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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0235

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Teil III: Die arfcs d/chmd; als Spiegel des Diskurses

der regelmäßig einberufenen Volksversammlungen leisteten.^ Für die frühe italieni-
sche Kommune ist die Analyse solcher Stabilisierungsleistung wohl deswegen ausge-
blieben, weil wir kaum über Quellen aus der Frühzeit der Kommunen verfügen,^* die
einen unmittelbaren Einblick in ihr Werte- und Normensystem zulassen.
Das - nach den beiden Mailänder Landulfs - früheste Werk kommunaler Historio-
graphie, die Genoveser Annalen Caffaros, stammt aus der Jahrhundertmitte.^ Caffaros
Berichte zu den Anfängen der Genoveser Kommune sind allerdings kaum zuverlässig.
So verrät sein Bericht weniger über die tatsächliche Geschichte in der Frühzeit der Kom-
mune als über das »understanding of the sense of the past held by north Italian elites«/'
Es ist daher zu bedenken, dass die wenigen Berichte, die für die Anfänge der Kommune
auf uns gekommen sind, allenfalls nachträglich konstruierte Versionen liefern, wäh-
rend in den meisten Kommunen solche Berichte völlig fehlen. Auch der Bericht Coda-
gnellos für die frühe Kommune in Piacenza gilt als fabelhaftA Diese unzureichende
Quellenlage ist ein Grund dafür, dass die Entstehung der italienischen Stadtkommu-
nen nach wie vor eines der großen Forschungsprobleme zum italienischen Hochmit-
telalter istA

5.2 Diskurstheoretische Vorüberlegungen

Einen Ausweg aus der vermeintlichen Quellenarmut bietet eine Verbindung der Über-
legungen zu Sozialkapital und Institutionsforschung mit Ansätzen der Diskurstheorie
und der WissenssoziologieA Ausgangspunkt ist dabei die banale Grundüberlegung,
dass kollektive Werte, die über das Funktionieren einer Gesellschaft entscheiden, sich
naturgemäß in den alltäglichen Kommunikationsformen niederschlagen, anders for-
muliert: »Als symbolische Ordnung wird das Politische durch Diskurse konstituiert,
also durch regelmäßige, strukturierte und sich in einem systematischen Zusammen-
hang bewegende Praktiken und Redeweisen, die einen gewissen Grad der Institutiona-
lisierung erreicht haben und benennbaren Formationsregeln unterliegen«.^^ Was also

38 Vgl. DARTMANN, Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune; als ein Beispiel ne-
ben zahlreichen weiteren sei verwiesen auf die Libri Iurium della Repubblica di Genova, Nr 93,
S. 147-149; Ysfon'a caph'onz's Almane cf TorfMose, S. 80.
39 Zur Quellenarmut in der Frühzeit der italienischen Stadtkommune vgl. MiLANi, I comuni ita-
liani.
99 Annali Genovesi di Caffaro; vgl. dazu vor allem PETTi BALBi, Caffaro, und zuletzt ScHWEPPEN-
STETTE, Politik der Erinnerung; zum Mangel an historiographischen Quellen für die Frühzeit
der Kommunen vgl. WtCKHAM, Sense of the past; CoLEMAN, Lombard City annals.
WtCKHAM, The Sense of the Past, S. 176.
43 Giovanni Codagnello: Awwaies PfaceMÜMz; zu seinem Werk vgl. BuscH, Mailänder Geschichts-
schreibung, S. 70-97; CAPO, La cronachistica italiana, S. 413-417. Zu Codagnellos Bericht über
frühe Auseinandersetzungen zwischen m/'hü's und pedzfes in der Kommune von Piacenza
und die Bedeutung dieses Berichts im Kontext der Entstehung der Kommune überhaupt vgl.
DucHER, Entstehung, S. 136 f.
43 Das gilt auch noch nach der in dieser Hinsicht gleichwohl Weg weisende Studien DucHERS,
Entstehung. Zu den immer noch offenen Fragen vgl. etwa KELLER, Inizi.
44 Zur Erprobung der Wissenssoziologie im mediävistischen Bereich vgl. PATzom, Episcopus, ins-
besondere mit der theoretische Einführung, S. 37-47.
43 LANDWEHR, Macht - Diskurs - Wissen, S. 103.
 
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