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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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14. Heft
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Neuburger, Albert: Die Fälschung von Altertümern
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0412

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177

Die Fälschung von Altertümern.
Von Dr. Albert Neuburger, Berlin.

jFjj) et rächten wir die Sammlungen und Einrichtungen, die sich Kunstver-
MSSm ständige und Liebhaber in früheren Zeiten anschafften, so tritt uns aus ihnen
S5P59 stets ein Gesichtspunkt in scharfer und charakteristischer Weise zu Tage:
Sie legten Wert darauf, daß das, was sie sammelten, vor allem schön sei, und
daß es ihrem Geschmack, ihrem Kulturgefühl entsprach. Als selbstverständ-
liche Folge ergab sich hierbei, daß man z. B. beim Einkauf von Bildern auf
Meister zurückgriff, die diesem Bedürfnis gerecht wurden, deren Ruf und Ruhm
ein bekannter und gefestigter war. Da die Welt über die alten Meister natürlich
zu einem abgeschlosseneren und abgeklärteren Urteil gekommen war, als über
die zeitgenössischen, - so ist es selbstverständlich, daß sie besonderer Wert-
schätzung sich erfreuten. Im übrigen wurde darauf, daß ein Bild, eine Ein-
richtung usw. gerade alt sei, kein Wert gelegt, außer natürlich da, wo es sich
um Sammlungen handelte, bei denen das hohe Alter einzelner Stücke als un-
bedingt dazugehörig vorausgesetzt wurde, wie z. B. bei Sammlungen von Kameen,
von Münzen bestimmter Zeitepochen usw.
Seit einiger Zeit hat sich dies von Grund auf geändert! Viele lassen sich
immer noch von den alten eben angeführten Grundsätzen leiten, viele aber
— und wohl die Mehrzahl — legt oft mehr Wert darauf, daß ein Gegenstand,
den sie zu erwerben wünschen, alt sei, als darauf, daß er gerade sehr schön sei.
Das „Antike“ ist eben einmal modern geworden und man macht die Mode mit!
Die Nachfrage nach Altertümern ist in jüngster Zeit derart gestiegen, daß ihr
das Angebot nicht mehr zu genügen vermag. Sie erstreckt sich merkwürdiger-
weise in besonderem Umfange auch auf Dinge, die ihrer Natur nach in großen
Mengen überhaupt nicht mehr vorhanden sein können. Man denke, um hier nur
ein einziges Beispiel anzuführen, z. B. an die alten Glaspokale, die infolge der
Zerbrechlichkeit des Materials, aus dem sie bestehen, sich nur in sehr wenigen
Exemplaren durch die Jahrhunderte hindurch gerettet haben. Nun sehe man
sich aber einmal an, was da alles an Pokalen angeboten wird, und dann bedenke
man selbst, ob soviel unzerbrochenes Glas durch vier oder fünf Jahrhunderte
hindurch sich wohl erhalten haben dürfte?
Die ständig steigende Nachfrage hat natürlich einen regen Eifer in bezug
auf die Herbeischaffung von Altertümern ins Leben gerufen. Zuerst reisten die
Händler in alte Schlösser, auf Dörfer, auf einzelne Bauernhöfe und kauften dort
zusammen, was nur aufzutreiben war. Allmählich erschöpft sich aber auch diese
Quelle, und in demselben Maße, wie sie sich erschöpft, setzt die Fabrikation
künstlicher Altertümer ein. Manche von ihnen mögen von Anfang an für den
ehrlichen Handel bestimmt sein, also für jene Sorte von Käufern, die etwas
alt aussehendes besitzen will, die aber nicht besonders darauf erpicht ist,
daß es auch wirklich alt sei. Daneben geht aber natürlich auch der unehrliche
Handel, die Fälschung einher, die aber durchaus nicht als eine Erscheinung der
Neuzeit zu betrachten ist. Es wurde ja eingangs schon erwähnt, daß man auch
früher wertvolle alte Stücke gern erwarb, und so wurden sie auch früher schon
nachgemacht. Zu einer förmlichen Industrie allerdings ist die Herstellung künst-
licher Altertümer erst in unserer Zeit geworden.
Wenn wir diese Industrie etwas näher betrachten, so erregt bei ihr das
„Wie“ entschieden mehr Interesse als das „Was“, d. h. die Frage, was sie alles
herstellt, ist schnell beantwortet, da sie eben alles macht, was verlangt wird,
was einen Markt hat. Das „Wie“ hingegen, die Art und Weise, wie sie ihre
Produkte entstehen läßt, ist ganz entschieden oft sehr originell und wohl durch-
dacht, und sie ist es, die uns deshalb in der Hauptsache beschäftigen soll.
Ganz besonders ist, wie wir schon erwähnten, die Nachfrage nach alten
Gläsern gestiegen. Sie machen sich auf Buffets, auf den Konsolen der Ver-
täfelungen usw. sehr gut, sie gehören gewissermaßen in jeden Raum, der alt
aussehen soll. Wo soll man aber altes Glas, diese zerbrechliche Kostbarkeit
hernehmen? Nun die Fälscher wissen sich zu helfen, und man kann heutzutage
alle Sorten alter Gläser bekommen, ganz gleich, ob es sich um die irisierenden
altrömischen Glasgefäße handelt, wie sie unter der Lava Pompejis gefunden
werden, oder um Pokale aus der Renaissance, oder um Scheiben aus alten
Fenstern, sogenanntes „Kathedralglas“ oder um die zierlichen Likörgläschen, aus
denen man in der Biedermeierzeit den von der Hausfrau selbst angefertigten
Nußgeist zu schlürfen pflegte. Bei der Herstellung aller dieser Arten von Glas-
waren Handelt es sich darum, neues Glas, dem man ja bekanntlich immer an-
sicht, daß es neu ist, in altes zu verwandeln. Will man also z. ß. eines jener
schillernden Gläschen erhalten, wie sie bei den Ausgrabungen altrömischer
Häuser gefunden werden, so braucht man sich nur daran zu erinnern, wodurch
dieser Schiller eigentlich entsteht. Er kömmt durch jene Erscheinung zustande,
die der Physiker „Irisieren“ nennt, und die uns an allen Gegenständen auffällt,
deren Oberfläche mit ganz feinen, nur unter dem Mikroskope wahrzunehmenden
Rissen und Sprüngen durchzogen ist. Nehmen wir ein Stückchen Glimmer und
ziehen wir darauf mit einer spitzen Nadel eng aneinander stehende feine Linien,
so beginnt es zu schillern, zu irisieren. Der Fälscher muß also modernes Glas
so behandeln, daß die Oberfläche jene feinen Risse und Sprünge erhält, die
beim alten Glase durch langes Lagern in der Erde oder unter der vulkanischen

tNachdruck verboten.]
Asche, durch die Einwirkung der Säuren des Erdreichs oder durch den Druck
der allmählich erkaltenden und sich dann zusammenziehenden Lavamassen er-
zeugt werden. Mit dem Eingravieren solcher Risse und Linien kommt man nicht
weit, das würde zu kostspielig sein und doch nicht ganz die gewünschte Wirkung
hervorbringen. Deshalb erinnert man sich mit Recht daran, daß das Glas durch-
aus nicht der widerstandsfähige und so wenig angreifbare Körper ist, für den
ihn der Laie gewöhnlich hält. Der Chemiker weiß sehr wohl, daß Glas durch
eine ganze Anzahl von Substanzen angegriffen wird. Man behandelt also die in
der Form den römischen Glassachen nachgebildeten modernen Gläser nach-
einander mit bestimmten Säuren und Laugen, in erster Linie mit Flußsäure und
Natronlauge, oder man kocht sie sehr lange in destilliertem Wasser — alles
Verfahren, bei denen die Oberfläche angegriffen wird. Vielfach zeigt sich bei
geeigneter Zusammensetzung des Glases und richtiger Behandlung jetzt schon
der Schimmer, (st dies aber nicht der Fall, so kann man bestimmte Farbstoff-
lösungen auf das Glas einwirken lassen, deren Farbstoff in den haarfeinen
Spalten hängen bleibt und die Wirkung der vorhergehenden Behandlung unter-
stützt. Auch das Erhitzen der Gläser in Ölbädern, die eine ganz bestimmte
Temperatur aufweisen und das Abschrecken in andern Flüssigkeiten, bringt, so
und so oft wiederholt, aut der Oberfläche des Glases zahlreiche Risse und
Sprünge von unendlicher Feinheit hervor, wodurch das Schillern bewirkt wird.
Eine gröbei'e Fälschung ist es, das Glas mit einem Lack zu überziehen, dem man
schon an und für sich schillernde Bestandteile, wie z. B. gepulverten Glimmer
und dergh, beigemengt hat. Auch das für Laternen, für stilvolle Fenster usw.
jetzt so sehr erwünschte Glas von alten Kirchenfenstern, das sogenannte „Kathe-
dralglas“ wird manchmal in ähnlicher Weise gewonnen. Es zeichnet sich da-
durch aus, daß es etwas trüb ist und einen Stich ins Gelbliche hat, sowie daß
es manchmal ein leichtes Irisieren zeigt. Alle diese Eigenschaften lassen sich
durch die eben geschilderte Art der Behandlung, die natürlich in einer den
Zwecken entsprechenden Weise etwas abgeändert werden muß, hervorbringen.
Man erzeugt durch Erhitzen und vorsichtiges Abkühlen feine Risse auf der
Oberfläche, wodurch das Glas etwas blind wird und färbt es dann einfach durch
Einhängen in Farbstofflösungen. Im übrigen verfügt aber die moderne Glas-
technik über eine ganze Anzahl von Mitteln, die schon dem Glassatz zugesetzt
werden, jener Mischung, aus der das Glas bereitet wird. Diese Zusätze färben
es dann gelblich.
Die alten Humpen und Pokale mit aufgemalten Zunftwappen, ferner alte
Schalen usw. kamen vor etwa vierzig Jahren zuerst von Böhmen aus in den
Handel, und sie waren so gut nachgeahmt, daß sogar Museen vielfach ge-
täuscht wurden. Erst allmählich, als die Mengen immer größer wurden, fing
man an, stutzig zu werden und erst dann merkte man, daß es sich hier um eine
richtige Fabrikation handelte.
Viele Altertümer sind mit Edelsteinen besetzt, und ihre Natur erfordert es,
daß sie einen reichen Schmuck an solchen aufweisen. Es sei in dieser Hinsicht
zum Beispiel an alte Bischofsringe oder Kardinalskreuze, an altorientalische
Schwerter und ähnliches erinnert. Wenn man nun diese Dinge alle mit echten
Edelsteinen besetzen wollte, so würde man nicht sehr weit kommen, und jeden-
falls würden die Kosten der Herstellung viel zu hohe werden. So wird denn
auch hier oft zur Fälschung gegriffen, und man besetzt derartige Dinge vielfach
mit falschen Edelsteinen. Erleichtert wird dieses Verfahren dadurch, daß man
die Edelsteine in alten Zeiten meist überhaupt nicht schliff oder nicht zu schleifen
vermochte, weil sie viel zu hart waren. Man beschränkte sich fast stets darauf,
ihre Oberfläche zu reinigen, die schönste Seite so zu stellen, daß sie richtig in
die Erscheinung trat und den Stein in dieser Weise zu fassen. Er liegt dann
mit seinem ganzen Unterteil so innerhalb der Fassung, daß er nicht zu sehen ist.
Die Fälschungen der Edelsteine setzten nun schon im grauen Altertum ein, ob-
schon es sich hier wahrscheinlich um ganz unbeabsichtigte Täuschungen han-
delte — ein Umstand, der den modernen Fälschern sehr zugute kommt. Wir
finden z. B. in den Gräbern der alten ägyptischen Könige echte und falsche Steine
friedlich nebeneinander in ein- und dasselbe Schmuckstück eingefaßt. Eine
Absicht der Fälschung lag hier wohl kaum vor. Die Ursache ist vielmehr darin
zu suchen, daß die chemischen Kenntnisse der damaligen Zeit nicht ausreichten,
um schön gefärbte Glasflüsse von den echten Steinen, den Naturprodukten, zu
unterscheiden. Man hatte es nicht so, wie heute in der Hand, vollständig farb-
loses Gias zu erzeugen. Je nachdem das Rohmaterial mehr oder minder ver-
unreinigt war, war auch das fertige Glas gefärbt, meist rot oder grün, genau so
wie man heute noch bei ordinären Gläsern, wie z. B. bei den Weinflaschen, rote
und grüne unterscheidet. Fiel nun ein solcher Glasfluß sehr schön aus, so wurde
er für einen Edelstein gehalten und einfach mitgefaßt. Wie hätte man ihn auch
von den echten unterscheiden sollen, wo es doch weder chemische noch optische
oder sonstige physikalische Methoden zur Prüfung gab? Besonders dann, wenn
das Glas stark bleihaltig war, glänzte es obendrein noch sehr schön, mindestens
so schön wie der echte Edelstein, dessen ganze Schönheit man ja durch den
Schliff nicht hervorzuheben verstand. Der heutige Edelsteinschliff kam erst

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