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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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8. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0247

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MODERNE KUNST.

99

toilette zeigen konnte! Sie hatte sich sehr würdevoll benommen und
sehr oft und deutlich „Exzellenz“ gesagt, nicht ein einzigesmal „Frau
Oberpräsidentin“ — wie es ihr natürlicher erschienen wäre; sie wollte
genau Curts Vorschriften befolgen.
„Hab’ ich's brav gemacht?“ hatte sie nachher ihren Mann gefragt.
Und er hatte sie lächelnd gelobt. Da(3 etwas weniger „brav“ besser ge-
wesen wäre, konnte er ihr vorläufig noch nicht beibringen. Vornehme
Natürlichkeit ist etwas, das sich nicht lehren läßt. Fanny war entweder
natürlich oder „vornehm“, das heißt steif wie ein Landmädchen, das in
der Pension „Bildung gelernt“ hat.
Aber der verliebte Ehemann war überzeugt, daß diese kleinen Mängel
bald ausgeglichen sein würden. Bei Fannys Begabung! Nur ein Viertel-
jahr, dann hatte sie sicher den Damen der Gesellschaft all die kleinen

man sich schon nach fünf Minuten. Mit einzelnen hatte die junge Haus-
frau nur einen Händedruck wechseln können, und mit den meisten kam
sie nicht viel weiter, als zur Beantwortung der immer wiederkehrenden
beiden Fragen: ob ihr Ilannover gefiele und ob sie auf der Hochzeits-
reise gutes Wetter gehabt hätten.
„Jess’ Maria Joseph,“ stöhnte Fanny, als einmal eine kurze Pause ein-
trat, „was seid’s ihr für närrisches Volk! Was man da nun wohl von-
einander hat, so eine Besucherei? ,Guten Tag. Wie geht’s? Lange
nicht gesehen, lieber Brenkhusen. Wie finden gnädige Frau Hannover?
Sehr hübsche S—tadt, nicht wahr? Aber der Köhlens—taub. Adieu.1“
Sie brach in ein helles, lautes Lachen aus, das die ganze Herrlichkeit
ihrer gesunden, gelblichweißen Zähne zeigte. „Und wenn ihr euch dann
vorlügt: ,Sehr bedauert, daß wir nicht zu Hause waren!“ Und der andere


Wilhelm Sehreuer: Der Stab.

Aus dem Kunstsalon Eduard Schulte, Berlin-Düsseldorf.

Äußerlichkeiten abgeguckt, die so unwesentlich sind und deren Fehlen
doch peinlich wirken kann.
Kaum war eine halbe Stunde vergangen — Brenkhusen hatte seine
Arbeit noch nicht beendet —, da stürzte Fannjr wieder herein. „Du,
schnell, sie kommen schon, die Leut’. Ich hab’ sie vom Fenster aus
gesebn. Ganz ein hoher Offizier, mit breite rote Streifen an den Beinen,
und eine alte Dame, die ausschaut, als ob sie einen fressen wollt’ •—
gelt, das ist gewiß auch eine Exzellenz? Du mußt mir’s immer leise zu-
flüstern, wie die Leut’angeredet werden müssen. Brrrr, ich graule mich!“
Und sie kamen, einer nach dem andern, beängstigend fast drängte
die Flut der Besucher heran — als ob sie sich verabredet hätten, gerade
diesen Vormittag zu wählen, um in geschlossener Phalanx die junge
Frau von Brenkhusen, geborene Wurzler, zu begutachten. Einer nach
dem andern erschien, alle die Spitzen von Hannover, die Präsidenten
und hohen Offiziere, der Landeshauptmann, der Stadtdirektor und die
vielen andern, die noch keine Spitzen waren, aber sehnsüchtig danach
strebten, auch mancher von dem welfisclien Adel, mit dem Brenkhusen
alte Beziehungen pflegte —- jeder gab immer schon einem Nachfolger die
Tür in die Hand; manchmal füllte auch eine solche Menge den nicht
allzu großen Salon, daß die Stühle knapp wurden. Dann verabschiedete

bedauert auch sehr. Wo doch jeder weiß, wie’s zugeht. — — — Ganz
blutig sind meine Lippen schon, so oft hab’ ich draufgebissen, um nicht
loszulachen!“ — —
Brenkhusen gab ihr Recht. Eine Farce. Ihm war sie etwas Ge-
wohntes, das man erledigt, wie man frühmorgens die Strümpfe anzieht
oder beim Ausgehen den Hut aufsetzt, etwas, das nun einmal dazu
gehört, über das man nicht weiter nachdenkt. Aber recht hatte sie, die
alles noch mit dem ungetrübten scharfen Blicke des Neulings ansah.
Neuer Besuch. Der hohe Chef und seine Familie. Die Frau Ober-
präsidentin, eine sehr stattliche, gut konservierte Dame mit grauem Haar
und rosigen Farben, behandelte Fanny kühl gönnerhaft und hoffte, daß
sie Interesse für Vereinstätigkeit hätte. Fanny wußte nicht recht, was
sie sich darunter vorstellen sollte, sagte aber gehorsam: „Ja, o ja, Inter-
esse hätt’ ich schon, Exzellenz.“ Der Oberpräsident hatte ihr schon neu-
lich sehr viel besser gefallen. Die klugen Äuglein in dem großen, breiten
Gesicht konnten so freundlich blinzeln, und er schlug heute gleich einen
jovialen Neckton an, sprach vom bayrischen Hochgebirge, erzählte Anek-
doten im Dialekt und ließ sich von Fanny auslachen wegen seines un-
möglichen ostpreußischen Oberbayrisch. Zwei Töchter waren auch mit-
gekommen, in Fannys Alter. Hübsche, junge Damen, aber Fanny wurde
 
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