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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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130

Αφροδίτη ξεινή, Hathor, Frauengöttin.

Aus dem Kreis der angeführten Monumente ergibt sich die allgemeine Auffassung nun von
selbst. Eine Sterbliche, eine Dienerin, Kebse oder ähnliches kann es nicht sein. Eine Jüdin
in einem ägyptischen Naos gewiß noch weniger. Die völlige Nacktheit ist die der asiatischen
Aphrodite, die wie sonst im Mittelmeergebiet, auch in Ägypten eingewandert war, die Kult
und Tempel unter verschiedenen Namen noch in griechisch-römischer Zeit besaß. Für unsere
Bilder kann es auf individuelle Namen nicht ankommen. Wichtiger, als daß wir sie Ναναία,
Άστάρτη, θεά Συρία zu benennen versuchen, scheint mir, daß wir aus diesen Bildern verstehen,
wie eine Isis-Narada entstanden und dargestellt sein kann11), wie überhaupt das fremde vom
Ägypter rezipiert wird.
In gleicher Haltung wie 198/199 verharren 200—207. In ihrer Gepreßtheit bemüht sich
der Grieche offenbar ein seinem Naturalismus unverträgliches Motiv festzuhalten — die Starr-
heit ägyptischer Vorlagen. (Sonst wäre es eine Aufnahme archaischer Gedanken.) Gesichts-
form und Ausdruck variieren; aufgetürmt auf den reicli hängenden Locken lasten dicke Kränze
mit leuchtenden Schleifen, Blüten, Früchten, Blättern, darüber ungewöhnlicli hohe, bogenförmig
gestreifte Aufsätze verschiedener Gestalt — zweimal sitzt an ihnen das Isissymbol — und er-
höhen die fremdartige Wirkung12). Anhänger an Halsringen, Ketten mit Perlen und Bändern, die
zwischen den Brüsten sich kreuzen, und an den Hüften in Schlüpfe geknüpft sind, umspielen
den (einheitlich aufgefaßten und meist sorgfältig modellierten) vollen, nackten Körper13); breite
Bänder, über die Unterarme geschlungen und ganz an die Schenkel gepreßt, flattern mit ihren

(Cat. Brit. Mus. Terr. 126, Nr. B 327). Berlin Äg. Mus. 10265. (Kalkstein: 12 cm hoch, 6,6 cm br.): in Kapelle mit hoher

Hohlkehle und Uräenfries nackte Göttin mit Frisur wie die erste, kugeligen Brüsten, wohl vorhellenistisch. Ebd. 11 811, Ge-

schenk Mosse, Obeliskenform (Kalkstein H. 12,6 cm; Br. 7,8 cm): In Nische Göttin wie die vorige. Ebd. 19393 (Kalkstein,

H.16cm, Br. 8,5cm). Naos mit Triangulargiebel, im Feld Ranke. In der Nische: auf Postament die Göttin, wie die vorigen,

r. u. 1. zwei hockende Löwen. Vgl. weiter z. B. Maspero, Cat. du Musee de Marseille 237 (Triangulargiebel), 238 (horizontal)

das Weib bemalt: schwarze und rote Bänder, schwarze Haare und Schamdreieck, auch Armbänder, also unser Typ 199ff. —

Hierher gehören ihrem allgemeinen Charakter nach gewiß auch die nackten Göttinnen, die neben dem Bes stehen. Quibell,

Sakkarah 13, 28, Tafel; s. unten S. 154, Anm. 8.

11) In den großen Grabstätten Babyloniens lagen sie um die Leichen zerstreut: E. Meyer, Roscher I, 646ff. Es er-
übrigt sich, Literatur zu zitieren. In der Venushaltung schon im Alt. Reich: v. Bissing, Rev. archäol. 1910, I, 249. Kult der
Astarte: Erman, Rel.2 88, 89, 95, 260. Schaefer, Äg. Zeitschr. 40, 34, 4. Spiegelberg, Proceed. 1902, Jan. 8. Demot. Denk-
mäler (Cat. Gen. Caire) Index z. Bd. II. Otto, Priester u. Tempel, Index s. v. P. Fior. I, 104, 11. Zolk, Ptah, Leipz. Diss.
S. 50. Wilcken, Grundzüge 112. — Ναναία: Wilcken, Archiv III, 239; Grundzüge 129f. Isis Ναναία ebd. 130. Chrestomathie
Nr. 102. — Οεα Συρία Wilcken, Grundzüge 113. Chrestom. Nr. 101. Pap. Lille II, 2 Nr. 2. Breccia, Inscr. I, 32. Es liegt
nahe, an die Göttin Qadesch zu erinnern (Lanzone, Diz. III, Taf. 191, Fig. 1, 2, 3; ich kenne auch ein Stück in Kairo, eins
in Athen; auch Kittel, Gesch. d. Volkes Israel I, 206), die nackt, mit Hathorfrisur auf dem Löwen wie Horos auf dem Krokodil
102 steht; das eine Stück in Berlin 19393 (Anm. 10) zeigt die Löwen neben der nackten Göttin wie bei Kybele. ('Hathor
Ashthoreth' in Gezer, Macalister, Exc. at Gezer 1912 II, 414ff., pl. CCXXI1I, pl. CXVI Nr. 10).

12) Die Locken sind einmal (unter der Hand des Griechen) naturalistisch aufgelöst. Besonders sorgfältig die Allonge-
perücke 207 (das beste, wohl noch hellenistische Stück). Sie tragen beliebig einen oder zwei Kränze; die Schleifen ganz steif
bis tief auf die Ellbogen bei 206. Blätter dazu 200, 201, 202, 206, 207. Bänder und Schleifen geben Halt, s. 207. Trauben und
Nelumbium (?) 207. Andere Früchte 201. Naturalistische Blüten-, Immortellenkränze bei 200. Kopfaufsatz: abgebrochen
204, 205, 206; einzusetzen 207; in einfacher Gefäßform 203; wie zwei ineinander gesteckte Trichter, ringförmig bemalt 202,
mit Zackenrand 201 ; reliefgeschmückt am Rand, mit vertikalen Streifen, ungleichen Ringen bemalt, als sei er ein Korb 200.
Daß bei solch schwankender Darstellung von den ältesten Formen des Kopfaufsatzes, wie er aus archaischer Zeit bekannt ist,
hier eine klare Vorstellung herrsche, ist kaum anzunehmen. Aber die Form von 201 finde ich wieder in der Terr. des Berliner
Antiquariums Terr. Inv. 6907 (Böotisch); stephaneartig, auch mit Bändern und Blüten z. B. bei den freien aus Tchan (Klein-
asien), Mendel, Terr. cuites du Musee imp. Ottoman, 1887, pl. V, 5. Man kann also durchlaufende Tradition postulieren.
Durch den (wenn auch unklaren), hocharchaischen Aufsatz, die fremde (auch archaische) Haartracht wurde das befremdliche
zum Ausdruck gebracht, wenn auch nicht sicher entschieden wird, ob eine Göttin oder Sterbliche ihn trägt. Der Blumen-
schwärmerei von Ägyptern und Alexandrinern wird die überreiche Verwendung von Blumen verdankt. Die Trauben aber
erinnern an die Fülle und Totenkultvorstellungen.

13) Ein bekanntes Motiv: z. B. Dumont-Chaplain I, Taf. XXXVIII/IX. 4. Jahrh. Winter, Typ.-Kat. II, 209, 7; 355, 2;
358, 3. Mendel, Cat. Terr. cuites Mus. imp. Ott., pl. IX, 3 Nr. 2308; Wolters, Arch. f. Rel. Wiss. 1905, p. 9, 11 u. 12. Aber
auch viel älter in Ägypten: Schaefer, Amtliche Berichte a. d. kgl. Mus. 1913, S. 51 Nr. 22. „Dienerin des Toten"; Petrie,
Diospolis parva pl. XXVI.
 
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