Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI issue:
15. Heft
DOI article:
Dubitzky, Franz: Premieren-Intriguen
DOI article:
Unsere Bilder
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0443

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
192

MODERNE KUNST.

nicht Kadenzen zu machen und lange Töne auszuhalten hat“. Dieser Passus ver-
rät die Gefahr, welche dem Autor droht, wenn er sich den Wünschen und Lieb-
habereien der Darsteller! unzugänglich zeigt, dem Ich der Künstler nicht tiefe
Reverenz erweist. An der Unnachgiebigkeit Glucks wäre beinahe seine .,Iphigenie
in Aulis“ gescheitert. Vestris, der „Gott des Tanzes“, forderte nämlich vom
Komponisten immer neue Tanzeinlagen und schließlich eine Chaconne. „Eine
Chaconne? Wo haben die Griechen jemals eine Chaconne getanzt?“ rief Meister
Gluck. „Haben sie nicht? Haben sie nicht? Meiner Treu, desto schlimmer für
sie!“ fuhr Vestris beleidigt auf. Schnell bildeten sich Parteien, und nur durch
das Eintreten Marie Antoinettes für den Tondichter wurde eine Theaterschlacht
vermieden. Im Kampfe gegen das Ballett unterlag Richard Wagner. Er hatte
sich geweigert, bei der Aufführung seines „Tannhäuser“ in Paris Rücksicht auf
den nie vor dem zweiten Akt das Theater betretenden, zahlungskräftigen Jockei-
klub zu nehmen und dessen Verlangen nach Augenweide durch ein Ballett auf
der Wartburg nachzukommen. Die Strafe blieb nicht aus; die Mitglieder jenes
Klubs „hatten sich“, so erzählt Wagner, „auf dem Wege vom Diner zur Oper
eine Anzahl Jagdpfeifen- und ähnliche Instrumente gekauft, mit denen alsbald
nach ihrem Eintritt auf die unbefangenste Weise gegen den „Tannhäuser“
manövriert wurde. Bis an den Schluß begleiteten Pfeifen und Flageoletts
jeden Applaus des Publikums“.
Rossini kränkte das Publikum, die Ver-
ehrer Paisiellos, indem er es wagte, dem
„Barbier von Sevilla“, der beliebten Oper
des älteren Meisters, durch eine neue Ver-
tonung desselben Librettos Konkurrenz zu
machen. Zornig entbrannte bei der Urauf-
führung der Oper Rossinis der Kampf, mit
Zischen und Pfeifen wurde das Werk be-
graben; doch wandelte sich bereits bei der
ersten Wiederholung das Bild ins Gegen-
teil, ein voller Sieg trat ein.
Unheimliche, Verderben bringende
Heiterkeit erweckte bei der Premiere von
Verdis „Traviata“ die von Gesundheit
strotzende, mehrere Zentner schwere Titel-
heldin, besonders im letzten Akt, als der Arzt
der — Schwindsüchtigen nur noch wenige
Stunden zu leben gab. Dieselbe, dem Ernste
des Werkes den Garaus machende Stim-
mung rief der berühmte Sänger Lablache
bei den Uraufführungen von Verdis und
Mercadantes „Die Räuber“ nach Schiller
behandelnden Opern hervor; in beiden Be-
arbeitungen sang Lablache den alten Moor
und beide Male erntete der dem — Hunger-
turm entsteigende Greis ob seiner auffälli-
gen, an die lange Fastenzeit nimmer ge-
mahnenden Leibesfülle einen gewaltigen,
nicht endenwollenden Heiterkeitserfolg.
Wenig vorsichtig war Händel, als er
bei der Londoner Aufführung seiner Oper
„Admet“ die weiblichen Hauptpartien zwei
einander auf den Tod hassenden Neben-
buhlerinnen anvertraute; unter dem Lärm,
unter ständigem Zusammenklang von Zi-
schen und Klatschen, Lärmen und Jubeln,
im Kampfe zwischen den Anhängern der
Cuzzoni und der Faustina Hasse-Bordoni ging das Werk unter (nebenbei sei
bemerkt, daß das Zusammenwirken der Feindinnen schließlich bei einer Auf-
führung von Buononcinis „Astyanax“ zur Katastrophe auf der Bühne coram
publico führte: „Zwei von demselben Erwerbe vertragen sich selten oder
niemals. . . . Aber wer hätte gedacht, daß es zwei singenden Damen einfallen

könnte, einander die Hauben herunter zu reißen!“ — so las man damals). Zu
Unrechter Zeit, kurz vor der Premiere, hatte die Sängerin der Titelpartie in
Piccinis Oper „Iphigenie in Tauris“ dem Champagner allzureichlich zugesprochen;
sie setzte durch ihren schwankenden Gang und Gesang das Auditorium in eine
nichts weniger als premierengünstige Stimmung: „Das ist nicht Iphigenie in Tauris,
das ist Iphigenie in Champagne!“ rief jemand aus dem Publikum — und der
Komponist mußte die Sünden der Darstellerin büßen, man achtete seiner
ernsten Töne nicht.
Ich sprach vorhin von Rossinis „Barbier“, auch der „Barbier“ von Peter
Cornelius entrann der Premieren-Intrige nicht, er „starb“ daran auf lange Zeit,
fast drei Dezennien hindurch war „Der Barbier von Bagdad“ der Bühne verloren,
erst nach dem Tode des Tondichters wurde er neu und ruhmvoll erweckt.
„Eine in den Annalen Weimars nicht erhörte Opposition stellte sich mit hart-
näckigem Zischen gleich von Anfang dem Applaus gegenüber, sie war eine be-
stellte, wohlorganisierte, zweckmäßig verteilte. . . . Am Schluß erhob sich ein
Kampf von zehn Minuten. Der Großherzog hatte anhaltend applaudiert, die
Zischer fuhren nichtsdestoweniger fort. Zuletzt applaudierte Liszt und das ganze
Orchester“ — so heißt es über die Uraufführung. Und die Ursache ob solchen
Lärmens? Man grollte in Weimar Meister Liszt; da man aber den gefestigten
Altmeister nicht fassen konnte, so „erschlug“ man seinen Schützling Peter Cornelius.
Mozart war bei den Wiener Premieren
seiner Opern den Intrigen eines — Kollegen,
des mächtigen, äußerst beliebten Italieners
Salieri ausgesetzt. Hinsichtlich der Auf-
führung der „Entführung“ gestand Mozart:
„Ich war so in Wut, daß ich mich nicht
kannte“ — Salieri und sein Anhang hatten
es nämlich erreicht, daß selbst die Sänger an
der Intrige wider den aufgehenden Stern,
wider den deutschen Meister teilnahmen
und geflissentlich ihre Kräfte schonten,
achtlos sangen. Wie hartnäckig der Haß
und die Intrigen Salieris den Schöpfer der
„Zauberflöte“ verfolgten, ersieht man dar-
aus, daß der Italiener, wie berichtet wird,
auf seinem Totenlager sich beschuldigte,
Mozart Gift beigebracht zu haben.
Zum Schluß sei noch einer eigenartigen
Premieren-Intrige gedacht, die Meyerbeer
und seine Oper „Romilda und Constanza“
in Padua traf. „Die Primadonna hatte es
sich in den Kopf gesetzt, mich womöglich
noch vor der Aufführung zu heiraten, ob-
gleich ich ihr keine Eloffnung durch mein
Benehmen gemacht hatte“, beginnt Meyer-
beer die Erzählung jenes Erlebnisses. Die
Zurückhaltung des Komponisten trug gar
böse Folgen. Während der Generalprobe
war alles zur höchsten Zufriedenheit des
jungen Tondichters ausgefallen, doch wel-
che Wandlung zeigte sich bei der öffent-
lichen Aufführung! „Die Sänger sangen,
als ob sie bis zum Tode ermattet, als ob
sie krank wären. Das Unglück vollendeten
jedoch die Posaunisten, Pauken- und Trom-
melschläger. Jetzt hatte sich ein Trompeter
verpausiert und stieß während der Arie in
sein Instrument, daß einem Hören und Sehen verging .... nun schlugen
Trommler und Pauker los . . . alles zur Unrechten Zeit, zum unauslöschlichen
Gelächter des Publikums.“ Aus verschmähter Liebe rächte sich die allgewaltige,
das Personal durch Androhung sofortiger Entlassung gefügig machende Prima-
donna auf solche Art an dem Maestro.


Unzüchtige Kunstwerke? Ernst Seger: Verwundete Amazone.
Verlag der Neuen Photographischen Gesellschaft A.-G. Steglitz.

Unsere Öilder.

P-Mn der englischen Kunst, die vielfach eine kühle Note des Nordens besitzt,
Vg7 steht Dante Gabriele Rossetti als Erscheinung besonderer Art noch
heute in erster Linie. Spricht man von den Präraffaelisten, die um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts England in Erstaunen setzten, denkt man zunächst an
ihn. Rossetti war auch nicht Vollblutengländer, sondern durch seinen Vater —
den früheren Konservator des Museums von Neapel, der als Professor am Cings-
College in London ein Kommentar zu Dantes göttlicher Komödie herausgab —
Italiener. Die Beatrice des Sohnes, die Rossetti im Reize ihrer todgeweihten
Schönheit immer wieder malte, wurde Elisabeth Siddal; als sie starb, legte er
den Band der ihr gewidmeten Gedichte mit in ihr Grab.
Ferdinand Leeke stellt den Augenblick dar, wo der Ring der Nibelungen,
der Göttern, Walküren und Menschen Unheil gebracht, hat, an die Rheintöchter

zurückgelangt. Auf dem ausgetretenen Rhein schwimmen sie zum Scheiterhaufen
Brünhildes heran; und als Hagen den Ring für sich gewinnen will, umschlingen
ihn Woglinde und Wellgunde, während Floßhilde den gewonnenen Ring jubelnd
in die Höhe hebt. So ziehen die Rheintöchter Hagen in die Tiefe.
* *
*
Hoher malerischer Reiz spricht aus den Gemälden Louis Douzettes und
F. M. Bredts, so verschieden die Motive sind, die beide Künstler zur Darstellung
gewählt haben. Auf dem Meer, das in breiten Wellenkämmen als Brandung
heranrollt, liegt voller Mondschein, der den silbernen „Meeresglanz“ hervor-
ruft. Mit farbiger Delikatesse gibt F. M. Bredt das Farbenspiel des Lichtes
wieder, das von einem „bunten Fenster“ zu einem schlanken Frauenkörper
in einem reichen Zimmer webt und ihn wie ein Märchen einspinnt.
 
Annotationen