Einsender zu verzichten, endlich und vor-
nehmlichst: die Pietät gegen die Heroen der Dichtung und
Musik im Auge zu behalten. Solche grobe Taktlosigkeiten,
wie Beethovens Hörrohr oder das „Marbacher" Schiller-
zimmer dem blöden Grinsen der Unmündigen, die vielleicht
unmittelbar darauf die Fertigkeiten der Bauchtänzerin im
benachbarten Schattenspiel-Theater bestaunten, Tag um Tag
preiszugeben oder Johannes Brahms in die Nähe eines
Hrn. Millöcker und seiner höchstgeschürzten Gassenmuse zu
-
^ bringen, werfen böse Flecken auf die hochgerühmte Kultur-
gesittung des 19. Jahrhunderts.
Wohlverstanden: rnit schwerem Herzen mußten die vor-
tresslichen Gelehrten, deren Arbeitskraft auszunutzen man
um ihrer Unentbehrlichkeit halber sich gestattete, sich mit
dieser Summe von folgenschweren Jrrtümern und unent-
schuldbaren Mißgriffen absinden. Sie mußten es, wie
ihnen ja überhaupt keine Wahl blieb, der an sie ergangenen
Aufforderung, die Ausstellung mit vorzubereiten, Folge zu
leisten oder nicht. Denn sie standen fast alle in staatlichem
Amt und Brot — und die Beziehungen der Fürstin
Metternich reichen weit. Mag vielleicht ein Ängstlicher
unter ihnen auf diese Ausführungen hin es immerhin in
Zukunft mit feierlicher Erklärung verneinen: so bleibt es
doch außer allem Zweifel, daß die in allen Abteilungen
thätigen vorzüglichen Gelehrten, etwa von wenigen auch
als Autoritäten nur mäßig geachteten Strebern abgesehen,
gegen ihre bessere Überzeugung, sich völlig klar über das
Widersinnige des Prinzips einer Musik- und Theater-
ausstellung überhaupt, ihre besten Kräfte anzuspannen sich
genötigt sahen. Soll sich dergleichen noch einmal wieder-
holen? Hoffentlich zum miudesten weder in Deutsch-
Oesterrcich noch in Deutschland. Daß trotz alledem noch
einige so ausgezeichnete, in manchem Betracht ganz un-
übertreffliche Teilleistungen ermöglicht werden konnten, wie
sie Glossy und seine literarischen Freunde in der ersten
Hälste der Ausstellung der Stadt Wien, wie sie Sandberger
in der Übersicht über die Epoche Orlando di Lassos,
Trautmann in der über die Oper am bairischen Hofe, wie
sie Fleischer in der k. preußischen Jnstrumentensammlung,
wie sie Berwin und Hirschfeld in allen wichtigen Ab-
teilungen der italienischen Räume durch ziemlich klare An-
ordnung und zweckvolle, höchst fachtüchtige Katalogisirung
boten, giebt der Leistungsfähigkeit wie der Selbstlosigkeit
des deutschen Gelehrten das glänzendste Zeugnis.* Hut
ab vor diesen Männern, die dem Dünkel und Unverstand
Zoll für Zoll den Boden abzutrotzen wußten! Jndessen
diese in der Stille errungenen und in der Öffentlichkeit
bisher, wie es scheint, nicht Legriffenen, geschweige denn
nach Gebühr anerkannten Siege vermögen das Ungeheuer-
liche nicht wettzumachen, daß Männer der Wissenschaft
von Namen und Ruf gerade gut genug dazu sein mußten,
die Launen unwissender Dilettanten befriedigen zu helfen.
Schien man doch, wie aus dem ganzen Benehmen der
leitenden Ausstellungskreise gegen die Schar der opfer-
willigen Männer und ihre Lerechtigten Ansprüche vor,
während und nach dem letzten Sommer zur Genüge her-
vorging, an den betrefsenden Stellen gar keine Ahnung
davon zu habeu, welche Ehre es in fich begreift, die deutsche
Wissenschaft als Gast bei sich zu sehen! Welch klägliches
Schauspiel, als dienstwillige Preßmameluken mit höhnischen
Bemerkungen dem Publikum zu insinuiren versuchten, die
überhohen Ansprüche der wissenschaftlichen Mitarbeiter seien
an dem materiellen Desizit der Ausstellung schuld — just
da die großcn Herren des Vergnügungskomitees auch mit
den Nachtfesten, welche die zu den Heiligtümern der Klassiker
führende Allee zum bevorzugten Tummelplatz von Strizi
und Dirnen gemacht hatten, den gähnenden Rachen des
* Auch die Abteilung für Notenstich und -Druck (in
historischer Entwickelung) und ebenso die Zettel- und Portrait-
Sammlung der Wiener Jntendanz hoben sich aus den über-
zahlreichen, durch Überladung, Lücken, Geschmacklosigkeiten und
Kindereien geschädigten deutschen und ausländischen Gruppen
! wohlthuend heraus.
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