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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Frisuren.

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aber erst die römischen Kaiserinnenporträts23), die, wie bekannt, zum Teil auf ältere Formen zurück-
greifen24). Nun ließe sich zwar voraussetzen, daß eine Wechselwirkung bestand zwischen der
Mode des Hofes und der breiten Schichten, unsere Bildchen also spontane Schöpfungen lokaler
Moden sein könnten. Aber auch die Denkmäler Italiens und des Westens zeigen uns Bürger-
frauen in der Haartracht der Kaiserinnen25). Am meisten stimmt 390 mit den flavisch-trajanischen
Frauenfrisuren überein26): In fein ovalem Gesicht steil aufsteigende Haarfassaden, zum Teil wie
aus Metall kunstvoll gedreht und gedrechselt27). In diese Gegend gehört auch 391, deren Rück-
seite mit 390 übereinstimmt, und wohl auch 388, das jedenfalls eines der frühesten Stücke ist28).
Annähernde Analogien finden wir für Gruppe V (ohne die Kränze) in den römischen Porträts
vom Ende des 2. Jahrhunderts29). Zeitlich ungefähr gleich müssen Gruppe 1 und II sein, da die
Rückseiten sich sehr ähneln. Gehören sie in die erste Hälfte des dritten nachchristlichen Jahr-
hunderts, in der die Melonenfrisur häufig ist und „die geflochtenen Haare bis zur Scheitelhöhe
hinaufgezogen werden?"30) So lassen sich aus den Kaiserinnenporträts einigermaßen genaue, ab-
solute Datierungen gewinnen. Der Vergleich mit den Mumienbildern, der bei der Hand liegt,
hat bisher nur eine oder die andere gute Parallele er-
bracht. Auch daran sieht man die gleiche Umriß-
gestaltung, regelmäßige Verwendung von Haarpfeilen,
Ketten und Ohrgehängen 31). (Aber auch sie sind nach
den römischen Moden datiert).
Was stellen sie dar? Etwa ägyptische Göttinnen?32)
Ohne Kopfschmuck und Attribute existieren solche
nicht. Venus? Wechseln auch Göttinnen die Mode
(S. 37), so gibt's doch bisher für so modische Aphro-


Abb. 109.


Abb. 110.

diten keine Analogie. „Puppen"?33) Wer beglückt Kinder mit Köpfen und Figuren meist
reiferer Damen!? Sagen wir doch einfach: „Frauen"; Damen in großer Toilette (Gruppe V),
Mädchen und Frauen in kunstvoll modischer Haartracht (Gruppe I-IV). Die herrliche Roma
hat diese Mode diktiert, die zivilisierte Welt ist bemüht, sie zu kopieren. Und darum werden
in Massen Mustervorlagen für alle Schönen Ägyptens hergestellt. Das wird klarer, wenn
wir auch außerhalb Ägyptens Tonköpfchen in der Art der unserigen finden: Smyrna34), Marokko

23) Zur Literatur ist an die bekannten Werke von Bernoulli, Arndt-Bruckmann, Hekler zu erinnern; ferner auch
die Münzen, etwa Evans, Numism. Chronicle VI, 1906, 37, die alexandrin. Münzen.

24) Vgl. Hauser, Jahreshefte IX, S. 123f, der bei der Besprechung einer flavischen Frisur auf die monströsen Frisuren
älterer Terrakotten, z. B. Kekule, Antike Terrakotten II, Taf. 12 u. 4 hinweist; vgl. auch Deonna, Anzeiger f. schweizerische
Altertumskunde 1911, S. 137-—145. Noch heute läßt die Mode schon Dagewesenes unter neuen Verbindungen wieder aufleben.

25) Daß die Mode oft vom Hof diktiert wird, zeigen auch die bekannten Kaiserbärte.

26) Vgl. Hekler, Bildniskunst, S. 244a und die vorhergehenden.

27) Vgl. Hauser, Jahreshefte IX, S. 123f.

28) Vgl. auch Abb. 109, 110. In den quer übergelegten Strähnen 388 lebt ein altes Motiv wieder auf; vgl. dazu
Robert, Masken, Tafel.

29) Vgl. Hekler, Abb. S. 286, 287, kunstvoller 288b (schmales Gesicht).

30) Vgl. Hekler, S. 304.

31) Vgl. z. B. Petrie, Hawara Portfolio XVII u. XVIII zu 390, XIX um den Kopf gelegte Zöpfchen und spitz einge-
rahmte Stirn zu 388; zur Melonenfrisur Edgar, Gr.-Eg. Coffins 1905, pl. XXV, 33174, 33175; Melonenfrisur mit Stirnlöckchen,
Flechtenknoten am Hinterkopf mit Haarpfeilloch, Berlin, Mumienkopf 11 650, vgl. auch für die Bemalung die gut erhaltenen
Mumienköpfe daselbst, z. B. Mumie mit Kränzen u. Band 13462.
32) Gayet, Annales XXX, 124f. nennt sie „tete d'Isis-Venus“. Öfter reproduziert ist neuerdings sein Bild von der
Leukaionia, s. oben S. 4, Anm. 18. Ist es zuverlässig? Wie sollen die Köpfchen eine Kette bilden? Zumal zeitlich
gar nicht zusammengehörige Stücke da beisammen sind?

33) Mendel, Mus. Ottom. de Constantinople, pl. XV, 6, Nr. 3288.

34) S. Anm. 33.

Weber, Terrakotten.

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