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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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17. Heft
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Buss, Georg; Friedrich, Woldemar [Ill.]: Woldemar Friedrich
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0491

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20Ö

MODERNE KUNST.


Woldemar Friedrich: Der Große Kurfürst-beobachtet die Feldarbeiter bei Oranienburg.
Verlag Neue Photogr. Gesellschaft A.-G. Sieglitz.

Es scheint, daß :die erste Gemahlin des Großen Kurfürsten in der Gegend
von Oranienburg Anklänge an ihre holländische Heimat fand — grüne Niederungen,
Wiesen und Wasser. Sie liebte diese schlichte Landschaft und veranlaßte ihren
Gemahl, das dort befindliche kleine Jagdschloß durch den nach Berlin über-
gesiedelten holländischen Baumeister und Ingenieur Memhard erweitern zu lassen.
Lange hat sie sich dieses Tuskulums nicht erfreut, denn sie starb schon 1667.
Woldemar Friedrichs Gemälde gibt vom Schloß und dem Charakter der Land-
schaft ein getreues und stimmungsvolles Abbild. Die Kurfürstin steht mit ihrem
Gefolge im Vordergründe, an der Hand den kleinen Kurprinzen Aemil, der im
Jahre 1674 als Neunzehnjähriger gleichfalls vom Tode hinweggerafft wurde. Sie
nimmt angesichts der ländlichen Arbeiten die Erklärungen eines Kavaliers ent-
gegen, während ihr Gemahl, eine fest geprägte Erscheinung, deren Bedeutung
sofort ins Auge springt, aus dem Mittelgründe herüberschaut. Daß fürstliche
Herrschaften die prüfende Besichtigung einer neuen Anlage vornehmen, ist klar
zum Ausdruck gebracht. Landesväterliche Sorge, höfische Dienstbeflissenheit
und bäuerlicher Fleiß sind deutlich gekennzeichnet. In der Sicherheit der Zeich-
nung und in der Kraft der Farbe zeigt sich der erfahrene Meister. Von besonders
feiner Durchführung ist der Fernblick auf das Schloß Und in die Landschaft zur
Rechten, über der die Wolken von der zur Rüste gehenden Sonne schon rötlich
angehaucht sind. Das weitflächige Bild atmet die Poesie sommerlicher Freude
und fruchtbringenden Schaffens.
Noch anziehender wirkt das Müggelbild. Seine Vorzüge gipfeln in der
intimen Behandlung der Natur und der Geschlossenheit der Farbe. Der Große
König, eine fein gezeichnete Gestalt, den Krückstock in der Hand, hält auf
seinem Lieblingsschimmel Conde in der sandigen Dorfstraße Friedrichshagens
vor den herbeigeeilten, demütig sich neigenden Kolonisten, um deren Anliegen
entgegenzunehmen. Dazu die gaffende Jugend, die aufgefahrenen Planwagen
neuer Ansiedler, die Weiber mit ihren Kindern, die lebendige Gruppe im Vorder-
gründe, in der ein Angehöriger des Gefolges Anweisungen erteilt, und links
zwischen dunkeln Kiefern die Fernsicht über die weite Fläche des Sees, auf der
nahe dem jenseitigen Ufer ein einsamer Segler zieht. Die Luft, durchsättigt vom
Wasserdampfe, den das gewaltige Seebecken unter der Wärme des Tages ent-
sendet, ruht auf dem Bilde wie zarter blaugrauer Nebel. Der Charakter der
Mark kommt vorzüglich zum Ausdruck. Es ist eine Schöpfung, die zu Woldemar
Friedrichs besten Leistungen gehört.
Auch das Friedrichsfelder Bild, eine sonnige Parkidylle aus den Tagen der
Sentimentalität und Schöngeisterei, besitzt hohe Vorzüge — es atmet die vor-
nehme Ruhe einer bevorzugten Gesellschaft, die nahe dem Schloß unter den
Bäumen des Parks der Lesekunst des Prinzen Louis Ferdinand, des „Saalfelders“,
aufmerksam lauscht. Im Gegensätze dazu herrscht in dem Bernauer Bilde die
gewaltige Bewegung und der Stürmische Jubel heimkehrender Sieger, die vor
dem altertümlichen Tor des Städtchens von Bürgermeister und Rat und allem
Volk begeistert empfangen werden. Die rote Bernauer Fahne flattert über dem

Menschenstrom, ein gewappneter Kriegsmann, hoch zu Roß, ihm zur Seite eine
helle Standarte, nimmt den Dank des in roter Amtstracht gekleideten ehrwürdigen
Stadtoberhauptes und dessen ebenso gekleideten Begleiters entgegen, kräftige,
rauhe Gestalten, bewehrt und gerüstet oder in derber bürgerlicher- Tracht,
drängen sich ringsum, packende Willkommszenen zwischen Mann und Weib
spielen sich ab, und hinter dem Getümmel ragen markig und fest als märkische
Backsteinbauten Stadtmauer und Torturm. Die Fülle interessanter Gestalten,
kostömlicher und lokaler Einzelheiten ist in Zeichnung und Farbe zusammen-
geschmolzen zu einer geschlossenen Einheit, die ein gut Stück echt mittelalter-
lichen Lebens mit mancherlei Sonderbarkeiten umfaßt.
Als Woldemar Friedrich diese Bilder malte, befand er sich auf der Höhe
seines Schaffens. Aus den hervorragenden Arbeiten der Folgezeit seien noch
das typenreiche und farbenprächtige Deckengemälde „Berlin empfängt die Gäste
aller Nationen“ im Festsaal des Hotel Adlon und als Staffeleibilder die im
Jahre 1907 vollendete, groß und breit gemalte „Sklavin“ und der 1908 entstandene
„Ilsefall“ hervorgehoben. Der Harz war dem Künstler ans Herz gewachsen.
Oftmals hat er in den Wäldern des Berglandes Erholung und Anregung gesucht
und gefunden. Im „Ilsefall“, dessen Wassermassen zwischen grauen Felsblöcken
tosend und schäumend zu Tal stürzen, ist ein mächtiges Stück Naturpoesie
meisterhaft verherrlicht. Lustige Nixen tummeln sich im Wasser oder ruhen auf
den Felsen und oben steht schlank und schön die Gebieterin Ilse. Kühle und
Verschwiegene Wäldesstimmung verleiht dem Bilde einen bestrickenden Zauber.
Bevor es noch völlig vollendet war, rang der Tod am 16. September 1910 den
reich begabten, unermüdlichen Meister schonungslos nieder. Geboren am 30. August
1846 zu Gnadau, einer Herrenhuter Kolonie in der Provinz Sachsen, hat der
Verewigte ein Alter von vierundsechzig Jahren erreicht.
Auf den durch feinen Schönheitssinn und lebendige Phantasie ausgezeichneten
Meister, der als Historienmaler und Illustrator eine Fülle edler Gaben gespendet
hat, lassen sich im LIinblick auf seine vornehme Zurückhaltung die Goetheschen
Worte aus „Künstlers Fug und Recht“ anwenden:
Mit keiner Arbeit hab ich geprahlt,
Und was ich gemalt hab', hab ich gemalt.
Als Lehrer im Jahre 1886 aus Weimar an die Berliner Kunstakademie be-
rufen, hat er in ihrer Antiken- und Kompositionsklasse bis zu seinem Tode in
erfolgreichster Weise gewirkt. Damals schuf er auch in kurzer Zeit das farben-
prächtige, durch meisterliche Verkürzungen ausgezeichnete allegorische Kuppel-
gemälde in der Eingangshalle des Ausstellungspalastes am Lehrter Bahnhof: Die
in Purpur prangende Germania, gefolgt von venetianisch gekleideten Künstlern,
schreitet zur thronenden Berolina, um ihr für gastliche Aufnahme zu danken,
während im Zenith der Kuppel Apollon auf seinem Sonnenwagen der in Be-
gleitung der Musen emporschwebenden deutschen Kunst entgegeneilt. Mannig-
fache Auszeichnungen und Ehren sind dem Meister zu teil geworden, aber der
Einfachheit seines Wesens blieb er immerdar getreu
 
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