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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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5. Heft
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Boerschel, Ernst: Deutsche Dichter als bildende Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0155

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MODERNE KUNST.





Nationalgalerie in Ehren behaupten konnte.
Aber die Malerei war Keller kein Bedürfnis.
Er malte, weil er mußte. Brot sollte damit
verdient werden. Während er in München
1840—1842 sich als junger Kunstakademiker
durchhungerte, lief daheim die Mutter von
Pontius zu Pilatus, die Bilder ihres Sohnes
an den Mann zu bringen, natürlich ver-
geblich. Bis „der grüne Heinrich“ den
Dichter in sich auferstehen spürte, und er
nun den Pinsel mit Vehemenz in die Ecke
warf. In Kellers Schlafzimmer hing als
ewige Warnung vor neuen Malversuchen
ein schwarzer Rahmen, in dem eine leere
Leinwand eingespannt war.
Gottfried Keller merkte man als Maler
den Beruf an. Fritz Reuter und Josef Victor
von Scheffel, den beiden großen Humoristen
des 19. Jahrhunderts, war die bildende Kunst,
so sehr sie sie auch zum Beruf für sich
stempeln wollten, doch nur mehr oder
weniger Liebhaberei. Fritz Reuter hat in
den sorgenschweren Jahren nach der Festungszeit, als er in Treptow als armer
Privatlehrer saß, oft daran gedacht, die Schulmeisterei an den Nagel zu hängen
und die Malerei zu ergreifen. Er hat es glücklicherweise dann, als seine ersten
„Lauschen und Rimels“ sein Vaterland zum erstenmale aufhorchen ließen, nicht
mehr nötig gehabt. Aber, man kann sagen, daß er bei Studium und Übung mit
der Malerei sehr wohl über den Durchschnitt hinausgekommen wäre. Er malte
und zeichnete am
liebsten Porträts.
Und schon meldet
sich in ihnen der
Reutersche Hu-
mor. Reuter hat
gemäß seiner
Wesensart seine
Köpfe stets von der
heiteren, im be-
sten Sinne gemüt-
lichen Seite auf-
gefaßt. So seinen
Schäfer Lehsten
aus Thalberg mit
dem verkniffenen
Mund, den Ober-
inspektor Denzin,
den Levi Josephi,
den Branntwein-
Kulow u. a. m —
Reuter hat an sei-
nen Malereien sel-
ber viel Freude
gehabt, und aus
der „Festungstid“
wissen wir, wie
sie ihm manche
schwere Stunde
der siebenjähri-
gen, wie ein Schicksal ewig auf ihm lastenden Gefangenschaft versüßt hat. Auf
der Festung Magdeburg durfte Reuter bekanntlich den Platzmajor porträtieren.
Als das Bild fertig war, freute er sich wie ein Kind, und er sah sein Kunstwerk
so verliebt an, „als Raffael seine Madonna“. Auch der
Platzmajor war selig. „So vel is gewiß“, heißt es
dann in der „Festungstid“, „ick hadd mi bi ent
en Stein in’t Brett sett’t, un dat kämm nich
mi allein, ne, uns allen schön tau
Reuter hat mit Scheffel manche
verwandten Züge. Als Darsteller
des rein Menschlichen, als Kin-
der ihres heimatlichen Bodens,
aus dem allein ihre Empfin-
dungen und Gestalten wuchsen,
gehen sie als Dichter weite
Strecken Weges gemeinsam.
Als Maler trennen sie sich, denn
Scheffel war ausgesprochener
Landschafter, während Reuters
malerische Stärke im Por-
trätieren lag. Scheffel wollte

A. Stifter: Mondnacht in der Strasser Au.
Nach einem Gemälde A. Stifters im Besitze des Freiherrn Bachofen von Echt in Nußdorf.

Goethe: Faust und der Erdgeist.

lÄjjyi

wie Reuter die Malerei als Beruf erwählen
und war 1852 sogar in Italien, um dort die
Weihe zu seiner Kunst zu erhalten. Aber
statt mit Gemälden und Zeichnungen, kam
er ein Jahr später mit dem Manuskript des
„Trompeters von Säkkingen“ in die Heimat
zurück. Als dann 1854 der große Wurf des
„Ekkehard“ gelang, kam er sich wohl selber
mehr als Dichter denn als Maler vor; doch
im stillen zog ihn die alte Sehnsucht oft-
mals zur Malerei zurück. Er hat auf seinen
Wanderungen viel gezeichnet und eine
Mappe mit Landschaftsbildern herausge-
geben. Es sind sehr feine Studien darunter
— aber der Dichter Scheffel, der fröhliche
Gaudeamussänger, ist uns doch lieber. Und
auch wenn wir ihn als Maler tiefer in seiner
Kunst sehen wollen, so mögen wir vor
allem den „Ekkehard“ aufschlagen. Da
können wir dann den Landschaftsbildner
Scheffel in leuchtendem Glanze sehen, wie
seine Feder prangend hervorlockt, was
Pinsel und Zeichenstift an Farben und Ausdrucksfähigkeit nicht hergeben wollten.
Wir sehen uns mit schnellen Schritten die Bildergalerie unserer neueren
Poeten an und finden in
ihr Wilhelm Busch
als den genialsten. Er
ist auch immer mehr
Maler gewesen als Dich-
ter. Das Dichten kam
für ihn erst, als die Mün-
chener und Düsseldorfer
Künstlerjahre schon hin-
ter ihm lagen. Aber auch
dann in den humoristi-
schen Werken liegt der
künstlerische Schwer-
punkt auf den Illustra-
tionen, die man sich
näher ansehen muß, um
ihre ganze Delikatesse
genießen zu können.
Was Wilhelm Busch als .
Maler gab, war etwas
Apartes, durchaus Per-
sönliches, das ihm kein
anderer Humorist nach-
gemacht hat. Auch Wil-
helm Raabe hat hie
und da seine Manu-
skripte mit kleinen iro-
nischen Federzeichnun-
gen durchzogen, doch
ohne viel künstlerische Bewandtnis. Dagegen ist Paul Heyse ein sehr begabter
Maler. Es gibt Porträts von ihm, die sich vor jedem anspruchsvollen Auge sehen
lassen können. Der echte Dichter-Maler war Artur Fitger, der Dichter der
„Hexe“ und Meister der Gemälde im Bremer Ratskeller. Seine Bilder zeigen
Pathos und Schwung. Sein Zyklus aus Ovids „Metamorphosen“, aus dem wir
zwei Motive bringen, ist mit griechischem Feuer erfüllt.
Gerhart Hauptmann schließe den Bund. Er ist Bildhauer und war in
der Jugend Breslauer Kunstschüler, um Bildhauer zu bleiben. Es kam auch
bei ihm anders. Die Fittiche der Poesie haben ihn zu anderen
Höhen hinangetragen, und wenn er heute einmal
knetend eine Tonmasse bearbeitet, so ist das
eine schöne Jugenderinnerung, mehr aber
wohl kaum. Dennoch wollen wir das
Charakteristische für die Entwicklung
unserer Dichter aus ihrer Liebe
zur bildenden Kunst nicht ver-
gessen. „Mögen Sie die künst-
lerische Laufbahn fortsetzen
oder nicht, so werden mir die
Bilder fast gleich wert bleiben,
im ersten Falle als Wege-
zeichen eines Entwicklungs-
ganges, im anderen als Illustra-
tion Ihrer Jugendgeschichte,“
hat der grüne Heinrich ge-
sagt. Ernst Bocrschel.

jtvr

Reuters Selbstportritt.
Gezeichnet 1837 auf der Festung Magdeburg.
Mit Erlaubnis des Reuter-Museums zu Eisenach.

A. Fitger Totenfeier des Achilles, unfertig.
 
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