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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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16. Heft
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Bloem, Wilhelm: Elefanten: ostafrikanische Beobachtungen und Erlebnisse aus freier Wildbahn
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0472

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202

MODERNE KUNST.

Urwaldrecke ist hinüber-
gewechselt. Eine schwere
Schweißfährte zeigte mir
den letzten Gang des andern
Elefanten an, den ich nach
kurzem Suchen hundert
Meter weiter bereits ver-
endet auffand. Eine Du-
blette auf prachtvolle Ele-
fantenbullen mit gewaltigen Elfenbeinzähnen waren das Endergebnis des mühe-
vollen Pirschganges. Unter schweren Umständen im gefährlichen Kampf hatte
ich mir diese herrlichen Jagdtrophäen erwerben dürfen.
Es liegt Taktik und Überlegung in solchen Elefantenangriffen, denn der
annehmende Elefant schlägt mit berechnender Klugheit einen Bogen nach dem
andern — ganz nach der Windrichtung — und sucht förmlich sein Opfer. Wehe
dem Jäger, der in einer solchen Lage nur einen Augenblick die Besonnenheit und
eiserne Ruhe verliert und blindlings seine Büchse anwendet, die tödlichen Stellen
beim Elefanten außer acht läßt. In der nächsten Sekunde liegt er mit zer-
schmetterten Gliedern zerstampft am Boden oder hochgeschleudert in der
nächsten Astgabel.
Mein gesamtes Hauptlager ließ ich nachkommen und für längere Zeit in
der Nähe der erlegten Elefanten aufschlagen, denn nun folgte die riesige Prä-
parationsarbeit. Ein zum nächsten Negerdorf entsandter Bote verbreitete mit
großer Schnelligkeit das erfolgreiche Jagderlebnis. Bald trafen aus allen Rich-
tungen ungefähr dreihundert
Wapogoro-Neger mit Wei-
bern, Kindern und Koch-
töpfen ein, um sich das
Fleisch zum Essen zu holen,
wofür sie ihre Arbeitskräfte
mir zur Verfügung stellten.
Bereits am dritten Tage wa-
ren beide Skelette und die
ganze Haut zum Trocknen
und späteren Transport voll-
ständig fertig geworden, um
im Museum der Nachwelt er-
halten zu bleiben.
Die Jagd auf den afrika-
nischen Elefanten stellt in
jeder Beziehung die höchsten
Anforderungen sowohl an die
Nerven und den Körper, wie
an die Tüchtigkeit des Jägers.
Schon das Erkennen der
Fährten und vor allem das
Alter derselben ist absolut
nicht einfach. In der Trocken-
zeit, wenn der Boden hart
und ausgedorrt ist, verraten
oft nur kleine Schrammen
und kaum sichtbare Schleif-
spuren den eingeschlagenen
Weg der Elefanten, der sich auf steinigem Untergrund gänzlich verliert.
Die Frische der Fährte erkennt man an den Bruchstellen der durch
die Hornzehen des Fußes abgetretenen Grashälmchen, sowie an dem Abdruck
der Fußsohle an sandiger Stelle. Ob zur Nachtzeit oder in früher Morgen-
stunde das Großwild durchgewechselt ist, zeigt der Tau an. Fehlt in der Fährte
der Tau, so sind die Fährten erst nach vier Uhr morgens getreten worden,
während die Nachtfährten Tauperlen aufweisen. Weitere Hilfsmittel beim Ver-
folgen der aufgenommenen Fährten bilden die Losung und die gebrochenen
Zweige in den Dickungen. Da die Elefanten hintereinander gehen und sich
erst beim Fressen trennen, um dann wieder zusammenzukommen, läßt sich erst
im Laufe der Zeit die annähernde Zahl der Tiere feststellen. Mir passierte es,
daß ich einmal eine Herde tagelang verfolgte und fest überzeugt war, 10—15 Ele-
fanten vor mir zu haben, während ich später 28 alte und 8 junge zählen konnte.
In der Regenzeit bei aufgeweichtem Boden drücken sich die Sohlen zwar sehr
gut ab, so daß das Erkennen der Fährten erleichtert wird, aber manche Elefanten-
verfolgung mußte ich gerade während dieser Periode abbrechen, weil der
strömende Regen die Spuren schnell verwischte und ein Wiederfinden des
richtigen Weges unmöglich wurde. Man sollte meinen, diese Kolosse würden
einen ohrenbetäubenden Krach machen, wenn sie durch schwere Dickungen von
Bambusrohr oder Urwald gehen, wo man oft nur auf einen Schritt weit sehen
kann. Aber nein! — Äußerst gewandt und leise geht der Elefant durch solche
Reviere, so daß man keinen Laut hört, wenn nicht gerade ein trockener Ast
etwas knackt und zum Verräter wird. Stets geht der Elefant so, daß er den
Wind von vorn bekommt, um rechtzeitig etwaige Gefahren wittern oder ver-
dächtige Laute vernehmen zu können. Kein Tier wittert so vorzüglich wie der
Elefant. Andauernd ist der Rüssel in Bewegung, bald gekrümmt, bald nach

vorn gestreckt oder seitwärts gebogen, um jeden Luftzug auf seine Reinheit zu
prüfen. Kilometerweit wittert der Führer den Menschen, während sein Auge
nicht scharf zu sein scheint, dagegen sein Gehör vorzüglich ist. Ein erfahrener
alter Bulle, der oft nur noch einen, häufig sogar gar keinen Stoßzahn mehr be-
sitzt, führt seine Schutzbefohlenen. Ein solcher Elefant ist dem Jäger gegenüber
sehr bösartig, angriffslustig und gefährlich.
Rasten die Elefanten bzw. stellen sie sich in der heißen Tageszeit im
Schatten ein, so schlagen sie vorher einen Haken seitwärts rückwärts ihrer
bisherigen Marschrichtung. Der Leitelefant dreht sich dem Winde zu und steht
für seine Herde Posten. Unter diesem Schutz geben sich die übrigen Elefanten
wenige Meter dahinter der sorglosen Ruhe hin. Jeder auf der Fährte folgende
Mensch wird von dem Wächter sofort bemerkt, wenn er den Bogen des Hakens
erreicht hat und dadurch unweigerlich in den Wind gerät. Springt der Wind
um, ändert der Posten dementsprechend seine Stellung. Wie gewissenhaft er
seine übernommene Pflicht tut, erhellt die von mir oft beobachtete Tatsache,
daß er seinen Platz selbst dann nicht verläßt, wenn ihn ein von Zeit zu Zeit
erscheinender Herdenelefant in der Wachsamkeit ablöst. So lernt der Jüngere
vom Älteren.
Es ist mir trotzdem öfters gelungen, einer so gesichert dastehenden Herde
unbemerkt in unmittelbare Nähe zu kommen, indem ich rechtzeitig den Einstellort
entdeckte und unter günstigem Wind, den gefürchteten Haken vermeidend, von
der Flanke heranpirschte. Das klappende Geräusch der beim Windfächeln an
den Körper schlagenden großen Ohren, ein übermütig ausgestoßener Trompetenton
oder aber das deutlich hörbare, eigenartig knurrende, charakteristische Magen-
und Darmkollern bei der
Verdauungstätigkeit hatten
mir den Rastplatz verraten.
Fesselnde, unvergeß-
liche Bilder boten sich mir
dar. Dem Auge der Allge-
meinheit entzogen, spielen
sich in jenen weltverlasse-
nen, diskret verschwiegenen
Dickungen Szenen aus der
Kinderstube und aus dem
internsten Familienleben des
gewaltigen Riesen der Ur-
zeit ab.
Bei einer dort von mir
beobachteten Herde mit zwei
Elefantenbabys war es ent-
zückend anzusehen, wie die
Mütter ihre Jungen säugten.
Bettelnd umkreisten die
Kleinen ihre Alten und legten
gierig ihren Rüssel um den
Euter zum Trinken. Das
eine Junge tat sich nach
geraumer Zeit nieder und
schnarchte bald darauf in
festem Schlaf. Das andere
sah zu, wie ein paar Ele-
fanten sich Sand aufhoben
und ihn sich über den Rücken rieseln ließen bzw. ein Staubbad nahmen.
Merkwürdig war, daß einige Mütter die Rüssel geknickt nach oben hielten,
und ich konnte mir erst dann den Grund erklären, wie ich sah, daß ein Tier
Blätterwerk abpflückte, Wasser aus dem Rüssel ließ, mit dem Vorderfuß auf
der Erde einen Blätterbrei machte, um denselben dann dem Jungen mittels
Rüssel in den Rachen zu schieben. Die Mütter trugen also Wasser von der
letzten Tränke für ihre Kleinen bei sich, damit sie nicht Durst leiden brauchten.
Diese Tränke lag mehrere Stunden weit zurück.
In der trocknen Jahreszeit, wenn die Hitze am glühendsten ist, alle
kleineren Gewässer und Tümpel versiegt sind, gräbt sich der Elefant in den
weit von der nächtlichen Tränke liegenden Gebieten selber seine kleinen Hilfs-
brunnen. An schattiger Stelle versteckt, versteht er die tiefliegenden Boden-
formationen geschickt auszunutzen. Er wittert die Feuchtigkeit im Erdreich,
bohrt mit dem Rüssel meterlange Löcher, deren Sohle breiter ist als der Rand.
Bald sammelt sich kristallklares kühles Trinkwasser an. Um diese Wasser-
löcher den Blicken Unberufener möglichst zu entziehen sowie vor Verunreinigungen
zu schützen, deckt der Elefant sie sorgsam vor seinem Fortgang zu. Noch
künstlicher ist eine andere Art Brunnen, die das kluge Tier in folgender Weise
anlegt:
In die Uferrandung eines trocknen Flußbettes arbeitet er sich zuerst
einen wagerecht führenden Gang aus und lenkt diesen dann im scharfen Knick
senkrecht nach unten, wo das Aufnahmebecken ausgehöhlt wird. Wasserlöcher
für einmalige flüchtige Benutzung dagegen sind glatte, senkrechte Trichter
(siehe oben abgebildete Skizze).
Sehr ulkig war es, als ein Herdenbulle versuchte, zu der einen Elefanten-
mama liebenswürdig zu sein. Ein Schlag mit dem Rüssel wies den Ungestümen
 
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