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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Totengöttin.

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Speiseschüssel 15), so erkennen wir leicht, daß griechische und ägyptische Vorstellungen in diesen
Fällen eine Verbindung eingegangen sind: Es ist eine Tote, die sitzend des Essens harrt, die
vor dem Totengott oder der erwachenden Sonne ihr Begrüßungsgebet spricht 16).
Aber dieses Ergebnis ist nicht erschöpfend. Jene Stehende (II) trug in ihrem Brustamulett

ein Bild dieser Sitzenden. Offenbar fühlte sich der Träger des Amuletts in ihrem 17) Schutz.

Dann aber war sie gewiß nicht nur eine Tote. Sie begegnet ein zweites Mal im Tempelchen,
auf einem Korb sitzend18); wir finden sie weiter auf dem Korb, an dem zwei Schlangen
emporstreben 19); dann wieder reitet sie auf einem über einen Ovalschild hinwegschreitenden
Pferd, mit erhobener Hand, mit Hemd und Schal bekleidet wie Ν. 224 und mit einem Kranz ge-

schmückt, aus dem zwei Knospen wie bei der Paukenschlägerin 241, 242 aufragen20). Haben

wir da immer die gleiche Person oder verschiedene in gleicher Tracht, gleichem
Gestus zu erkennen? Die Erklärung bleibt für uns offen. Aber das dürfen wir
konstatieren, daß mancherlei Beziehungen zu verwandten oder mindestens ähn-
lichen Göttern, hier und da noch Züge aus dem Wesen der dargestellten ergeben.
Einzelnes streift an die vorhin genannte Frauengöttin; man denkt an eine Frucht-
barkeitsgöttin; oder ist sie eine Tote, die zur Chthonischen geworden ist, Segen


Abb. 86.

spendend? Ist sie eine Liebesgöttin 21)? In dieser Richtung zu suchen wird allein aussichts-

reich sein.

IV. Eine Anzahl Frauenfiguren, gewöhnlich „Puppen" genannt 22), beschließe diese Reihe.
Unbestreitbar sind sie von äußerster Rohheit; öfter nur dürftig zurechtgeschnittene und -geknetete
Tonbatzen; ganz flächenhaft modelliert; nur andeutend, unklar bemalt; leidliche Beispiele für
das Hinsterben der griechischen, plastischen Formenwelt; stammen doch einzelne aus koptischen
Ruinen 23). Noch klingt ein altes Kunstschema nach in der stehenden Frau 230 (r. Spiel-
bein); oder in der Haltung der spindeldürren Arme der aphrodisischen Schönheit 238; noch
heben einzelne die Arme aufwärts wie zum Gebet, 234, 239; noch deutet man hier und da
wenigstens die Brüste als Knöpfe an, die viel zu hoch sitzen; oder die beinahe noch ver-

15) Es ist eine Schüssel der Form, wie die Göttin, Taf. 19, sie trägt, oben S. 125, Anm. 2, ein bekannter Typus; in
Bronze ein Ex. im Berliner Antiquarium (Hinweis v. Zahn).

16) Beide Völker kennen die Ernährung des Toten. Die Gebetshaltung kann wohl nur aus dem Anm. 11 angeführten
verstanden werden. Ein äg. Totengebet übersetzt Porphyr, de abst. IV, 10.

17) Erman, Rel.2 163 über die Brustamulette der Toten, s. auch oben S. 20 ff., Amulettnaiskos frühgriechisch: Winter,
Typ.Kat. I, 64, 1.

18) Frgm. in der Heidelberger Univ.-Slg. aus Naukratis 1902, H. 6, 5, Br. 4,3 cm; schwarze Auflage auf dem hellrot-
braunen Grund, wohl von Gerät. Tempelchen wie bei Nr. 218. Flachbogengiebel mit Sonnenscheibe im Tympanon.

19) Edgar, Moulds, Taf. XXV, 32078.

20) Expl, in Paris, Louvre Terr. 354. Vgl. das Reitmotiv mit der oben erwähnten Frau, s. auch S. 154, Anm. 4. In
Karlsruhe zwei Exemplare eines männlichen Reiters, der über einen Rundschild weggaloppiert; auch sonst. Deutung?

21) Die Haltung, die Anm. 13 besprochen wurde, läßt das an sich nicht zu. Aber es liegt sehr nahe, nicht bloß die
Taf. 26, 279 beschriebene Vettel, sondern auch Frauen, wie die von Edgar, Moulds 32079, Taf. XXV publizierte heran-
zuziehen: Nacktes Weib mit Reifen an Armen, Hand- und Fußgelenken wie unsere Stehende II, außerordentlich fett, breit-
hüftig, mit riesigen Brüsten, den 1. Arm in die Hüfte stemmend; (der r. nach dem gleich zu nennenden Leidener Stück zu
ergänzen.) Dazu eine oben besprochene Karlsruher Terr. (S. 136, Anm. 1) mit der Knabenfrisur und den hängenden Brüsten.
Ein anderes Stück in Leiden, Mus. van Oudheden (Frisur wie Nr. 225), publ. Pleyte, Chapitres supplem. du livre des Morts, Tafel
zu S. 148. Was will man mit diesen scheußlichen Weibern mit ihren wahrhaft orientalischen Formen? Erinnern sie nicht an
die nackte Liebesgöttin in Sakkarah (unten S. 154)? Wenn die Fig. 44 bei Schreiber κρόταλα (?) hält, so muß das doch
nicht eine „pleureuse" sein? κρόταλα, Fraueninstrument, Herodot II, 60 (Bubastis).

22) Z. B. Palanque, Bull, de l'Inst. frang. du Caire III, 97ff. Strzygowski, Kopt. Kunst 201 m. Lit.

23) Vgl. oben S. 12, ferner die in der vorigen Anm. genannten; Petrie, Ehnäs, Taf. LII, der Stücke ins 7. Jahrh.
datiert. Die Beziehungen zur „koptischen" Kunst sind evident, die Erstarrung der Typen in ihr ganz geläufig. Charak-
teristisch ist vor allem die wüste Formlosigkeit und die Gleichgültigkeit in der Ausführung; kommt das nicht, ganz abgesehen
von formalem und technischem Unvermögen, völliger Interesselosigkeit gleich? Ein Wunder, daß der Geschmack der kleineren
Leute solche Nippes solange geduldet hat.

Weber, Terrakotten.

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