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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Isis.

Gläubigen und Tote, scheinen diesen Mantel getragen zu haben8). Tragen ihn aber ver-
schiedene, so ist der Name der einzelnen nicht sofort eindeutig bestimmbar; das erleichterte
im Altertum äußerlich das Aufgehen der kleinen Göttinnen in der allmächtigen Isis, erschwert
aber für uns den Weg des Verständnisses. In vielen Schattierungen, vom rituell ganz strengen
zum ganz freien Stil, sind Statuen mit dieser Tracht erhalten; man wird sie am besten in
drei Typen scheiden, bei denen es zunächst nicht auf die Attribute, sondern nur darauf an-
kommt, wie intensiv man das altägyptische Schema festgehalten hat9).
In altägyptischer Zeit trugen Göttinnen wie sterbliche Frauen ein dünnes, ungegürtetes
Gewand. Als aber die verfeinerte Mode des Neuen Reiches die Formen des weiblichen Körpers
mehr als bis dahin dem Anblick entzog, legte die Frau einen Mantel über, den sie ungefähr
trug wie die griechisch-hellenistische Isis10). Dieser energische Wechsel der Tracht scheint im
allgemeinen an den Göttinnen vorübergegangen zu sein, da noch spät das altertümlich einzige
Gewand sie bedeckt11); seit der saitischen Zeit läßt, vielleicht als Reaktion, sogar die Frau12)
sich wieder wie früher darstellen. (Oder hat sich die Mode wieder geändert?) Wenn nun
(Anm. 8) doch Isis die göttlichen Frauen der hellenistischen Zeit in der Tracht so stark beein-
flußt hat, sollte da der Schöpfer des Kultbildes eine Frauenstatue des Neuen Reiches
übersetzt haben?13) Man muß sagen, das wäre starke Opposition gegen die zähe ägyptische
Kunstgewohnheit; und darum denken wir lieber, antiker Sitte entsprechend, an einheitliche
Entwicklung, deren Abschluß dann unser freier Typus III bilden müßte, wobei fraglich nur
der Punkt bleibt, ob der strenge Typus I vor oder nach ihn zu setzen, dieser aus jenem oder
jener aus diesem hervorgegangen ist. Denn an rituell bindende Bilder wird für die beiden
Typen wenigstens, wie unsere früheren Bemerkungen zeigten, gedacht werden müssen.
Die Unsicherheit wird durch Analyse der Körperformen gehoben. Im freien Typus III kehrt

8) Außer den im Text genannten vgl. z. B. Isis, die das Kind und Horus als Apis nährt (Anm. 42). Isis-Tyche z. Β.
Guida del Mus. Naz. di Napoli 365, Hathor-Aphrodite (z. B. S. 42, Anm.), dann die unten (Anm. 59) genannte Hathor von
Elephantine, nach Hathor auch die Tote, die Hathor wird, auch die Isispriesterin, die Isisgläubige, die Bubastis S. 119, die
tanzende Göttin, Taf. 24, die Göttin auf dem Stuckmodell, Äg. Zeitschr. 1895, Taf. III, das Weib, das den Bes säugt, fast
sicher auch die sog. Isis des Antaiosreliefs (jetzt Maspero-Rusch, Gesch. d. Kunst in Ägypten, Abb. 523), Anukit, Breccia, Guide
du musee d'AIexandrie 101 N. 24, Euthenia (z. Β. die Tazza Farnese, Furtwängler, Gemmen, Taf. LV, unten S. 136), eine ptole-
mäische Prinzessin in Alexandrien, Breccia, Guide du musee d'Alex. 102 Ν. 50, die äthiopische Königin bei Maspero, a. a. 0. 256,
Fig. 492. Dazu wohl noch die oder jene Darstellung auf den Nomenmünzen, die Dattari als „Iside" beschreibt.

9) Strenger Typus (I): Hauptvertreter: Vatikan, Mus. Egizio 31 b (Marucchi S. 306), frühhellenistisch, Abb. 10. Die
Wiederholung dieser Figur, kleine Statue in Kairo aus Naukratis (Edgar, Greek sculpture, [Cat. gen. Caire] 27 471) weicht
in der Haartracht, dem Kopfaufsatz ab; roher, etwas freier. Viel glatter, unbedeutend eine Statuette in Florenz. Zu den
freieren Typen rechne ich den sehr feinen Kopf mit der Geierhaube aus Rom, Orto Botanico (Amelung, Bull. Communale
di Roma 1897, Taf. VIII, 110 ff., Hekler, Oestr. Jahresh. 1911, 119; hier Abb. 11), der aus dem Iseum der III. Region
stammt, möglicherweise als Isis galt; (das Kultbild des Tempels der III. Region scheint auch die Geierhaube getragen zu
haben, wie ich am Haterierrelief zu erkennen glaubte). Ferner: Rubensohn, Hellenistisches Silbergerät in antiken Gips-
abgüssen, Taf. XVIII n. 65. Eine Statuette in der Sig. Borgia im Neapler Museum. Diese wahren doch immer stark die
ägyptischen Züge des Gesichts, lösen aber die Glieder: Kopf einer Terrakotte des Karlsruher Museums, H. 742 (s. unten),
vor allem die stehende mit der Schlange in der Hand (s. unten), dann die Statue späterer Zeit in Kairo, Edgar, Greek sculpt.,
27473 wie die ähnliche Vatikan, Egizio Ν. 28 Α, wo der Kopf sinnlos ergänzt ist nach einem männlichen Kopf in Neapel, Slg.
Borgia (Mus. Nazionale, Neapel). Auch die Münzen, Dattari XXX, 1611, 1972. Ganz freier Typus (III) in vielen Exem-
plaren (s. Anm. 8) in Alexandrien, Kairo, Rom, Athen, Pompei-Neapel usw. Sehr bedeutsam ist, daß alle drei Typen in und
außerhalb Ägyptens bekannt sind.

10) Erman, Ägypten I S. 295 f. u. Anm. 3. Danach v. Bissing, Knotenamulette, Arch. f. Rel. Wiss. VIII, Beiheft
S. 26; auch sonst; meine Rede (Anm. 5), S. 21. Scheftelowitz, Rel. Gesch. Vers. Vorarb. XII, 2, 39 f., 60 f.

u) Vgl. z. B. Kairo 32 364, viele kleine Bronzen, die Isis Baracco (Maspero, Gesch. d. Kunst, Fig. 488). Marucchi, Vati-
kan, Egizio 315 n. 55; z. B. auch der geschnittene Stein Berlin 7999.

12) Maspero, Kunstgeschichte S. 8, 14.

13) Man könnte z. B. daran denken, daß in dem alten Heiligtum in Rhakotis (Untersuchungen, S. 6) aus der Zeit des
n. R. (etwa wie Botti, Musee Greco-Romain d'AIexandrie Ν. 376 S. 321) eine Frauen- oder Isisstatue aufgestellt war, die
der Schöpfer des neuen Bildes kennen konnte.
 
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