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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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15. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0435

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i84

M O D E R X E K U N S T.


Leonhard Sand rock: Im Lokomotivschuppen.

klumpen, aus dem der Künstler ihren schönen Kopf, ihre prächtigen
Schultern hervorzaubern wollte.
Frau Kollmann hatte sie begleitet.
„Als Anstandswauwau?“ fragte der junge Bildhauer. „Haben wil-
den nötig? Jedenfalls ist mir’s aber lieb, daß wir dann wenigstens einen
so netten, reizenden Wauwau bekommen haben.“ Und er nickte der
flotten Regierungsrätin kordial zu.
„Ach, Sie — nun aber ganz artig sein,“ erwiderte Frau Kollmann,
kokett mit dem Finger drohend, „sonst reißen wir beide aus.“
Früher war er ihr Courmacher gewesen. Seit aber der Oberleutnant
von Hasse sich im Hause Kollmann so intim eingebürgert hatte, ließ
Müller-Geffky nach in seinen Bemühungen um diese künstlich auf-
gefrischte, krampfhaft festgehaltene Jugend. Eigentlich hatte er sich
nie viel aus der flotten Dame gemacht. Er war mehr zur Liebelei ge-
schleift worden und empfand es als eine Art Befreiung-, daß ein anderer
ihn ablöste.
Seine Augen hatten jetzt Besseres zu schauen — seine verliebte
Sehnsucht ein schöneres Ziel gefunden.
Das Atelier lag nicht weit entfernt von der Gneisenaustraße, in der
Gegend am Rande der Eilenriede, wo die,reichen Leute wohnten.
Man mußte es den Kommerzienrätinnen bequem machen und den
„großen Tieren“, die nicht allzu viel Zeit auf ihre Sitzungen verwenden
konnten und Büsten „mit Dampfbetrieb gefertigt haben wollten“, wie
Müller-Geffky oft klagte.
Für die Büste der schönen Frau von Brenkhusen ließ er sich Zeit
— sehr viel Zeit.
Es waren zu genußreiche Stunden, die der Künstler und sein Modell
in dem hohen, kahlen Raume verlebten, der als einzige Ausstattung
allerlei Werke des jungen Bildhauers enthielt: Gipsabgüsse nach Porträt-
büsten, auch einige Modelle in Ton, hauptsächlich kleinere Sachen,
solche, die leicht den Wunsch nach Besitz in freundlichen Atclier-
besuchern erwecken konnten. Franz Müller-Geffky war nicht nur ein ge-
schickter Bildhauer — auch ein geschickter Geschäftsmann.
Fanny hatte sich eigentlich ein Künstleratelier interessanter vor-
gestellt, bunter, geheimnisvoller, mit allerlei kuriosen, malerischen Dingen
angefüllt.
Als sie das dem jungen, Künstler sagte, schüttelte er lächelnd den
Kopf. „Nee, dafür bin ich nicht. Das macht immer einen kitschigen
Eindruck, so ein malerisch aufgeputztes Atelier. Der Raum hier ist
meine Werkstätte, basta.“

Während er arbeitete, war er ganz bei der
Sache, still und ernsthaft.
Fanny mochte ungeniert plaudern, aber er
antwortete nicht immer.
Er war überhaupt nicht von ausgesuchter Höf-
lichkeit. Wenn sie ihm irgend etwas nicht recht
machte, konnte er sogar grob werden. Aber
sie nahm ihm das nicht übel. Sie fühlte sich
doch als bewunderten Gegenstand. Jedesmal
empfand sie es von neuem als zarte Liebkosung,
wenn sein Blick aufmerksam über die schönen
festen Linien ihres Kopfes dahinglitt — und als
ein Wunder erschien es ihr, wie der graue Ton-
klumpen sich wandelte
„Jetzt wird’s schon ganz lebendig. Ich hab’
schon manchmal so ein Gefühl, als ob Sie mich
selber in die Nase kneiften, wenn Sie was an
der Tonnase ändern,“ sagte sie einmal, als die
Arbeit bereits vorgeschritten war.
Das naive Kompliment entzückte ihn. Ihre
ganze Art entzückte ihn.
Die andern Damen der guten Gesellschaft,
die zu ihm kamen, spielten gern Kunstkennerin
und sagten dann so blödsinnig geschraubte
Sachen.
Diese hier war so köstlich frei von Bildungs-
protzerei. — —
Die Pausen wurden immer länger ausgedehnt. Es gab sogar Früh-
stückspausen mit regelrechtem Picknick. Dann ließ man sich auf den
wackligen Korbsesseln nieder, die in einer Ecke des Ateliers standen,
und jeder packte die leckeren Dinge aus, die er mitgebracht hatte. Frau
Kollmann sorgte dafür, daß es im Atelier auch nicht an einem guten
Tropfen fehlte. Manche Flasche Portwein und Madeira, auch wohl
Schaumwein wanderte aus ihrem wohlgefüllten Keller hierher. Und es
wurden sehr muntere kleine Gelage gefeiert.
Hin und wieder nahm auch Frau Kollmanns neuer Hausfreund, Herr
von Hasse, daran teil. Er war ein älterer Oberleutnant — dicht vor dem
Hauptmann, fing schon an, fett zu werden, verabscheute den Dienst und
liebte die Häuser, wo gute Diners gegeben wurden.
Übrigens hielt Frau Kollmann nicht immer die ganzen Sitzungen aus.
Es fällt doch für den Dritten zu wenig dabei ab, wenn zwei sich so über
die Maßen gut verstehen. Ach, und wie köstlich verstanden sich Franz
Müller-Geffky und das Würzburger Fanneri!
Sie machte sich lustig über sein schnoddriges Berlinisch, und er
äffte ihre fränkische Mundart nach. Aber sie sprachen doch dieselbe
Sprache, auf denselben Grundton gestimmt. Er war der Sohn eines
Maschinenmeisters in einer großen Fabrik. Moabit war der Schau-
platz seiner Kindheit gewesen. Ehrsame kleinbürgerliche Verhältnisse.
Später, als Kunstjünger, hatte er wohl auch die Boheme kennen gelernt
und häufig über die Stränge geschlagen — er kannte alle Schlupfwinkel
Berlins, in denen lockeres junges Volk sich austobt — aber den Kern
seines Wesens bildete doch eine gewisse bürgerliche Solidität; er war
fest entschlossen, es zu etwas zu bringen, und dachte dabei weniger an
höchstes Künstlertum, als an eine Villa im Grunewald und ein hübsches,
seelenbcruhigendes Depot auf der Reichsbank.
Andern gegenüber, — Kunstmäcenen, ästhetisch gebildeten Gönnern —
würde er sich nie zu diesen soliden Idealen bekannt haben. Weshalb
soll man sich den Nimbus verderben?'*" Da war er der Künstler, der
„nichts will als sein Werk, dem Schaffenkönnen das höchste Lebens-
glück bedeutet“.
Mit dieser lieben jungen Frau aber sprach er ganz harmlos über die
reellen Seiten seines Berufs und über das Bild, das er sich von seiner
Zukunft gestaltet hatte, wenn es ihm weiter wie bisher glücken sollte,
sich in der Gunst des zahlungsfähigen Publikums festzusetzen.
„Jetzt freu’ ich mich noch über jede neue Bestellung und nehme
alles an; jeder, der gut zahlt, kann sich seine Fratze in Marmor ver-
ewigen lassen, warum denn nicht? Manchmal ist’s ein rechtes Hetz-
 
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