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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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13. Heft
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Richard Wagner als deutscher Klassiker
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Rutenburg, Nalli: Eine Episode aus dem Leben der Lola Montez
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0388

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MODERNE KUNST.



Es sei gestattet, diese Ausführungen mit den Worten zu schließen, in die
der Herausgeber selbst seine Einleitung ausklingen läßt. Mit Bezug auf Wagners
Wunsch und König Ludwigs Verfügung, den Parsifal den europäischen Opern-
bühnen zu versagen und das Weihspiel für alle Zeiten dem Bayreuther Fest-
spielhaus vorzubehalten, fährt er fort:
„Das Jahr 1913 mit der 100. Wiederkehr von Wagners Geburtstag ist über
diesen letzten Willen hinweggeschritten. Die Einsprache derer, die ihn gewahrt
wissen wollten und daher noch einmal ans deutsche Volk und seine Vertreter
sich wandten, verhallte macht- und wirkungslos. Wer die Schriften Wagners
kennt, wird gerade aus den Ereignissen des Jahres 1913 die Überzeugung
schöpfen, daß wir noch weit entfernt sind von der Erfüllung seines großen und

•reinen künstlerischen
Strebens. Möchte doch
die mit dem Freiwer-
den der Schriften zu
erwartende Verbrei-
tung der Wagnerschen
Gedanken in weite-
sten Kreisen auch die
Erkenntnis vom Wert
dieser Meisterkunst
klären und vertiefen.“

Eine Episode aus dem Leben der Lola Montez.

Von Nalli Rutenburg.
Ehe die schöne Lola Montez, spätere Gräfin Landsberg, deren Andenken neuer-
dings durch Leo Falls Oper: „Die Studentengräfin“ wieder erweckt wurde,
jene bewegte Episode von 18-18 in Bayern als Freundin König Ludwigs I. erlebte,

Franz Liszt.
Mit Erlaubnis des Wagner-Museums zu Eisenach.

Das Festspielhaus in Bayreuth.
war sie bereits in Berlin als Tänzerin glänzend gefeiert worden. Auf einem
Theaterzettel aus jener Zeit, der ihr Auftreten verkündet, liest man:
Sonnabend, den 26. August 1843 im Königlichen Schauspielhaus:
El Olano, Maurisch-spanischer Nationaltanz,
ausgeführt von Donna Lola Montez, erste Tänzerin des Theaters zu Sevilla.
Montag, den 28. August:
El Sevillianne, spanischer Nationaltanz.
Anfang 6 Uhr, Ende 9 Uhr.
Vorher: Ich bleibe ledig.
Lustspiel aus dem Italienischen von Alberto Nota, übersetzt von Carl Blum.
Nachher: Der Verstorbene. Posse aus dem Französischen von Tenelli.
(Merkwürdig, daß man in dem Kgl. Theater an jenem Abend kein deutsches
Originalstück, sondern nur übersetzte Sachen gab!)
Unter den Schauspielern, die auftraten, waren:
Ilofrat Schneider, der Vorleser des Königs, Fräulein
Stich, die nachmalige Frau Crelinger, Charlotte von
I lagen, dann Gern, der bekannte Komiker — also
lauter berühmte Leute.
In Berlin hatte sich die schöne Spanierin die
Liebe des Grafen Schaffgotsch erworben, durch dessen
Einfluß sie eine hervorragende Steilung am preußi-
schen Hofe zu erlangen hoffte.
So ritt sie z. B. eines Tages, an dem eine Parade
stattgefunden hatte, während die Truppen durch die
Straße „Unter den Linden“ in die Stadt zurückkehrten,
kühn, als stolze Reiterin auf ihrem prächtigen Rosse
thronend, mitten in das Kgl. Gefolge hinein, und nie-
mand wagte es, sie zurückzuweisen, da ihr Verhält-
nis zu dem Grafen allgemein bekannt war.
Indessen hatte sie weniger Glück in dem Be-
streben, das Herz des großen Meisters, Franz Liszt,
zu gewinnen.
Diese Episode ihres Lebens dürfte nicht vielen
bekannt sein. Ich erzähle sie nach dem Berichte
eines Augenzeugen.
Lola war dem Künstler nach Weimar gefolgt,
und versuchte hier, ihn, fern dem Weltgetümmel,
mit ihrer rassigen Schönheit und ihrem bezwingen-

den Wesen zu über-
rumpeln.
Eines Tages be-
merkte Liszt von dem
Fenster seines kleinen
Hauses in Weimar
aus, wie die schöne
Tänzerin, in Begleitung
ihres großen Lieblings-
hundes, eilig auf seine
Behausung zugeschrit-
ten kam.
Fest entschlossen,
diesen unwillkommenen Besuch nicht anzunehmen, rief Franz Liszt seinem
Schüler und Freunde, Herrn F . .. der sich gerade bei ihm befand, zu: „Um
des Himmels willen, da kommt ja die Lola.“ Sie müssen sie empfangen, lieber
t .... und ihr sagen, daß ich nicht, absolut nicht zu sprechen sei!“
Kaum hatte er jedoch diesen peremptorischen Wunsch ausgesprochen, da
stand die schöne Spanierin auch schon draußen an der Tür und begehrte Ein-
laß. Als Herr F .. . . öffnete, drängte sie sich sofort mit ihrem Hunde herein und
verlangte energisch, den Meister zu sehen.
Aber ebenso entschieden wurde ihr die Antwort zu teil, daß man sie nicht
empfangen könne. Die Situation war kritisch! Denn da stand Lolas Dogge,
zähneknirschend, in jedem Augenblicke bereit, auf Befehl ihrer Herrin, dem
Feinde an die Gurgel zu springen.
Herr F.... entwickelte eine geschickte Kriegstaktik. Er nötigte Lola, in ein
anderes Zimmer einzutreten, so daß der Hund allein zurückblieb, und dann erst
wiederholte er, daß der große Künstler heut für niemand zu sprechen sei.
Doch so leicht war es nicht, das schöne, kapriziöse Weib zum Rückzug zu
bewegen. Rasch entschlossen, schritt sie auf die Tür zu, welche zu Liszts
Zimmer führte, sich mit Gewalt den Eintritt zu verschaffen. Aber Herr F . . .
ein junger, herkulisch gebauter Mann, war ihr ein ebenbürtiger Gegner.
Lola trug eine prächtige Kette am Halse, und als sie jetzt drohend die
geballte Rechte gegen den Feind erhob, hatte dieser mit kräftiger Faust in die
Kette gegriffen, und zog nun an derselben nolens volens die Widerstrebende
durch eine Seitentür hinaus, dieselbe hinter ihr zuriegelnd. So hatte er schließlich
seinen Zweck erreicht; denn die Besiegte wagte jetzt keinen weiteren Angriff. —
Wie bekannt, ging Lola später, als sie aus
Bayern verjagt worden war, nach Amerika, wo sie
sich durch wissenschaftliche Vorträge — sie besaß
eine gute Bildung und beherrschte vor allein meh-
rere Sprachen, — ein großes Vermögen erwarb.
Dies verlor sie indessen wieder vollständig durch
den Bau eines prächtigen Schlosses, welches sie
in phantastischer Weise auf einer Insel für sich auf-
führen ließ.
Als sie dann gänzlich verarmt war, besuchte
sie eines Tages Herr F. . . ., der ihr das einstige
feindliche Rencontre in Weimar nicht weiter nach-
getragen hatte, in New York, wo sie ihre letzten
Lebensjahre zubrachte. Es war ein strenger Winter,
und die arme Lola fror gottsjämmerlich in ihrem
kalten Stübchen. So schenkte Herr F . ... ihr denn
einen kleinen eisernen Ofen, damit sie sich daran
erwärmen könnte.
Ein trauriges Ende für die einst so schöne,
hoch gefeierte Tänzerin, deren Launen einem Könige
Befehl gewesen! ... ...
Bei dieser Gelegenheit sei auf Jos.Aug. Lux Roman
„Lola Montez“ hingewiesen, der in der Serie „Romane
berühmter Männer und Frauen“ (Verlag Rieh. Bong,
Berlin W57, Preis brosch. M. 4, geb. M.5) erschienen ist.

Cosima Wagner. Nach einer Photographie.
 
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