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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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14. Heft
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Zur Vollendung des Panamakanals
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0417

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MODERNE KUNST.




Der Panamakanal: Vorbereitungen zu Sprengarbeiten im Culebra-
dui chbruch.

gewinnen. Ent-
weder fuhr ich
im offenen Eisen-
bahnwaggon oder
in einem der Au-
tomobile, die auf
den Geleisen da-
hinrasen und von
den aufsichtsfüh-
renden Beamten
für ihre Inspek-
tionstouren be-
nutzt werden. So
durfte ich den
ganzen Kanaldi-
strikt durchstrei-
fen und konnte
den Fortschritt
der Arbeiten von
Tag zu Tag bis
ins kleinste ver-
folgen.
Und meine
Mühen wurden
reichlich belohnt.
Ich war Augen-
zeuge all der
wechselnden Bil-
der. Ich hörte
das Schnaufen
derLokomotiven,
das Kreischen
der Bohrmaschi-
nen, ich sah die
ungeheure Arbeiterarmee im Schweiße ihres Angesichts wacker schaffen, und
kaleidoskopartig wechselte die stets fesselnde Szenerie.
Wenn die Ingenieure nicht so außergewöhnlichen Schwierigkeiten begegnet
wären und es sich nur darum gehandelt hätte, eine Bresche durch harte Felsen
zu schlagen, dann wäre der Bau des riesigen Kanals wahrscheinlich rascher von-
statten gegangen. Aber der vulkanische Charakter des Geländes schuf mancherlei
Komplikationen. Wenn auch der aus Erde und Fels bestehende Grund und
Boden sehr hart und kompakt ist, so treten doch nach den Bohrungen und Aus-
schachtungen durch den Einfluß von Luft und Feuchtigkeit starke Verwitterungs-
erscheinungen zutage. Oft stürzen dann, bald nach getaner Arbeit, die Böschungen
und Ufer wieder ein, die tieferen Schichten geben dem Druck von oben all-
mählich nach, und Senkungen und Erdrutsche sind die unvermeidliche Folge.
Durch mehr als zwanzig solcher Erdstürze wurde die Arbeit unterbrochen.
Der Durchstich bei Culebra wäre ohne diese unheilvollen Zwischenfälle längst
beendet. Der größte Erdsturz ist der von Cucaracha, der schon unter franzö-
sischem Regime einsetzte, und 19 Hektar bedeckte; nahezu 600 Meter des Kanal-
bettes wurden damals verschüttet. An anderen Stellen wiederum bilden sich
Erdrisse, die in sich Zusammenstürzen und neue Veränderungen der
Erdoberfläche hervorrufen. Selbst die Stadt Culebra, die hoch über
dem Kanal liegt, ist in Gefahr, und einzelne Häuser, die zu bersten
begannen, mußten verlassen werden.
Nahezu 17 Millionen Kubikmeter Erdreich trug man an
bedenklichen Stellen ab, um von vornherein jeder Gefahr vor-
zubeugen. An anderen Stellen wieder bereiten sich gerade
jetzt ähnliche Erdverschiebungen vor, und schätzungsweise
sind 3 bis 4 Millionen Kubikmeter Erdreich in langsamer
Bewegung und machen den Ingenieuren noch neben den
gewöhnlichen Ausgrabungsarbeiten viel zu schaffen.
Der August des Jahres 1912 brachte eine der bedenk-
lichsten Katastrophen. In der Nähe von Empire fand
einer der fürchterlichsten Erdbrüche statt, und fast die
Hälfte des Culebrastiches wurde mit allen Maschinen
und Anlagen unter den niederstürzenden Erdmassen be-
graben. Wie oft wurden Ingenieure und Arbeiterschaft
angesichts dieser Katastrophen mutlos und verzagt, aber
die imponierende Entschlossenheit des Kolonei Goethals
und seines Stabes erfüllte immer wieder alle mit neuer
Zuversicht und gab ihnen die alte Kraft zurück.
Während zweier Jahre arbeiteten die Dampfschaufeln
ununterbrochen an den durch Erdstürze heimgesuchten Orten;
der Oberdruck an vielen Stellen der Ufer mußte unter allen Um-
ständen beseitigt werden. Teilweise stach man das Ufer terrassen-
förmig ab, aber nicht immer genügten diese Maßnahmen, um den
Verschiebungen und Verlagerungen des darunter liegenden Erd-
reiches gänzlich Einhalt zu tun. Die Techniker sind von eiserner

Ausdauer. Ich begegnete Leuten, die für das tollkühne Projekt des Culebra-
durchstiches nur ein Kopfschütteln hatten. Aber die Ingenieure schließen jeden
Gedanken an eine Gefahr aus, sobald erst der unsichere Grund abgetragen ist
und die Wasser den Kanal durchfluten.
Verweilen wir einmal des Morgens bei strömendem Regen an einer der
Arbeitsstätten des Culebradurchstiches, wenn die feucht-heiße, stickige Atmosphäre
die Kräfte verzehrt und eine bleierne Müdigkeit die Glieder lähmt. Selbst bei
solchem Wetter ist es noch erträglicher als zu den Zeiten, da die Sonne mit un-
verminderter Glut herniederbrennt und über dem weiten Gelände eine drückende
Schwüle lastet.
Hier sehen wir eine Arbeiterkolonne auf den Trümmern des eingestürzten
Ufers, die mit Bohrern, riesigen Nadeln gleich, in das Gestein einzudringen
sucht. Man arbeitet mit komprimierter Luft, die in langen Röhren den einzelnen
Bohrmaschinen zugeführt wird. Sieben Meter tief vermögen diese Bohrer in
das Felsgestein vorzudringen. Munteren, leichten Schrittes kommen Neger daher,
auf ihrem Kopf Dynamitkisten balanzierend. Eine kleine Dynamitladung wird
in die Bohrlöcher versenkt und zur Explosion gebracht, wodurch die Öffnungen
beträchtlich erweitert werden. Diese füllt man mit größeren Dynamitmengen,
je nach der beabsichtigten Wirkung kommen 75 bis 200 Pfund zur Verwendung.
Durch elektrische Initialzündung wird die Explosion herbeigeführt und erfolgt
mit gewaltigem, donnerähnlichen Getöse. Immense Erdmassen und riesige
Steinblöcke werden wie Spielbälle in die Luft geschleudert. Allmonatlich ver-
braucht man im Culebragebiet lediglich für Sprengarbeiten 500000 Pfund Dynamit.

Der Panamakanal: Die neue Kanalroute
atlantischen Seite.

Kanalbett auf der

Der Panamalkanal: Im Kampfe
gegen die Moskitos. Die Gräben
werden mit Kerosene besprengt.

Dutzende von Dampfschaufeln, häßliche Ungetüme von eigenartigem Aussehen,
die an die vorsintflutlichen Riesen der Urwälder erinnern, sperren den Weg
und sind permanent in Betrieb. Die Schaufeln greifen in die gelockerten Trümmer
ein, füllen sich und bringen dann automatisch ihre Last zu den bereitstehenden
Zügen. Die ungeheuren Maschinen erbeben in ihren Grundfesten,
einige von ihnen vermögen 5 Kubikmeter zu fassen und durch die
Lüfte zu schwingen, also etwa 8 Tonnen Gesteinstrümmer oder
6 Tonnen loser Erde. Eine 70-Tonnenschaufel befördert an
einem Tage allein 3687 Kubikmeter; die Arbeitsleistung pro
Stunde beläuft sich auf 221 Kubikmeter.
Es könnte bei weitem mehr geschafft werden, aber die
Erdmassen sind nicht so schnell zu beseitigen, wie sie
von den Schaufeln herangebracht werden.
Auch die Leistungsfähigkeit der auf dem 121 Kilometer
langen Schienenstrang dahineilenden, nach Tausenden
zählenden Lowrys ist schließlich begrenzt. 175 Züge
durchjagen täglich das Arbeitsgebiet, so daß also alle
2Y2 Minuten ein Zug abfährt.
Diese Statistik allein gibt uns einen Beweis, mit wie
übermenschlicher Kraft hier geschafft wird. Auch die
Arbeiterarmee nimmt innigen Anteil an den Fortschritten
des Werkes. Auf den Gesichtern der Leute liest man
die ehrliche Freude, sobald irgendein schwieriges Hinder-
nis überwunden ist. Wenn man tagtäglich das Gebiet durch-
streift, so merkt man wenig von dem Fortschritt. War man
aber während eines Monats nicht draußen, dann staunt man
über die Leistungen, die in dieser Zeit vollbracht worden sind.
Da sieht man den Graben gleich einem langen schwarzen Strich,
der mitten durch die Hügel führt und beredtes Zeugnis ablegt
von dem titanischen Unternehmen. Hier wird jeder Rekord ge-
schlagen, denn an einem einzigen Tage wurden in 333 Zügen
127 742 Tonnen Erdreich fortgeschafft.
 
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