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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Herkunft. Material.

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bei den Totenbildern kannte1). Und noch merkwürdiger ist das Zurücktreten der Fayencearbeiten.
Einst das Lieblingsmaterial, mit unendlicher Meisterschaft behandelt und zu Kunstwerken von
delikatester Wirkung verarbeitet, begegnet die Fayence nun in epigonenhaft roher, plumper Über-
tragung2), der jede Spur der alten Feinfühligkeit fehlt. Wenige grüne3), zumeist intensivblaue Stücke
sind so erhalten, gleichwie die Stuckfiguren Typen der neuen Zeit darstellend4), so daß die Ab-
hängigkeit beider von der Tonarbeit jedem sofort klar ist. Die alten Kunsttypen, die unendlich
oft in diesem Material dargestellt wurden, sind mit ihm fast verschwunden und vergessen.
Es ist ihnen wie den vielen Bronzen der ägyptischen Kleinkunst ergangen, die seit der ptole-
mäisclien Zeit immer seltener werden, nur dürftig ersetzt durch die neuen Bronzen und durch die
sie oft imitierenden Tonfiguren!5) Das griechische Material hat den Markt überschwemmt,
die Konkurrenz erdrückt.
Überall bietet Ägypten dem Töpfer guten Ton6). Aber zur figürlichen Feinkunst ist er in
der vorgriechischen Zeit nicht häufig benutzt worden. Die weit überlegene Fayence war mehr
als Ersatz. Einzelne Figuren in gebranntem Ton, die wir kennen, zeigen das krass7): Das Material
wirkt auf der Oberfläche zugleich kompakt, mollusk, unkristallinisch, und der Bruch zeigt keine
Struktur, nur einen Klumpen hart wie Metall, so daß die natürliche Wirkung des Stoffs verdorben
ist. Diese allgemeine Auffassung vom Material, die nur eine gewisse Zeit lang als Unfähigkeit oder
Nichtübung gelten könnte, scheint jedoch bis in sehr späte Zeit sich erhalten zu haben8) und muß
da, mit dem Schwinden der griechischen Gewohnheit, vielleicht als Opposition gegen sie, wieder
in Schwung gekommen sein. Die erbärmliche Rohheit der koptischen Terrakotten hat eine ihrer
Ursachen in diesem Fehler.
Auch nach Absonderung dieser Gruppe ist das Material durchaus nicht einheitlich. Denn
im Lauf von 700 Jahren schwankt der Geschmack und die Kauflust der abnehmenden Kreise und

9 Über Gipsfiguren s. S. 143, Anm. 2. 217 und 416 sind unsere einzigen. (Denn über die Ausfüllung von 53, 145 mit
Stuck s. zu den Numm.) Es gibt noch einzelne, oft arg zerstörte Stücke. — Die Stuckformen (vgl. Nr. 42, 243,249, 262) be-
stehen aus einer groben Masse; nur die Formhöhlung, aus der die Figur ausgepreßt wird, ist eine fein gesäuberte Schicht; vgl.
auch Edgar, Greek moulds, pref., s. auch unten S. 9, Anm. 4.

2) Über 59, zu dessen Ton und Quasiglasur ich nichts, auch nur ähnliches kenne, s. die Beschreibung.

3) Unsere 93, 211, andere in den Museen. Blaue z. B. die Aphrodite bei Wallis, Eg. cer. art. pl. 28 (unten S. 122, Anm. 2),
andere Stücke in Berlin, Paris usw. Hierher gehört auch die öfter vorkommende Fayenceimitation aus außerägyptischen
Kunstgebieten.

4) Der radikale Wechsel ist besonders bezeichnend für die kleinfigürlichen Arbeiten, Amulette, Brusttafeln, Götter-
figuren ägyptischen Stils, die immer seltener begegnen und unter den einigermaßen sicher römischer Zeit angehörigen Funden
fast nie vorkommen. Der Einwand, die Funde seien auf Griechenhäuser und -gräber beschränkt, ist hinfällig; denn es gibt
nun auch genug vereinzelte Funde sicher ägyptischer Kreise. Die neuen Fabriken haben also die Gewohnheiten der einhei-
mischen Vorgänger übernommen.

5) Darüber s. die Nachweise unten S. 232.

6) Descript. de l'ßg. XVIII, 2, 395 ff, 401. Erman, Ägypten II, 605. Ko^ar. Schweinfurth, Zeitschr. d. Ges. f.
Erdkunde, XXII, 1887, Nr. 1; Wilcken, Ostraka I, 17; Grundzüge S. XIX.

7) Vgl. unsere Bubastis Taf. 18, 172 mit der im Text S. 74, Abb. 47 abgeb. etwa gleich alten Darstellung des gleichen
Weibes in bläßlichgrüner Fayence, Berlin 12424 (unten S. 77, Anm. 200.). Zur erstgenannten kann noch die Bubastis, Berlin
12676, verglichen werden. Wir reden nicht vom Stil oder der figürlichen Darstellung, allein vom Material. Die Fayence, die
keineswegs zum Kunstwerk gestempelt werden soll, wirkt leicht, der Ton undurchdringlich und roh.

8) Schon als Material fallen wie 172 (vor. Anm.) Stücke wie 139, 147, 150, 198, 231, 233, 239, 253, 256, 329, 344,
345, 346, 347, 348, 349, 350 (das einzige Stück in Nilschlamm), 352, 367, 399, 458, 459, 460 aus der Masse heraus. Davon
sind zunächst auszusondern 399, das auch nach Stil und Technik nicht ganz streng zur griech. Reihe gehört, und zu 329 sind
hinzuzunehmen 77, 78, die aus Oberägypten stammen und durch ihren schweren, graugelben Ton auffallen (Lokalentwicklung?).
Dann bleiben drei Bilder von Besgöttern 139, 253, 256, der Patäke 150, das phallische Kind 147, die M^^od@ &% 198,
die obszöne Szene 352, die alle durch ganz ungeläuterten, schweren Ton sich ähneln (freilich ist die Tonfarbe nicht die gleiche!)
Sie sind ferner alle nur vorn aus der Form oder handgemacht, zumeist rückseitig platt, Inhalt und Trachten sind ganz un-
griechisch. Da liegt natürlich eine ganz einheitliche Entwicklung vor, die von dem Vorgriechischen herkommt und mit all
dem rohen Koptischen (vgl. bes. 367 und Taf. 23, wo die Anschauungen sich kreuzen) endet. Etwas anders Edgar, Greek
moulds, preface. Weitere Belege bei Petrie, Memphis I, pl. XXXV, 1—16; 20; pl. XXXIX, 35, 37^40, 42, 43, 44—46, 48,
49, 52, 53 s. auch Anm. 9.
 
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