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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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4. Heft
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Harder, Agnes: Das Mädchen in dem akeleifarbenen Kleide: phantastische Novelle
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn des Brenkhusen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0120

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MODERNE KUNST.

45

Armen und ein Zucken ging durch ihren Körper.
Aber sie lächelte am nächsten Morgen. Und er
versprach wiederzukommen.
Ihre Augen waren seltsam, als er kam. Ein
düsteres Feuer brannte in ihnen und ihre Wangen
waren blaß. Um den Hals aber trug sie an einem
schwarzen Bändchen ein Amulett von grünen Steinen,
das hing tief herab auf ihre Brust. Das sah er und
nahm es in seine Hände, und es war heiß von dem
Schlag ihres Herzens. Sie sagte aber nichts. Und
als die Sonne sank und er sie auf das Lager zog,
da war es, als wäre ihr Leuchten in den Steinen
hängen geblieben. Das Mädchen aber erzitterte
wieder und wollte nicht, daß er seine Hände um
die Steine schlösse.
Sie erzählte ihm aber in der Nacht, während
sie an seinem Herzen lag, daß das Amulett von je-
her in ihrer Familie sich forterbte. Aber niemand
trüge es, denn man sagte, es hinge der Tod an
ihm. Es hätte einer der Frauen gehört, die auf dem
Bilde abgemalt seien im großen Saal. Die wären
alle gestorben, als der schwarze Tod durch das Land
gezogen und sie die Pestmauern gebaut droben in
der Stadt. Mitten aus dem Genuß des Lebens heraus
wären sie gestorben, und die Pest hätte sie geholt
vom Becher und vom Lager der Liebe. Ihre Ahne
wäre aber eine Dienerin im Schloß gewesen, die
hatte der toten Herrin das Amulett abgenommen,
als die Vermummten gekommen wären, um sie zu
verscharren. Seitdem ginge es von Hand zu Hand
bei ihnen. Aber sie sei die erste, die es wieder
trüge, weil er diese Steine suchte.
Und er wartete bis der Morgen kam und die
Steine wieder grün schimmerten. Dann ging er.
Es waren aber schwüle Tage, und der süße
Duft lag schwer auf der Zunge und machte die
Augen müde. Es war ein Taumel in dem allen und in seinen Adern wohnte das
Fieber. Er fühlte es aber nicht, denn die Liebe war ihm neu und war eine Macht
über sein ganzes Wesen, und er schob auf seine Küsse und auf ihre heißen Augen,
was doch in seinem Blut saß und an ihm zehrte.
Er konnte sich aber nicht satt daran sehen, wie das Rot zum Grün wurde und
der Tag mit der Nacht wechselte an ihrem Halse. Und er fühlte nicht, wie sie sich
verzehrte in seinen Armen und wie rasch das alles ging, denn sie lebten jede Stunde
des Tages und tranken den Becher leer bis zur Neige. — Dann starb sie eines Nachts
in seinen Armen, gerade als die Steine wechselten, und er nahm das Amulett von
ihrem Halse und lief aus dem Schloß in das Land hinein wie ein Rasender.
Als er erwachte, lag er in dem großen Hospital dem Dom gegenüber. Aus seinen
Fenstern sah er nach der Pestmauer herüber und den offenen Bogen, an dem nachts

der Mond vorüberging. An seinem Bett saß eine
Nonne, und der Arzt sagte, er wäre lange krank
gewesen, und es sei gut, daß die heiße Zeit vorüber
sei. Er wüßte sonst nicht, ob er ihn habe retten
können. Nur aber würde es bergauf gehen.
Der Graf fragte nach seinem Amulett und
nach den grünen Steinen. Aber niemand konnte
ihm davon sagen. Bauern hatten ihn am Weg ge-
funden und nach der Stadt gebracht. Man kannte
den sonderbaren Inglese in der Umgegend. Der
Antiquar war dagewesen und hatte mit dem Kopf
genickt und gesagt, das hätte er sich gedacht, daß
es so endigen würde. Aber man kannte auch seine
Zahlungsfähigkeit und hatte es an nichts fehlen
lassen. Nur von den Steinen wußte niemand.
Als er aufstehen konnte und ans Fenster trat,
saßen unten auf den Steinbänken vor der Tür des
Krankenhauses, das einmal ein Palast gewesen war,
Männer und Frauen und sahen mit Augen, in denen
das Leben langsam wieder erwachte, auf das Wunder
des Doms von Siena Und als er langsam die
Treppenstufen des Domberges wieder herabsteigen
konnte und sein Quartier aufsuchte, hatte sein Wirt
sein Zimmer abgeschlossen und nichts fehlte darin.
Das alte Seidentuch hing über dem Bilde. Und
als er es zurückschlug, sahen ihn die rätselhaften
Augen an und die spitzen Finger boten ihm die
Akelei.
Da wußte er nicht, ob er geträumt hatte, und
wagte sich nicht hinaus in die Landschaft, durch
die hohen Festungstore, durch die die weißen Ochsen
mit den breiten Hörnern zogen, sondern er packte
seine Sachen und reiste der Heimat zu. Das Bild
aber nahm er mit. Von Florenz ließ er dem
Vater des toten Mädchens eine Summe Geld über-
weisen, die machte ihn unabhängig für sein Leben.
Als er in sein Schloß zurückkam, war sein alter Lehrer trüben Geistes geworden
und blätterte in den alten Büchern, ohne in ihnen zu lesen. Er fragte ihn aber nach
den grünen Steinen, als er ihn sah.
„Ich habe sie gefunden und verloren", antwortete der Graf.
Und der Alte nickte, als fände er das selbstverständlich.
„Gefunden und verloren", sagte er vor sich hin.
Das Bild aber kam dahin, wo die Schränke mit den Steigen standen. Und
wenn der Graf, der ein einsamer Mann blieb, die Kästen aufzog und sich be-
rauschte an dem Honigfarben und Lauchgrün, an dem Weinrot und Veilchenblau,
wenn er nach dem Turmalin sah und dem Moosachat und die Träume seiner Knaben-
zeit durch seine Seele zogen, dann lächelten die seltsamen Augen auf ihn herab und
die spitzen Finger boten ihm die Akeleiblüte.


C. Bern heim: Agnes Harder.


des (Herrn non J>ren
Von Klaus Rittland (Elisabeth Heinroth).

usen.


[Fortsetzung.] --
Jer Major a. D. von Schönwald war schwer krank. Dunkle
Schatten lagen über dem Hause — — und doch war es für
Brenkhusen eine Stätte stiller Freuden geworden.
Jetzt aber dünkten ihn auch diese liebsten Freuden schal — kraftlos
und ohne Farbe. Alles, was in ihm gebrannt, gehungert, gelechzt hatte —
denn nie meinte er noch, Liebe genossen zu haben, so wie er sie verstand
— — jetzt sollte das reife Mannesalter ihm alles, das Beste gewähren.
Kaum kamen ihm Zweifel, ob Fanny seine Leidenschaft erwiderte.
Sie-waren sich fremd in allen äußeren Beziehungen, kaum wußten sie
mehr voneinander als zwei Reisegefährten, die eine kurze Wegstrecke
miteinander gewandert sindl — — und doch — er trug ihren Blick in
seiner Seele, den feuchten, dunklen, heißen Blick; so sieht ein Weib nur
dem Mann ins Auge, für den es stark empfindet. — —
Und kluge Berechnung hielt er bei diesem herrlichen Geschöpf für
ganz ausgeschlossen. Das Fanneri hätte sich vielleicht wegwerfen können,
wenn ihr Gefühl sie hinriß — — aber sich verkaufen für eine gute
Lebensstellung, einen vornehmen Namen? Nie.
Die Menschen? Ja, die Menschen. Curt Brenkhusen war keiner von
den ganz Steifnackigen, Freien, die das Urteil der Welt verachten.

- Copyright 1913 by Rieh. Bong.
Er wußte, daß man ihn belächeln, den Kopf über ihn schütteln, ja, ent-
rüstet sein würde — — man beschäftigte sich viel mit ihm in der Gesell-
schaft von Flannover, schmiedete listige Pläne für sein Glück — und nun?
Unter einem Hagelschauer von spöttischen Blicken, Nadelstichen, un-
bequemen Fragen und hundert kleinen Ärgernissen würden sie dahin-
gehen müssen, er und das Fanneri, wenn — — — —
Ja, aber das „Wenn“ — — das schloß eine solche Fülle von Selig-
keit in sich — — Für dieses Glück konnte man wohl leicht einige Hagel-
schauer auf sich nehmen. —
Nach Lugano standen Pallanza, Bellagio, Riva, Desenzano auf Brenk-
husens Reiseprogramm. Eigentlich war es ja in seinem jetzigen Zustande
ganz einerlei, ob seine zerstreuten Blicke auf dem Spiegel des Luganer
Sees oder auf dem des Lago Maggiore ruhten. Aber er liebte es, sein
Programm auszuführen und zog nach einer Woche weiter.
Er hatte dem Fanneri von Lugano aus eine Ansichtskarte geschickt,
aber keine Antwort bekommen.
Da, als er schon mehrere Tage in Pallanza weilte, fand sich ein
Kärtchen zu ihm, das lange in der Welt umhergeirrt war, wegen nicht
ganz richtiger Adresse. Er war eben im Begriff, seinen Nachmittags-

XXVIII. 12.
 
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