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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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17. Heft
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MODERN!*: KUNST.





Glück auch im dramatischen Fache versucht. Seine eigentliche Domäne
war aber das Epos; Romane von großartiger lyrischer Subjekt!
vität, und wiederum Skizzen und Novellen, die scharf gesehene
Ausschnitte aus der Wirklichkeit enthalten. Neben „Hunger“
sind als die Perlen seiner epischen Dichtkunst herauszuheben
die Romane „Pan, aus Leutnant Glahns Papieren“ und „Vik-
toria, die Geschichte einer Liebe“, beide, wie schon Hunger
die Sehnsucht des Bauern nach Verfeinerung, des Natur-
mannes nach dem Kulturweib schildernd. In diesem
Zwiespalt liegt ja auch die persönliche Tragik des
Dichters. Knut Hamsun, ^selbst ein Hüne mit Bären-
kräften und Tierinstinkten, besitzt die ungehemmte
Naturkraft eines nordischen Bauern, der aus Untiefen
heraus sich der Schätze der Litteratur bemächtigt, und
Werke schafft, so einfach, als ob sie der Naturgeist
selber ihm eingegeben hätte, der aber seine nachtwand-
lerische Sicherheit verliert, sobald er mit der differen
zierenden und reflektierenden modernen Kultur in Be-
rührung kommt, und der weder in das moderne Staats-
gefüge noch in die moderne Zivilisation sich einzufügen weiß.
Franziska Eli menreich, die bekannte Schauspielerin,
ist, nachdem sie zuletzt länger als ein Jahrzehnt am Deutschen
Schauspielhause in Hamburg gewirkt hat, an dem sie auch als So-
zietärin beteiligt war, nunmehr an das Königliche Schauspielhaus in
Berlin verpflichtet worden, um hier einen Teil der durch den Tod
Nuscha Butzes verwaisten Rollen zu übernehmen. Damit dürfte die
Künstlerin, die schon im Laufe des Frühjahrs ihre Berliner Tätigkeit in Form
eines Ehrengastspiels beginnen wird, endlich festen Fuß in der Reichshauptstadt

Franziska Ellmenreich
Phot, von Salzen, Hamburs

Das Wohnhaus Knut Hamsuns in Elverum, Norwegen.
fassen, wo sie s. Zt. auf fast allen für sie in Frage kommenden Bühnen gastiert
hat, ohne daß es gelang, sie für eine auf längere Zeit zu gewinnen. Schon da-
mals — ausgangs der neunziger Jahre — wurde ein Engagement an das Berliner
Königl. Schauspielhaus in Erwägung gezogen; doch zerschlugen sich die Ver-
handlungen, da die Berufung nach Hamburg dazwischen kam. Franziska Ellmen-
reich entstammt einer alten Schauspielerfamilie, die schon vom 18. Jahrhundert
an unserer Bühne eine Reihe tüchtiger Talente zugeführt hat. Ihr Vater, der
am Hoftheater in Schwerin, wo Franziska geboren wurde, tätig war, sowie Karl
Devrient und Karl Sontag waren ihre dramatischen Lehrer,
ln Meiningen konnte sie zuerst zeigen, was sie bei
diesen berufenen Lehrern gelernt hatte, und in
den folgenden Jahren entwickelte sich ihr
Talent in Kassel, Hannover und Lei
so verheißungsvoll, daß sie für würdig
befunden wurde, in dem anspruchs-
vollen Rahmen des Dresdner Hof-
schauspiels aufzutreten. Liier über-
traf sie die Erwartungen so sehr,
daß sie als jugendliche Liebhaberin
eine Stütze des klassischen und mo-
dernen Dramas wurde. Dann kam ihre
erste Hamburger Epoche; denn Pollini
verpflichtete sie an das dortige Stadt-
theater, wo sie im Zusammenspiel mit Bar
ney und Friedmann ihr Rollenfach immer mehr
erweiterte und namentlich in klassischen Aufgaben,
wie etwa als Adelheid, Gretchen, Maiia Stuart, Jungfrau Opferung von Hammeln bei der Einweihung der
von Orleans, Desdemona, Ophelia, Kriemliild u. a., starke ersten elektrischen Straßenbahn in Konstantinopel.
Phot. Charles Trampus, Berlin.

Triumphe feierte. Echt weiblich in ihrer Empfindungsweise, klug
und mannigfach gebildet, vermag sie den dichterischen Intentionen
auch dann noch gerecht zu werden, wenn sie ihrem eigentlichen,
liebenswürdigen Naturell zuwiderlaufen. Und ebenso wie
ihre klassischen Gestalten bekunden ihre Darstellungen der
modernen Heldinnen im französischen Drama ihr hohes
Maß von Intelligenz. Nach Abschluß ihrer ersten Ham-
burger Tätigkeit trat sie auf fast allen deutschen Bühnen
gastierend auf und versuchte sich in Amerika und in
London auch als englische Schauspielerin. Im Sommer
1880 wirkte sie bei den Gesamtaufführungen mit, die im
Münchener Hoftheater veranstaltet wurden, und erfreute
sich dabei lebhaften Beifalls. Dann kam ihre Berliner
Gastspielzeit, der sich die zweite Hamburger Epoche
anschloß, und nun soll wieder Berlin das künstlerische
Tätigkeitsfeld werden. Man darf erwarten, daß die
Künstlerin, die allmählich den Übergang ins reifere
Fach vollzogen hat, auch hier ihre Gewandtheit und
Vielseitigkeit bewähren und durch gediegene Leistungen
erfreuen wird. k.
Die erste eie k tr i sehe Straßen bahn in Konstantin opel.
Die unvergleichlich schön gelegene Haupt- und Residenzstadt des
Osmanenreichs, von den Türken deshalb wohl auch die „Pforte der
Glückseligkeit“ genannt, widersetzte sich lange Zeit aufs hartnäckigste
allen Errungenschaften moderner Kultur. Mit der ersten Straßenbahn, die
von der neuen Brücke nach dem Fatihviertel führt, haben die Türken
ihre ablehnende Haltung gegenüber
den Einflüssen europäischer Zivilisation
endlich aufgegeben. Die deutschen In-
genieure, denen der Bau der Anlagen
übertragen worden war, sahen sich vor
eine überaus schwierige Aufgabe ge-
stellt, die mit den eigenartigen Terrain-
verhältnissen dieser hügligen Stadt ihre
Erklärung finden dürfte. Bei weitem
der größte Teil des verwandten Mate-
rials stammt aus deutschen Fabriken,
und so kann die türkische Straßenbahn,
wenngleich sie auf internationaler Fi-
nanzbasis ruht, doch in erster Linie als
deutsche Schöpfung bezeichnet werden.
Der Bedeutung entsprechend vollzog
sich die Einweihung dieses für Kon-
stantinopel so wichtigen neuzeitlichen
Verkehrsmittels mit großer Feierlich-
keit, bei der das priesterliche Gebet und
die traditionellen Hammelopfer nicht
fehlen durften. Eine schaulustige Menge,
die sich aus allen Schichten der einhei-
mischen Bevölkerung zusammensetzte,
war erschienen, um Zeuge des großen
Ereignisses zu sein, und ein Staunen der
Bewunderung erfüllte die Harrenden,

Knut Hamsun.

als die ersten Wagen ohne Pferde auf den blanken Schienenwegen heranrollten. Die
Straßenbahnwagen waren mit roten und weißroten Fähnchen, die den Halbmond
zeigten, geschmückt, und jeder wollte natürlich gern als erster mit dem neuen,
vielbewunderten Verkehrsmittel fahren. Die Linie ist deshalb von besonderer
Bedeutung, weil sie verschiedene Stadtviertel durchquert, die bisher einen rein
orientalischen Charakter trugen, und in denen man nur selten
etwas von europäischer Kultur merkte. Sie nimmt
ihren Anfang im Herzen des mohammedanischen
Konstantinopel und führt hinab zum Hafen.
An vielen historisch denkwürdigen Stätten,
an mächtigen Moscheen und Regierungs-
gebäuden saust sie vorüber, durch-
fährt die engen Gassen und Gäßchen,
und wiederholt bietet sich dem Auge

auf der Strecke ein geradezu be-
zaubernder Ausblick auf Inseln und
Meer. Wenn sich, wie unbedingt zu
erwarten ist, das neue Verkehrsmittel
bewährt und dauernd bei Stambuls Be-
wohnern Gegenliebe findet, wird das Kon-
sortium, das sich aus deutschen, österreichi-
schen, französischen, belgischen und Schweizer
Finanzinstituten gebildet hat, bald an eine weitere
Verzweigung des Straßenbahnnetzes denken müssen und so
den bisher zeitraubenden Verkehr erleichtern. w.
 
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