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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Einleitung.

gewiß für die Größkunst einmal gegolten haben und gelten können. Aber überall im Land sind
Formen gefunden. Und ferner, es sind gewiß einheitliche Methoden zu beobachten, die der Um-
arbeitung der Typen aus den alten in die neuen.Formen zugrunde liegen. So bemerken wir zunächst
Götter im alten Typus — es sind ganz wenige —, dann in einem mehr gelösten, freieren, bewegt,
aber im alten Gewand, dann in modernerer, aber einheimischer Tracht, dann gar völlig umgekleidet,
nur noch an ihren Attributen, ihrem heiligen Tier zu erkennen; aber bezeichnend genug, diese deuten
das Wesen für den Nichtägypter klar; oder man sucht eine dem Wesen des Gotts korrelate griechische
Form. Der Inhaltkanndabei bestehen bleiben, vielleichtvereinfacht, aberkaumverändert. Unterder
hellenisierten Form verbirgt sich der ägyptische Kern. Daß Götter in griechischen Motiven
erscheinen, reitend, sitzend, genrehaft im Leben des Alltags, ist griechischer Versuch der Mythenillu-
stration; durch sie wird die Beziehung zum Kult nicht allein, auch zum Mythos, dessen Abbild der
Kult ist, erleichtert. Göttergruppen werden aus Kultgruppen zu Kunstgruppen. — (Auch die
Namen werden nicht umgestaltet, nur vereinfacht, gelenkig, und die örtlichen Differenzierungen
von den großen Massen kaum bewahrt.) —
Die griechischen Götterchen sind Typen, die wieder in alexandrinischer Brechung erscheinen,
sie bewahren alle noch etwas vom einstigen Glanz ihrer Göttlichkeit.
Solche einheitlichen Prinzipien werden nicht in gegenseitiger Unabhängigkeit erfunden. Wer
glaubt, daß die Bildhauer nach unseren späten Terrakotten als Modellen gearbeitet haben? Oder
die Töpfer nach den umlaufenden Geldstücken? Man hat hier mit einer Organisation großen Stils
zu rechnen, die nach allem, was sich ergab, in Alexandrien festgelegt ist, und von dort aus ins
Land hinaus ging. Es steckt hinter alledem die zwingende Macht der Alexandrinischen Priester-
schaft2), die das Land beherrschte3).
Überrascht es uns nun nicht, unter den Tausenden von Terrakotten aus allen Teilen des
Landes sogut wie kein christliches Bildwerk zu finden? Wissen wir doch, daß die große Masse der
Zeit angehört, in der das Christentum nach dem Bericht seiner Anhänger mit außerordentlicher
Kraft sich über das Land verbreitet haben soll. Wenn wir 294, 295, —- was ich für unbewiesen und
unbeweisbar halte — als guten Hirten ansprechen4) mit dem konkret christlichen Sinn, und viel-
leicht (?) den viel späteren Anker (482) als christliches Symbol dazunehmen, so sind wir für die
Zeit vor 400 n. Chr. schon am Ende. Wir dürfen aus dieser Tatsache jedoch nicht sofort folgern,

2) Für Einzelheiten muß auf die zahlreichen Stellen im Text verwiesen werden. Vgl. auch meine „Äg.-Griech. Götter
im Hellenismus“ S. 34 ff. — Wir haben zu beachten, daß Vorgänge im Land auf den alexandrinischen Münzen dargestellt
werden, wie die Ereignisse in der Welt nach antiker Sitte in gewisse Symbole gekleidet durch die alexandrinische Münze für
das Land festgehalten werden. Wenn nun diese außerordentlich vielen Darstellungen, wie die Münzreihen des 2. Jahrh. n. Chr.
sie zeigen, so häufig Bildchen tragen, die Zug für Zug den unsrigen entsprechen, so wird man doch nicht leugnen, daß ein offi-
zieller Anlaß vorliegt, den Typus auf die Münze zu setzen. Auch die Münzen zeigen die gleiche Assimilationsmethoden wie die
Terrakotten, wie alle Glieder dieser „Kunst". Was veranlaßte die Regierung, all diese großen und kleinen Ereignisse des reli-
giösen Lebens durch die Münze zur allgemeinen Kenntnis zu bringeri? Zumal in der Kaiserzeit die Regierung sich für die
Priesterpolitik interessierte und sie regeln konnte.

3) Anhangsweise sei hier noch hingewiesen auf die Tatsache, daß in unserer geschlossenen Masse von Terrakotten auch
spezifisch römische, Staatsgötter, nicht Vorkommen, etwa die kapitolinische Trias, wiewohl mir die anderen Zeugnisse für den
Jupp. Capitolinus usw. bekannt sind. Sie kommen aber auch auf den Münzen nicht vor; nur landläufige Personifikationen sind
es da. Würde ein Schluß ex silentio erlaubt sein, so wäre das eine Bestätigung für die Art, wie die Leute unter Decius sich vom
Opfer an die Staatsgötter zu drücken verstanden haben. Die Priesterin des Petesuchos (P. Μ. Meyer, die lib. libellatici der
Dec. Christenverfolg., Abh. Berl. Ak. 1910, S. 32 Nr. 23) hat sich für ihr Krodokil gewiß mehr begeistert als für die unbekannten
Herren, die der Kaiser ihr aufdrängen wollte. Sie hat deswegen gewiß leichten Herzens den Kirchenbesuchszettel sich er-
standen. Was lag ihr an Rom?

4) Über die Ausbreitung des Christentums im Land s. Harnack, Mission und Ausbreitung S. 448 ff. (Das Zeugnis der
vit. Sat. 8, Harnack S. 448, 3 gehört ganz gewiß nicht ins 3. Jahrh.) — (Ich finde eine Tertullianstelle auch bei ihm nicht, die
mir augenblicklich verloren ist, wo Tertull. sagt, man hätte Christen getötet, wenn der Nil ausblieb. Die libelli libellatici be-
zieht man seit P. Μ. Meyers Publikation [Berliner Ak. Abh. 1910, vor. Anm.] nicht mehr alle auf Christen.)
 
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